Triumph und Ducati – Scheidung auf Italienisch
Vor etwa zweieinhalb Jahren haben wir von der sagenumwobenen Montage von Triumph-Automobilen bei Ducati erzählt und uns im Zuge dessen gefragt, wie viele Fahrzeuge wohl dort komplettiert worden sind. Nach längerer Recherche glauben wir nun die Antwort zu wissen: höchstwahrscheinlich gar keine. Wie das sein kann, nachdem man doch immer wieder davon liest? Hier die ganze Geschichte.
Nach dem zwar ungemein hübschen, aber seine technische Abstammung verleugnenden Fiasko namens Italia 2000 war Leyland-Triumph nicht mehr gut auf Salvatore Ruffino zu sprechen. Ein neuer Importeur samt eines lückenlosen Servicenetzes musste her – denn auch letzten Punkt hatte Ruffino nur unzureichend erfüllt. Die Briten fanden ihren neuen Partner im Motorradbauer Ducati, der ohnehin ins Automobilsegment einzusteigen gedachte.
Auf dem Turiner Autosalon im Oktober 1962 wurde die neue Geschäftsbeziehung öffentlich verkündet. Mehr noch: Ducati sei seit 1. September nicht nur Generalimporteur für Triumph-Fahrzeuge in Italien, sondern werde auch in Kürze mit der Montage von ganzen Automobilen sowie der Produktion von Ersatzteilen beginnen. Natürlich würde Ducati sein Motorradgeschäft uneingeschränkt weiterbetreiben, berichteten deutsche wie italienische Zeitschriften.
Ducati-Geschäftsführer Giuseppe Montano schlug vor, das Montagewerk im Süden des Landes errichten, weil dann Mittel aus der "Cassa per il Mezzogiorno" genutzt werden könnten – einem staatlichen Unterstützungsfond zur Erweiterung der industriellen Infrastruktur in Unteritalien. Die Fabrik sollte nicht nur aus England angelieferte Bausätze zusammensetzen, sondern auch eine eigene Abteilung für deren Weiterentwicklung haben.
Anfang 1963 begannen die Vertragsverhandlungen zwischen Leyland-Triumph und Ducati, angeführt von Hauptanteilseigner Ernesto Breda. Die Forderungen der Italiener waren nicht unbescheiden. Statt mit nur 30 Prozent (wie von Leyland vorgesehen), sollten sich die Engländer mit 49 Prozent an dem Unternehmen beteiligen. Ausserdem beanspruchte Ducati den Vorstandsvorsitz ebenso wie das Recht, die eigenen Erzeugnisse auch im Ausland anbieten zu dürfen.
Die Verhandlungen zogen sich bis in den Spätherbst, wobei neben der finanziellen Unterstützung aus England auch über die Dauer der Partnerschaft stark unterschiedliche Meinungen herrschten. Nach zahlreichen Vertragsentwürfen, die aber immer nur von einer Seite für unterzeichnungswürdig gehalten wurden, verlief die Sache Ende 1963 schliesslich im Sande.
Infolgedessen beschränkte sich Ducati auf den Import von Triumph-Fahrzeugen und -Ersatzteilen sowie Wartung und Betreuung bei über 200 Vertragshändlern – inklusive einer eigenen Pannendienstflotte. Neben Anpassungen an die gesetzlichen Vorgaben (etwa Rückleuchten mit separatem Blinker für den Triumph Spitfire) erhielten alle Autos die Plakette "Meccanica Ducati Bologna", die heute oft zu der Annahme führt, der Wagen sei auch in Italien montiert worden.
Nach dem Zusammenschluss mit BMC zu Jahresbeginn 1968 wurde Leylands Verbindung zum Motorradbauer aus Borgo Panigale totgeschwiegen, bestand aber zunächst weiter. Der frühere Konkurrent und jetzige Fusionspartner kooperierte nämlich seit 1960 mit Innocenti. Zum Jahresende 1970 lief der alte Triumph-Vertrag mit Ducati schliesslich aus, sodass beide Unternehmenszweige ab 1971 unter der Neugründung British Leyland Italia liefen.
Und woher kommt die immer mal wieder kolportierte Schätzung, dass etwa 20 Triumph TR4 bei Ducati montiert worden sind? Natürlich ist es möglich, dass Leyland zu Versuchszwecken eine Kiste "Vorserienexemplare" nach Bologna geschickt hat. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass es sich schlicht um eine Fehldeutung der (heute trotzdem sehr seltenen) Händlerplakette auf dem Kofferraumdeckel handelt. Etwa so, als würde man sagen, Auto Becker habe ab 1958 in Düsseldorf Facel Vega montiert…




















