Geniale Tüftler und findige Ingenieure, gewiefte oder weniger geschickte Geschäftsmänner und manchmal auch unverfrorene Betrüger haben das Automobil seit seinen Anfängen begleitet. Das brachte manchmal einen überragenden Erfolg, ja eine frühe Vorreiterrolle, doch in manchen Fällen einen ebenso raschen Abstieg.
Eher selten hingegen führte jemand durch seine unkonventionelle Art eine Unternehmung zur Blüte, um sie in kurzer Zeit wieder durch nicht konformes Verhalten in den Ruin zu reissen. Vielleicht erlebt die Welt dies nun zum ersten Mal. Doch schauen wir zuerst zurück.
Mancher Pionier wurde von seinen Nachahmern überholt
Der erste zu sein hat gewiss manchen Vorteil. Von den frühen Protagonisten der Automobilgeschichte hat sich eine gute Zahl bis heute halten können. Marken wie Mercedes-Benz, Peugeot, Renault, Fiat, Opel oder Ford haben sich durch alle Zeiten und Widerstände hindurch geschlagen. Und selbst wenn hier und dort die Selbstständigkeit verloren gegangen ist oder aktuell manchen ein gar rauer Wind entgegen bläst, so darf man davon ausgehen, dass diese Marken auch in Zukunft noch existieren werden.
Auffällig ist, dass die meisten der heute noch aktiven Marken – selbst wenn starke Persönlichkeiten in der Frühphase diesen Unternehmen ihren Stempel aufgedrückt haben – eine eigene Identität haben erlangen können, ohne dass der Gründer omnipräsent darin vorzukommen braucht. Wer sich etwa einen Ford Focus vorstellt wird vermutlich nicht dauernd an Henry Ford erinnert.
Andere Pioniere hingegen haben zwar Grundlagen geschaffen, die bis heute Gültigkeit haben, sind aber trotzdem untergegangen. Eine wichtige Automarke, die früh von der Bühne gegangen ist, war De Dion-Bouton. Zuerst mit Dampfautos – die 1884 gebaute «Marquise» ist heute das älteste noch funktionierende Auto überhaupt – dann mit Verbrennungsmotoren, war De Dion-Bouton zu Beginn des 20. Jahrhunderts der grösste Autoproduzent der Welt und auch einer der einflussreichten. Zahlreiche Nachahmer kopierten die Wagen. Bereits 1900 hatte das Unternehmen bei Paris, etwa da wo der heutige Finanzdistrikt «La Défense» zu finden ist, rund 5000 Motordreiräder und ebenso viele Motoren fabriziert. Nach einem verpassten Neustart und dem Fehlen einer klaren Modellstrategie – volkstümliche Autos in Grossserie oder Luxuswagen – nach dem ersten Weltkrieg, verdiente sich der Hersteller sein Geld mit Strassenreinigungswagen und Kippern, das Automobilgeschäft dümpelte vor sich hin. 1927 musste erstmals die Bilanz deponiert werden, 1932 war dann Schluss mit dem Autobau und einer der wichtigsten Autopioniere überhaupt war damit eliminiert.
De Dion-Bouton von 1885, die einstigen Autopioniere wurden von der Entwicklung überholt
Streitbar, doch erfolgreich
Auch der Grosserienpionier Ford hat sich einst fast von der Bildfläche ausradiert. Ende der 1920er-Jahre schaffte es der einstige Marktführer – mit 40% am globalen Automarkt um 1920 – nur noch haarscharf die Kurve zu nehmen, nachdem er zu lange auf den Erfolg des Model T gesetzt hatte. Doch trotz des Erfolgs des Nachfolgers Model A ab 1928 und der Überraschung mit dem ersten volkstümlichen V8 ab 1931, spielte der Riese aus Dearborn fortan nur noch die zweite Geige unter Amerikas «Big Three» – hinter GM und vor Chrysler. Kaum Einfluss auf den Firmenerfolg hatten jedoch gewisse Ansichten des Gründers Henry Ford. Er war beispielsweise bekennender Antisemit. Die Publikation einer Serie von 91 Beiträgen unter dem Titel «The international Jew» in der von ihm 1918 gekauften Zeitung «The Dearborn Independent», die ab 1920 erschienen sind, war voller Anschuldigungen und zeigte deutlich, dass Ford an eine grosse jüdische Weltverschwörung glaubte. Seinem wirtschaftlichen Aufstieg stand diese Haltung kaum im Wege, selbst dann nicht, als er davon ein zweibändiges, gebundenes Werk herausbrachte und dieses sogar aktiv an Freunde und Partner verteilen liess.
