Damals beim Weihnachtseinkauf
Weihnachtszeit, Zeit der Vorfreude! Als kleiner Junge war es stets ein Abenteuer, mit Mama mit auf Einkaufstour in die Stadt zu fahren. Gut erinnere ich mich noch an die Fahrt mit dem Trolleybus, damals waren dies in meiner Heimatstadt Luzern die Gelenkbusse von Büssing aus Deutschland, die Verkehrsbetriebe Luzern waren die einzigen in der Schweiz, die auf diese Marke setzten. Die ÖV waren ansonsten von Saurer, Berna und FBW dominiert. Zu den Randzeiten war die Chance allerdings gross, von einen «Schindler»-Bus mitgenommen zu werden, einem grossen Zweiachser. Das Rattern des Fahrtenschreibers blieb mir bis heute unvergessen, genauso wie der immer wieder unerwartet lospolternde Kompressor für die pneumatische Ausrüstung der Türen und Bremsen des ansonsten eher lautlosen O-Busses. Die Ursache der Geräusche waren mir aber noch nicht bekannt.
Skurrile Fahrzeuge
Spannend war auch der Blick aus dem Fenster, damals war noch eine ganze Reihe skurriler Fahrzeuge auf den Strassen meiner Heimatstadt unterwegs. Ich erinnere mich an die VW T2 mit Plachenaufbau, die so hoch waren, dass ein ordentlicher Kleiderschrank darin aufrecht transportiert werden konnte und ich felsenfest überzeugt war, dass einer ab und zu umfallen müsste. Besonders seltsam schienen mir die Unimogs des Lagerhauses «Gmür», welche dank eines unglaublich komplizierten Mechanismus ihre Ladefläche bis auf die Strasse absenken oder aber bis auf fast eineinhalb Meter hochheben konnten. Heute weiss ich, dass es sich um Ruthmann Hubwagen mit Unimog-Triebkopf handelte. Die Polizei hatte einen grossen Chevy Suburban als Einvernahmefahrzeug bei Unfällen und das Kantonsspital setzte auf Ambulanzwagen auf Opel-Diplomat-Basis. So war das damals in den 1970er-Jahren.
Traumhaftes Warenhaus
Das Ziel, respektive MEIN Ziel, waren aber stets die Spielwarenabteilungen der Warenhäuser oder die zwei-, drei Spielwaren-Fachgeschäfte in der Stadt. Dazu brauchte es jeweils den ganzen Einsatz kindlicher Hartnäckigkeit, denn Mama suchte oft völlig andere Dinge: Hosenknöpfe, Stoffe oder Bastelware für uns zwei Kinder, um die Verwandtschaft mit mehr oder weniger motiviert-Selbstgebasteltem zu Weihnachten zu beglücken. Mama wusste wohl, dass es sonst nur Zeichnungen von Autos für Omas, Opa, meine Paten und allen weiteren Beschenkten geben würde. Also habe ich Kerzenständer geknetet und Fensterbilder geklebt.
In der Stadt angekommen, hatte ich den ersten Erfolg meistens bei Manor, wo ich mich noch ganz genau an die Aufteilung der Gestelle in der Spielwarenabteilung erinnern kann. Es gab drei von wirklichem Interesse: Das eine war auf seiner Vorderseite der Marke Matchbox vorbehalten, auf der Rückseite fand sich dann das Sortiment von Corgi-Toys. Das andere war ein wildes Sammelsurium an Tonka-Blechlastern, japanischen Blechautos und den Perlen in 1/32 von Britains. Wobei mich zumeist nur deren Land-Rover-Derivate interessierten. Besonderes Augenmerk bei Corgi-Toys legte ich dabei immer auf noch vorhandene Modelle mit Gummireifen, mit den Plastikrädern der 1970er-Jahre, den Whizzwheels, konnte ich nicht so viel anfangen. DIE grosse Faszination war einst vor Weihnachten die Entdeckung des Gift-Sets Number 14, das grosse Daktari-Set mit einem Land-Rover, einem Dodge Fargo als Elefanten-Transporter und einem Bedford für die Giraffen. Dazu gab es die Figuren von Dr. Marsh Tracy, Judy the Chimp and Paul mit Clarence dem Löwen. Das muss wohl die ganze Heimfahrt ein Thema gewesen sein – normalerweise verbachte ich die Rückfahrt im überheizten Trolleybus mit beschlagenen Fenstern schlafend. 1975 lag das Daktari-Set unter unserem Weihnachtsbaum.
Klassiker und Exoten
Dinky-Toys gab es damals nur (noch?) im Fachgeschäft Franz Carl Weber am Luzerner Falkenplatz. Im dreistöckigen Laden waren diese sonderbarerweise separat von den übrigen Herstellern im Sous-Sol zu finden, da wo es technisches Spielzeug und Modelleisenbahnen gab.
