Restauratoren-Ausbildung – ein Augenschein
27.07.2020
Die «Interessengemeinschaft Fahrzeugrestaurator (IgF)» führte am 4. Juli 2020 in der Berufschule Baden eine Schulung im Rahmen der Ausbildung «Fahrzeugrestaurator mit eidg. Fachausweis» durch. Die beiden Dozenten und ausgewiesenen Branchenkenner Daniel Reidl und Stefan Mäder haben auch mich zum Besuch eingeladen, rund 20 gut gelaunte und wissbegierige Gesichter heissen uns willkommen.
Der Lehrgang ist auf Fachkräfte ausgerichtet, die die Wartungs- und Reparaturtechniken der Fahrzeuge aus den Baujahren 1945 bis 1980 anwenden und mit der heutigen Praxis verbinden. Wird sich das Berufsbild weiterentwickeln und auch für Youngtimer, zum Beispiel mit Baujahr 2000, öffnen? Zurzeit sei dies noch nicht vorgesehen. Nebst einer Bedürfnisabklärung, müsste sich die Branche dazu erst bekennen. Die Youngtimer-Szene ist mit starker Bewegung in einem grossen Wandel, im Auto-Segment 20 bis 29 Jahre befinden sich zurzeit noch sehr viele Alltagsfahrzeuge. Dieser Umstand sei insbesondere auf die höhere Produktionsqualität und Langlebigkeit bei den Modlelen aus den Achtziger- und Neunzigerjahren zurückzuführen. Bereits heute stelle eine fachgerechte Wartung und Unterhalt dieser Fahrzeuge gängigen Garagisten in der Schweiz vor kleine Herausforderungen.
Dass für Fahrzeuge mit den Baujahren zwischen 1945 – 1980 ein spezifisches Fachwissen notwendig ist, illustrierte der Schulungstag mit dem Thema «Restaurierungsaufwand». Um die Übung möglichst praxisnah auszugestalten, organisierten die Dozenten einen unrestaurierter «Hillmann». In Gruppenarbeit erstellten die angehenden Restauratoren ein Zustandsgutachten und arbeiteten für drei Kunden mit unterschiedlichen Profilen und Bedürfnissen Restaurierungsvorschläge aus. Pro Restaurierungsvorschlag wurden die Projektschritte festgelegt und ein Kostenvorschlag kalkuliert.
Diese Aufgabe setzt ein ausgewiesenes und fachmännisches Knowhow voraus, denn Referenz- und Vergleichswerte gibt es keine. Und genau hier setzte der Schwerpunkt dieser Ausbildung zum «Oldtimerflüsterer» an, man müsse das Restaurationsobjekt fühlen können, so Stefan Mäder. Die eidgenössischen Lehrgänge für Automobil-Fachmann und Automobil-Mechatroniker weisen einen Schwerpunkt auf elektronische Diagnostik und den Ersatz von defekten Teilen oder Aggregaten aus. Ein erfahrener Fahrzeugrestaurator hört und fühlt, wenn ein Motor nicht auf allen Zylindern laufe.
Diese Sensibilisierung nimmt im Lehrgang in den Modulen «Arbeitshaltung & Restaurierungsethik» einen wichtigen Stellenwert ein. Den Lernenden werden die Wichtigkeit der Originalität, Fahrzeuggeschichte und Zeitzeugen vermittelt - Fahrsicherheit und Originaltreue haben immer oberste Priorität. Mit diesem Grundsatz werden alte Bauteile erhalten oder aufbereitet, auf das Ersetzen von billigen Kopien aus schlechter Nachproduktion wird verzichtet. Ein Fahrzeugrestaurator stellt jederzeit einen seriösen Unterhalt sicher, massgeschneidert auf den Fahrzeugtyp und das Einsatzgebiet. Nebst dem Effekt, dass sich die Pannenanfälligkeit deutlich reduziert, wird die Lebensdauer von wichtigen Bauteilen wie Motor und Getriebe deutlich verlängert. Die Qualitätsstandards sind im Branchenvergleich beim Fahrzeugrestauratoren-Lehrgang deutlich höher. Für die Wartung der teilweise sehr primitiven und anfälligen alten Technik, wie zum Beispiel ein Einkreis-Bremssystem, ist nebst fachlichem Knowhow, grosse Erfahrung und eine ausgeprägte Arbeitsethik notwendig.
Die Ausbildung zum Fahrzeugrestaurator setzt vorwiegend auf bestehendes Wissen auf. Rund 80% der Teilnehmer haben eine technische Grundausbildung mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis, beispielsweise als Automobil-Fachfrau/-mann, Automobil-Mechatroniker/-in oder Carrossier/-in. Das Branchen-Klischee «Hobby älterer Männer» trifft in zweifacher Hinsicht nicht auf das Teilnehmer-Profil zu: Die Frauenquote beträgt erfreuliche 25% und 60% der Teilnehmer sind unter dreissig Jahre jung.
Die anderen 20% sind meist Technikfreaks mit höheren Berufsbildungsabschlüssen, welche sich im gesetzten Alter einen persönlichen Traum verwirklichen wollen. Meist stammen diese Leute aus branchenverwandten technischen Berufen. Zum Teil soll mit der Ausbildung das Hobby professionalisiert oder sogar das Hobby zum Beruf gemacht werden.
Marvin Pfister, 26, aus Altenrhein, schloss die Lehre als Automechatroniker ab. Im Lehrbetrieb kam Pfister erstmals mit Oldtimern in Kontakt, die andere Arbeitsweise an diesem Fahrzeugsegment, mit viel schrauben oder Ersatzteile anfertigen, erfüllten ihn sehr. Heute arbeitet er bei Goodtimer als Restaurator. Ähnlich bei Sven Lüthi, 35 Jahre, seine Leidenschaft für Oldtimer machte er zum Beruf. Als Motorrad-Mechaniker ins Berufsleben gestartet, will er als Fahrzeugrestaurator die Sicht in die Tiefe erweitern und ein gutes Netzwerk aufbauen.
Einen völlig anderen Berufsweg schlug der Genfer Thomas Linser, 48 Jahre, ein. Nach dem Kunstgeschichte-Studium arbeitete Linser als erfolgreicher Key Account Manager für ein internationales Grossunternehmen. Irgendwann erkannte er, dass seine berufliche Tätigkeit keinen Sinn ergibt – das Schrauben an Oldtimer erfüllte ihn hingegen sehr. Er entschied sich, nochmals ganz von vorne anzufangen. Als Hilfskraft arbeitet er heute bei einem Genfer Restaurator. Mit dem Lehrgang hegt Linser grosse Pläne, nach Abschluss möchte er in der Westschweiz das Geschäft auf die Restauration von Oldtimern ausbauen und eine Oldtimer-Community aufbauen. Als Tipp für Interessenten meinte er lachend: «Alle Jungen, die sich für Öl interessieren, sollten diesen Beruf erlernen. Es macht einfach Spass!»
Mehr zur Schweizerischen Ausbildung zum Fahrzeugrestaurator ist auf einer eigenes eingerichteten Website nachzulesen.