Verdammte Motorradfahrer
07.12.2021
Es gibt Sachen, die scheinen sich nicht zu ändern. So schrieb Ferdinand Simoneit im Frühling 1977 im Heft 7/77 von auto motor und sport ein Editorial unter dem Titel “Verdammte Motorradfahrer”. Die Szene, die er beschreibt, kommt einem bekannt vor:
“Wir Autofahrer haben das alle schon dutzendmal erlebt: Da schleicht zur Sommerzeit eine Auto-Kolonne wie eine Schnecke stundenlang dem Stau entgegen, alle Insassen, selbst die Oma, kochen vor Wut – nur ein paar Motorradfahrer schlängeln sich durch die zähflüssige Fahrzeugschlange und kommen ungehindert ans Ziel. Sie haben nichts Böses getan, nur die Beweglichkeit ihres Zweirades ausgenutzt – aber die wartenden Autofahrer haben sie sich allesamt zu erbitterten Feinden gemacht.”
Ähnliches passiert im Stadtverkehr. Nicht alles, was die Motorrad- und Rollerfahrer da tun, ist komplett legal und auch dem Kolonnenschlängeln auf der Autobahn wollen die Strassengesetze nun einen Riegel schieben.
Simoneit kämpfte gegen die schlechte Presse an, die Motorradfahrer damals erhielten:
“Es ist Zeit, für die Motorradfahrer etwas zu tun, vor allem wir Autofahrer sollten etwas tun. Autofahrer verstehen oft nicht, warum vor ihnen ein Motorradfahrer urplötzlich eine ruckartige Bewegung macht – er ist nur einem Kanaldeckel oder einer Pfütze ausgewichen. Autofahrer belächeln, daß Motorradfahrer auch am hellichten Tage mit Abblendlicht fahren und sich bunt wie Papageien kleiden – Motorradfahrer haben Angst vorm Auto und wollen nicht übersehen werden. 91 Prozent aller befragten Motorradfahrer sehen ihre «größte Gefahr» im Auto, das mit ihnen die Straße benutzt – Autofahrer sehen das harmloser: Nur 35 Prozent der Autofahrer haben begriffen, daß sie für den Motorradfahrer die grösste Gefahr darstellen.”
Der Appell an die Autofahrer war, die Motorradfahrer als Partner auf der Strasse zu betrachten. Dies hat noch heute seine Gültigkeit und Ähnliches könnte vielleicht in Zukunft auch über Oldtimerfahrer gesagt werden, die es bezüglich Anzugsdrehmoment kaum mit den Elektrofahrern von morgen aufnehmen können. Auch die Bremsleistungen sind primär von den Fähigkeiten des Fahrers abhängig und im Vergleich zum modernen Auto deutlich geringer. Es heisst also Rücksicht zu nehmen auf die Spezifitäten des alten Autos. Und nicht einfach “verdammte Oldtimerfahrer” zu rufen …