Und die Geschichte wiederholt sich doch!
«Jaguar is no place for ordinary. When you see a new Jaguar for the first time, it must have a sense of awe, of never having been seen before. Type 00 commands attention, like all the best Jaguars of the past. It has a dramatic presence, channelling a unique spirit of British creativity and originality. It celebrates art and embodies the essence of Exuberant Modernism.»
Constantino Segui Gilabert, Chief Exterior Designer Jaguar
„Jaguar ist kein Ort für Gewöhnliches. Wenn man einen neuen Jaguar zum ersten Mal sieht, muss er einen Hauch von Ehrfurcht ausstrahlen, als hätte man ihn noch nie gesehen. Der Typ 00 zieht die Aufmerksamkeit auf sich, wie all die besten Jaguar der Vergangenheit. Er hat eine dramatische Präsenz, die den einzigartigen Geist britischer Kreativität und Originalität widerspiegelt. Er zelebriert die Kunst und verkörpert die Essenz des Exuberant-Modernism“.
Ja, ich auch noch, ich habe auch eine Meinung zur wohl meistdiskutierten Neulancierung einer Marke der letzten Jahre. An Aufregern hat es nicht gemangelt, als uns Jaguar jüngst mit rosa hinterlegten Logos und schrägen 30-Sekunden Filmchen in Aufruhr gebracht hat. Am 2. Dezember schliesslich liessen die Briten die Hüllen von ihrem Concept-Car in Miami fallen, sinnigerweise bei einer Kunstveranstaltung.
Nach einiger Reflektion und dem Versuch, die Geschehnisse zu «verdauen», ist es mir ziemlich deutlich geworden: Die Geschichte wiederholt sich. Dass Jaguar derweil mit dem Slogan «Copy nothing» unterwegs ist, scheint dabei wenig überzeugend, denn alles, was die Marke aktuell abliefert, scheint irgendwo ein Vorbild zu haben.
Da wäre erstmal der Name des neuen Wagens – Jaguar 00 – der mit der Vergangenheit aufräumen will und deutlich machen, dass die (Jaguar-)Zeitrechnung von neuem starten soll: Als es Jaguar-Gründer William Lyons Ende der 1920er-Jahre satt war, nur bei den Zulieferern ausgestellt zu sein statt im Hauptsaal bei der London Motorshow – dies da er kein Mitglied der Society of Motor Manufacturers and Traders war – änderte er 1931 seine Strategie und lieferte künftig seine Autos unter eigenem Namen. Statt wie bisher ein fremdes Chassis mit einer Swallow-Karosserie zu versehen, etwa beim beliebten Austin Seven, wollte Lyons künftig dasselbe, aber ganz anders tun: Mit John Black von der Standard Motor Company vereinbarte er die Lieferung von Chassis und Motoren – im Prinzip keinerlei Änderung zum alten Vorgehen – und setzte darauf Karosserien eigener Konstruktion. Das war – nun – ebenfalls genau dieselbe Art des Autobaus wie sie bei der «Swallow Sidecar and Coachbuilding Company» schon zuvor betrieben wurde. Der Unterschied lag in der Namensgebung des Autos, das Lyons stolz einfach SS 1 nannte. John Black sah in SS die Herleitung von Standard Swallow statt wie bisher Swallow Sidecar. Der Coup gelang, ab 1934 war Lyons Mitglied der 1902 gegründeten Gesellschaft der britischen Automobilbauer und S.S., ebenfalls sei 1934 unter dem Namen S.S. Cars Limited firmierend, konnte fortan seine Autos zusammen mit der Konkurrenz dem Publikum näherbringen.
Und die Parallelen gehen weiter: Der SS 1 Four Light Saloon, im Prinzip ein Coupé, lag Lyons sehr am Herzen, denn er liebte die geschlossenen Zweitürer – mehr als jede andere Form des Automobils. Sein Entwurf zeigte denn ein extrem niedriges, sehr langestrecktes Auto. Die Zeichnung war dermassen extrem (siehe Bild) dass Lyons' damaliger Geschäftspartner William Walmsley die Gelegenheit nutzte, um bei einer Abwesenheit Lyons zu dessen späterem Entsetzen das Dach des Autos höher bauen zu lassen. Dennoch, einer der Hauptgründe, sich einen SS 1 zu kaufen, lag in seiner spektakulären Form und nicht zuletzt auch beim günstigen Preis.
Denn, wie bereits erwähnt, die Technik war recht einfach und nicht sehr aussergewöhnlich. Erst die Entwicklung eines eigenen OHV-Zylinderkopfs für die Standard-Motoren brachte 1935 – mit dem 2.5-Litre – auch hier ein weiteres Argument für den Kauf eines SS, übrigens erstmals mit dem Zusatz «Jaguar» für ebendieses 2.5-Liter Modell.
Nun, Ende 2024 sehen wir wieder ein Auto mit sehr langer Motorhaube und einem Namen, der ganz vorne beginnt, nicht bei 1 sondern gar bei 00. Dass dies in billigen Absteigen früher auch die Aufschrift des Gemeinschaftsklos war, hat man dabei geflissentlich ignoriert. Aber darum geht es auch nicht, im Gegenteil.
Jaguar zeigt uns wieder ein Coupé wenn es gilt, alte Zöpfe abzuschneiden. Lyons hatte dies 1931, bei der Vorstellung des SS 1 genau gleichgetan. Zwar baute seine Firma noch bis in die 1930er-Jahre weiterhin Swallow-Seitenwagen, doch bei den Autos war eine neue Zeit angebrochen. Nun erleben wir wieder einen Bruch mit der Vergangenheit. Allerdings erscheint dieser weit weniger verständlich als in den 1930er-Jahren. Denn anders als damals sind wir mit unserem Fokus ordentlich rückwärtsgerichtet – keine Spur von Zukunftsoptimismus begleitet uns bei solchen Veränderungen. Das Gute liegt in der Vergangenheit, wir selbst zelebrieren es ja auch mit unserer Arbeit, Tag-für-Tag. Ob der Entscheid des Jaguar-Managements richtig war die Vergangenheit abzustreifen, wird sich im Erfolg der neuen Strategie zeigen. Angesichts der völlig missratenen Vorpremiere – einziger Pluspunkt ist vermutlich, dass Jaguar weltweit in der Car-Community wieder im Gespräch ist – darf man hoffen, dass Jaguar nochmals die Kurve kriegt. Denn wenn bei vielen grossen Marken die glorreiche Zeit nur noch hinter ihnen liegt, dann haben wir definitiv etwas verloren.






























