Aus dem Leben eines Mechanikergesellen - das Wasser wird zu heiss
26.06.2017
Gleich zu Arbeitsbeginn kam ein Durchgangskunde mit seinem Mercedes 220 a in unsere Werkstatt gerollt und ließ sich in der Reparaturannahme den Arbeitsauftrag ausschreiben. Ich bekam den Auftrag in die Hände und las: „Motor wird zu heiß (nach wenigen Minuten Fahrt bis 95 C). Thermostat ausbauen und kontrollieren!”
Der Thermostat war in wenigen Minuten ausgebaut und lag kurz darauf im langsam sich erwärmenden Wasser des Elektrokochers, den wir für solche Zwecke als Prüfgerät zu benutzen pflegen. Ein beigefügtes Thermometer zeigte das Steigen der Wassertemperatur an.
Zu meinem Erstaunen öffnete der Thermostat, wie es ihm zustand, genau bei 73 C. Dies war dann auch der Zeitpunkt, bei dem mein „Denkapparat" auf Touren kam. Die erste Feststellung war: Thermostat in Ordnung. Bei der relativ kurzen Laufzeit, die der Wagen hatte, konnte auch der Kühler nicht verstopft sein; äußerlich durch Insekten zugesetzt war er ebenfalls nicht.
Mein nächster Gedanke war nun: Der Motor muß unter außergewöhnlichen Umständen gearbeitet und dabei außergewöhnlich viel Wärme erzeugt haben, die das Kühlsystem nicht genügend schnell abfühlen konnte. Den Grund dafür suchte ich in einer falschen Zündeinstellung oder in Zündaussetzern.
Gerade als ich mit der Kontrolle der Zündeinstellung beginnen wollte, schaute ich zur Batterie, und es fiel mir auf, daß die Klemme des Massekabels sehr hoch auf dem Minuspol saß. Der Grund dafür war auch sofort gefunden: Die Minusklemme war nur lose auf den Pol aufgesteckt und nicht festgezogen.
Ich befestigte die Klemme ordnungsgemäß, wobei ich natürlich auch die Plusklemme kontrollierte. Danach ging ich im Beisein des Kunden auf die Probefahrt. Und siehe da, der Motor war nicht mehr über 80 Grad zu Dringen. Nun rückte der Kunde damit her aus, daß seit einiger Zeit der eingebaute Radioapparat Störungen (Aussetzer) aufwies und daß der Motor zeitweise schlechter als gewohnt ansprang.
Dies bestätigte meine Vermutung, dass ein, wenn auch kurzzeitiges Aussetzen der Zündung vorgelegen hatte und dies auch der Grund für die, wenn auch nicht ohne weiteres erklärbare, erhöhte Kühlwassertemperatur war. Nicht klar ist mir ferner, dass sich bei dieser Sachlage der Anlasser überhaupt in Bewegung setzen konnte. Jedenfalls war ich um eine Erfahrung reicher, und in dem befriedigen Bewußstein, zu Ende gedacht zu haben, wünschte ich dem Kunden “Gute Fahrt”.
Dieser Text stammt aus der Ausgabe 17 des Jahrgangs 1957 der Zeitschrift “Krafthand”.