Henry Ford 1921, ein durchaus streitbarer Zeitgenosse und Antisemit – geschadet hat es ihm kaum
Auch die Umstände, in welchen die Familien Porsche und Piëch verwickelt waren, um es milde auszudrücken, scheinen ihrer weiteren Karriere und dem Geschäftsverlauf ihrer Firmen in keiner Weise geschadet zu haben. Offenbar war es zweitrangig, welche politische Haltung sie einst innehatten oder, bei Professor Porsche wohl eher zutreffend, zu welcher er sich einst hatte widerstandslos zuordnen lassen und davon in grossem Masse hat profitieren können. Dass ein Autohersteller durch seine Führungspersönlichkeiten abseits von deren Kernaufgaben – der Firmenleitung – ins Abseits gebracht wurde, ist in der Geschichte denn auch nicht sehr oft anzutreffen.
Es gibt diese Episoden zwar, aber meist blieben sie Randnotizen. Ein Beispiel ist jenes des Ehepaars Docker, die damit verbundene Marke war British Daimler. Daimler war das erste Auto in den Royal Mews, der königlichen «Garage». Die älteste Automarke des Vereinigten Königreichs war bis nach dem 2. Weltkrieg der offizielle Hoflieferant. Rolls-Royce bleib hier lange Zeit aussen vor.
Die offizielle Lesart für die Gründe der Royals, die Marke zu wechseln, waren zwar die wiederholten Getriebeprobleme mit den königlichen Daimler in den 1940er und frühen 1950er-Jahren. Einer der Daimler soll gar während eines offiziellen Auftritts einen Achsbruch erlitten haben. Ein anderer Grund könnte aber auch etwas delikaterer Natur gewesen sein: Der BSA-Chairman – Birmingham-Small-Arms war die Besitzerin von British Daimler – Sir Bernard Docker hatte im Februar 1948 eine ehemalige Nachtclubtänzerin und zweifache Witwe geheiratet, Nora Turner. Nun als Lady Docker bekannt, sorgte sie immer wieder für skandalträchtige Schlagzeilen. Und Nora Docker wurde bekannt für ihren extravaganten, wenn auch nicht sonderlich guten Geschmack. Erst als der Verwaltungsrat dem auf Firmenkosten getriebenen Aufwand – Lady Docker hatte sich nicht weniger als fünf, heute als «Docker-Daimler» bekannte Show-Fahrzeuge bauen lassen – 1956 durch die Entlassung Sir Dockers ein Ende setzte, nahmen die Schlagzeilen in der Boulevard- und Sensationspresse um den einst als höchst konservativ und gut situiert geltenden Hersteller ab. Bestimmt schadeten die taktlosen Eskapaden der Dockers, wie auch die Unterfinanzierung von Daimler, der Marke soweit, dass Jaguar-Gründer William Lyons Daimler 1960 kaufen konnte. Dies, weil er hauptsächlich an den hier zur Verfügung stehenden, zusätzlichen Produktionskapazitäten interessiert war.
Das Ehepaar Docker sorgte für manches Skandälchen bis es dem Board der Daimler Company 1956 zu viel wurde.
Aktualität
Pioniere, die scheitern und Firmeninhaber, die durch ihr Auftreten und ihre Aussagen – oder durch ihre politische Haltung – dem eigenen Firmenerfolg schaden, das kommt uns aktuell mehr als bekannt vor. Als Pioniere waren sie einst angetreten, Martin Eberhard und Marc Tarpenning, als sie 2003 davon träumten, ein wirklich begehrenswertes, vollelektrisches Auto zu bauen. Mit Hilfe von Investoren, darunter einem gewissen Elon Musk, der sich sein Geld etwa mit der Aufschaltung des Zahldienstes Paypal und dessen Verkauf verdient hatte, machte ihre Firma Tesla Motors ab 2004 rasch Fortschritte. 2008 präsentierte Tesla den revolutionären Roadster auf Basis der Elise von Lotus. Zum selben Zeitpunkt waren Eberhard und Tarpenning von Musk als CEO abgelöst worden und sehen sich heute fast vollständig aus der Geschichte von Tesla ausgelöscht. Dafür leistete das Charisma von Elon Musk, seine Bereitschaft alles Bisherige in Frage zu stellen und gross zu denken, einen wesentlichen Beitrag, dass es Tesla geschafft hat, die riesigen Investments für die Etablierung eines vollwertigen Autoherstellers zu stemmen.