Und für die Exoten von Solido, Schuco oder gar den spanischen Hersteller Pilen führte kein Weg vorbei an einem Traum von Spielwarenladen, der von 1975 bis 1984 in der Luzerner Weggisgasse existiert hatte: Playland. Das Ladenlokal in einem uralten Gebäude mir knarrender Holztreppe besass links und rechts des zurückversetzten Eingangs je ein langes Schaufenster, links mit Mädchenspielzeug, rechts aber mit all jenem Zeug zum Träumen für Jungen: Elektrische Eheim Trolleybusse – oft in Funktion unter einer Fahrleitung hinter dem unteren Schaufensterrand vorbeiflitzend – Modellbahnen und eben Spielautos von solch faszinierender Exotik, dass sie mir bis heute in bester Erinnerung geblieben sind. Die Spielautos lagerten im ersten Stock, direkt vor der dahinter hochführenden Treppe.
Teure Deutsche aber hochwertige Spanier
Pilen fabrizierte damals für relativ kleines Geld die wohl besten Autos im Massstab 1/43: Akkurat in den Proportionen, stets mit den korrekten Rädern und Gummireifen und einem sehr guten Finish von Guss und Farbauftrag. Fast zum selben Preis wie Pilen aus dem damaligen Billiglohnland Spanien führte Playland auch die Minimodelle von Schuco in 1/66. Neben den in den 1970er-Jahren oft recht grotesk verzerrten Matchbox oder den meist schon mit Plastikboden ausgerüsteten Corgi-Junior-Autos waren diese «Superschnell»- Schuco-Modelle, gebaut von 1969 bis 1976, kleine Wunderwerke: Gut proportioniert, mit öffnenden Türen in erstaunlich guter Passform zu den Ausschnitten und in einer kleinen Klarsicht-Plastikbox verpackt, die etwas hermachte. Aber eben, sie waren vergleichsweise teuer.
Ebenso in einer Plastikgarage, sogar mit reliefartiger Tanksäule, steckten Autos in 1/43, wie sie die Migros, die grösste Supermarktkette der Schweiz in den 1970er-Jahren führte. Woher diese stammten, war mir als Kind lange unklar. Fast alles waren Amerikanerwagen, auf den gedrehten Alufelgen sassen, anders als bei den Konkurrenten, keine Reifen aus Gummi sondern solche aus – relativ hartem – Weichplastik. Heute weiss ich, dass die Migros einst einen Posten von Modellautos aus Israel verkauft hatte. Der Hersteller hiess Gmada-Koor. Überhaupt standen die Chancen gut, bei Supermärkten und an Orten, bei denen man nicht unbedingt Spielzeugautos vermutet hätte, mit Exoten fündig zu werden. Ebenso bei der Migros gab es zeitweilig die italienischen Modelle von Mebetoys, interessanterweise in den 1970er-Jahren nur solche mit Gummirädern, selbst als das zu Mattel gehörende Unternehmen längst auf Plastik-Leichtlaufräder umgestellt hatte. Und bei der EPA gab es die Modelle von Majorette. Im Massstab 1/24 führte Franz Carl Weber die Modelle von Bburago und Polistil – meine damaligen Favoriten in der Grösse aber recht teuer und darum sehr selten in meiner damaligen Spielkiste.
Das Warten überbrücken
Und ja, die Fabrikate von Lone-Star, stets am unteren Budgetrand zu finden und recht einfach in der Machart, fand ich einst beim Tante-Emma-Laden als Mitbringsel auf – einem Stück Schokolade aufgespendet! Die meist sehr hohl wirkenden LKWs oder Traktoren waren allerdings nie auf meiner Wunschliste, wurden aber dennoch freudvoll entgegengenommen, wenn Oma noch beim Einkauf an ihren autoverrückten Enkel gedacht hatte. Und was war da noch? Die unzähligen, meist nur als kurzzeitige Gelegenheiten auftauchenden Hong-Kong-Autos. Manche waren sehr passabel, so jene in Druckguss von Playart. Diese gab es im Billigwarenhaus ABM. Manchmal waren auch die auf Blistern verkauften Auto-Sets ganz spannend: Irgendein Plastikauto zusammen mit einer Zapfsäule oder dergleichen. Als glückliches Kind hatte ich eine Grosstante, die es perfekt verstand, uns die ewig lange Wartezeit vor Weihnachten mit sowas zu überbrücken. Ich mag diese damals als Ramsch angesehenen Exoten bis heute.
Natürlich – ich würde gar behaupten: zum Glück! – habe ich damals nicht mal einen Bruchteil von alledem erhalten, was mir so vor die Nase gekommen ist. Vergessen habe ich diese Objekte der Begierde aber nie, heute bin ich auf der Jagd danach, so wie damals, aber mit dem Unterschied, dass ich nun selbst entscheiden kann, ob ich sie kaufen will oder mich sonstwie ruinieren – mit richtigen Autos beispielsweise. Einige Beispiele meiner aufgrund von Kindheitserinnerungen wiedergefundenen Wunschobjekte habe ich bei Gelegenheit auf meinem Esstisch fotografiert. Dennoch, nur für einen halben Tag nochmal zurück in die Vergangenheit und durch die vorweihnächtlichen Läden Luzerns ziehen zu können – als die Vorfreude auf Weihnachten noch so richtig gross war und die Erwartungen kaum zu überbieten – das wäre ein absoluter Traum!



.jpg)
















