Am 27. Mai 2017, also am letzten Samstag, wurde in Cernobbio im Park der Villa Erba, anlässlich des Concorso d’Eleganza Villa d’Este, von RM/Sotheby’s eines der spektakulärsten Fahrzeug der Autogeschichte versteigert . EUR 3,36 Millionen bezahlte der neue Besitzer für das elegante Auto, das wegen seiner Form “Goutte d’Eau”, englisch Teardrop, auf Deutsch könnte man “Wassertropfen” dazu sagen, genannt wird. Es handelt sich dabei um einen Talbot-Lago T150-C SS aus dem Jahr 1937, und zwar einem von nur zwei durch den französischen Karosseriebauer Figoni et Falaschi mit komplett verschalten Rädern rundum eingekleideten Wagen (Chassis 90110).
Am 25. November 1937 soll der Wagen damals fertig geworden sein, konnte aber wohl nicht verkauft werden, verbrachte jedenfalls die Kriegsjahre im Werk von Talbot-Lago. So zeigen es zumindest Fotos.
Im Jahr 1946 tauchte der Wagen, respektive das Chassis (ohne Karosserie) dann in Wichtrach bei Hermann Graber, dem Schweizer Karosseriebauer auf, der den Auftrag erhielt, auf das Chassis eine neue und nun offene Karosserie zu setzen. Offenbar war die Wassertropfen-Karosserie durch einen Unfall beschädigt worden, ob sie noch auf dem Chassis sass, als es in Wichtrach ankam, ist wohl nicht überliefert.
Graber jedenfalls leistete ganze Arbeit und entwarf eine elegante Cabriolet-Karosserie. So fuhr der Besitzer H. Frey den Wagen, bis er ihn im Jahr 1966 an einen Herr G. Frey weitergab. Ob die wohl verwandt waren? 1987 kam der Wagen wieder ins Bernbiet.
Im Jahr 2000 entschied der neue Besitzer, wieder die ursprüngliche Karosserie auf das Chassis zu setzen. Weil davon nichts mehr vorhanden war, musste sie komplett neu gebaut werden, eine Arbeit, die die Firma “Auto Classique Touraine” in Tours (Frankreich) übernahm. Dieser Karosseriebauer hatte bereits einen anderen “Teardrop” rekonstruiert und war damit ideal positioniert für die Arbeiten, die aber trotzdem rund drei Jahre in Anspruch nahmen.
Der Wagen wurde, wohl anders als ursprünglich, zweifarbig schwarz-silbern lackiert und weitgehend in aller Stille genossen. Jedenfalls tauchte er kaum je öffentlich auf, bis er nun versteigert wurde.
Die Graber-Karosserie aber, die das Chassis während 44 Jahren begleitet hatte, konnte im Jahr 2000 gerettet werden und fand schliesslich auf das Chassis eines Talbot-Lago T120 von 1936, als ein solches mit unreparabler Karrosserie gefunden werden konnte. Der Graber-Talbot wurde übrigens am 13. Juni 2015 an der Dolder-Versteigerung der Oldtimer Galerie für knapp unter EUR 400’000 unter Vorbehalt zugeschlagen und wohl nach Nachverhandlungen verkauft.
Über diese Geschichte lässt sich trefflich philosophieren! Wie original ist ein Auto, dessen Karosserie im Prinzip eine Replica das ursprünglichen Figoni-Aufbaus war und kein Stück Blech von damals enthielt? Wäre nicht die Graber-Variante schützenswerter gewesen aus historischer Sicht, immerhin entstand sie “in der Zeit”. Wenn die “Seele” eines Wagens im Chassis und Antriebsstrang liegt, was war dann der im neuen Jahrhundert entstandene Graber-Talbot-Lago T120.
Man sieht es an diesem Beispiel sehr gut, Originalität ist relativ. Zwar wurde ein Wagen, also der Talbot-Lago T150 SS wieder im damaligen Sinn erneut zum Leben erweckt, aber es wurde damit auch der grössere Teil seiner 80-jährigen Geschichte ausradiert und für ein komplett neu gebautes Karosseriekleid geopfert. Finanziell allerdings dürfte sich dieser Kraftakt durchaus gelohnt haben und es bleibt zu hoffen, dass man den schwarz-silbernen “Teardrop” nun wieder an Concours-Veranstaltungen anschauen kann. Wie dann die Punkte-Richter über dieses Auto denken werden, wird sich zeigen.
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