Mit Selbstvertrauen und einem äusserst geschickten Umgang mit den Investoren ist es Musk in der Folge gelungen, ein ganzes Modell-Portfolio auf die Beine zu stellen: die Modelle S, 3, X und Y – wer die 3 umdreht kann sich selbst ein Bild machen, wie die Namensgebung von Tesla in etwa zu verstehen ist. Mit dem 2023 in den Verkauf gebrachten Cybertruck wurde der SUV- und Limousinen-Flotte ein Pick-Up-Truck zur Seite gestellt. Der Börsenwert von Tesla erreichte währenddessen am 28. Dezember 2024 die astronomische Summe von 1.35 Billionen Dollar. Dieser stand nun aber per 20. März wieder auf dem Niveau, das das Unternehmen erstmals im Januar 2021 überschritten hatte: bei 758 Milliarden US-Dollar. Dies ist ein gewaltiger Absturz, aber noch immer eine gigantische Summe. Denn dem gegenüber steht ein Jahresumsatz für 2024 von «nur» etwa 7.18 Milliarden Dollar. Tesla ist damit keineswegs ein Gigant im Automobilbereich, eher untere Mittelklasse. Etwa 1.77 Millionen Automobile wurden 2024 ausgeliefert.
Zum Vergleich: Toyota, dessen Börsenwert aktuell mit rund 252 Milliarden Dollar angegeben wird, lieferte letztes Jahr über 10.8 Millionen Autos aus und erzielte einen Umsatz von 232 Milliarden Dollar und einen Gewinn von 24 Milliarden Dollar.
Der Börsenwert von Tesla fusst somit vor allem auf den Erwartungen der Anleger in (sehr) weiter Zukunft. Und die sieht alles andere als rosig aus, diese Tesla-Zukunft. Die Verkäufe brechen ein, auf manchen Märkten bis zu 75 Prozent – etwa in Frankreich. Europa verbuchte im Schnitt ein Minus von 45 Prozent für den Jahresanfang im Vergleich zur selben Periode 2024. Das Modell Y ist beispielsweise auch in der Schweiz von Rang 1 bis Ende Februar auf den 13. Rang abgerutscht. Dass die Eskapaden des Hauptprotagonisten Musk hierin eine wichtige Rolle spielen, steht ausser Frage. Andererseits holt die Konkurrenz auf und bietet bei besserer Qualität und mehr Service mittlerweile ein vielfältigeres Angebot an Fahrzeugen als Tesla – auch ein neueres. Die Modellpflegemassnahmen der Bestseller 3 und Y wurden als sehr oberflächlich wahrgenommen. Und manche E-Autos aus China sind mittlerweile technisch den Amerikanern wie den Europäern ziemlich deutlich überlegen. Dazu gehört beispielsweise der Einsatz von Lidar für die Fahrassistenten, währenddessen Tesla nach wie vor einzig auf ihren Kamera-basierten, sogenannten Autopiloten setzt.
Uncool – Tesla-Besitzer versuchen sich zu distanzieren. Ein Gegensatz zum Aufmacherbild ganz oben: Es war Teslas PR-Höhepunkt, als Musk mit SpaceX seinen persönlichen Tesla-Roadster mit der Puppe «Starman» an Bord ins All schoss.
Zwei mögliche Szenarien
Die Frage bleibt somit: Wiederholt sich die Geschichte? Wird der einstige Pionier durch die Konkurrenz zunehmend an die Wand gedrückt? Dann sehen wir entweder einen Befreiungsschlag oder aber die langsame, stetige Erosion in der Bedeutung von Tesla. Oder aber implodiert das Konstrukt von Elon Musk, weil er aus seinem Sympathieträger ein Reizobjekt wurde, das selbst manchen loyalen, ehemaligen Follower der fast schon religiös zelebrierten Tesla-Jüngerschaft in Rage bringt und sich davon abwenden lässt? Wir werden sehen. Ein Gegenargument für diese Vermutung liegt aktuell nur in der Feststellung von Analysten, dass sich solcherlei noch nie in der Geschichte der Automobilindustrie abgespielt habe. Die Geschichte wiederholt sich hier demzufolge nicht – sie wird neu geschrieben!