Ist "Ferrari", der Film von Michael Mann, ein Autofilm?
Es fühlt sich fast an wie in einem unbekannten Restaurant. Man bekommt etwas ganz anderes, als man eigentlich unter dem Namen erwartet hätte. Das "Wall Street Journal" lobt den Ferrari-Film von Michael Mann zwar mit dem Slogan: "Ferrari ist der beste Autofilm aller Zeiten”. Das stimmt aus meiner Sicht aber nur schon deshalb nicht, weil die unglaublichen fahrdynamischen Aufnahmen im über 50 Jahre älteren Film "Le Mans" von Steve McQueen einfach weiterhin beeindruckender bleiben als die schnellen Schnitte und das künstliche digitale Tempo der heutigen Zeit. Die seit der Digitalisierung enormen Möglichkeiten, sollten eigentlich noch wesentlich mehr herausholen können. Die Mille Miglia war von Menschenmengen auf ihren gesamten 1600 Kilometern gesäumt, doch im Film fahren die Autos immer in unwirklich engen Abständen durch menschenleere Landschaften, einzig die Ortsdurchfahrten sind belebt.
1957 befand sich der italienische Autohersteller und ehemalige Rennfahrer Enzo Ferrari, dargestellt im Film von Adam Driver, in der grössten Krise der Firmengeschichte. Das Unternehmen, das Enzo Ferrari gemeinsam mit seiner Frau Laura, im Film Penélope Cruz, zehn Jahren früher aus dem Nichts aufgebaut hatten, stand kurz vor der Insolvenz. Um seine Firma zu retten, setzte Enzo Ferrari all seine Kräfte auf ein einziges Rennen, das zu jener Zeit berühmteste Strassenrennen, die Mille Miglia.
Von Enzos 90 Lebensjahren, kommt gerade mal ein Drittel eines einzigen Jahres zur Sprache. Diese drei Monate des sicher schwierigen Jahres 1957 aber werden hervorragend umgesetzt und von den beiden Hauptdarstellern Adam Driver und Penélope Cruz auch sensationell gespielt.
Um seine zweite Frau Lina Lardi (Shailene Woodley) mit dem gemeinsamen unehelichen Sohn Piero nicht aufzuwecken, schiebt Enzo früh morgens seinen Peugeot 403!! zum Abhang, springt dann ins Auto und lässt den Franzosen anspringen. Damit beginnt die Geschichte, mit ihren unerwarteten intimen Szenen, aber auch mit den erwarteten Rennzenen.
Der Tod zeigt von Anfang bis zum Ende seine brutale Präsenz, so besucht Enzo jeden Morgen seelenalleine die Grabstätte seines am 30. Juni 1956 an Muskeldystrophie verstorbenen, nur 24 Jahre alt gewordenen Sohnes Dino. Nach etwas Firmengeschichte beginnt der Motorsport mit dem Tod von Eugenio Castellotti, der bei Testfahrten in Modena am 14. März 1957 beim Versuch mit dem Grand Prix Ferrari 801 Behras Zeit im Maserati 250F zu unterbieten, tödlich verunglückt. Die im Film zentrale Mille Miglia vom 11. und 12. Mai im selben Jahr endet gar katastrophal mit dem Tod des Spaniers Alfonso de Portago und seinem Beifahrer Edmond Nelson, als der Ferrari 335 Sport auf der fünf Kilometer langen Gerade nach Guidizzolo bei vollem Tempo einen Kilometerstein berührt, in einen Telegrafenmasten knallt und nach einem Dreher mit voller Wucht in eine Böschung einschlägt. Leider stehen genau an dieser Stelle ortsansässige Fans mit ihren Kindern. Neun unschuldige Einheimische, darunter fünf Kinder werden dabei mit in den Tod gerissen. Die Unfallstelle wird absolut kompromiss- und tabulos dargestellt, nur vergleichbar mit einem Kriegsfilm. Leider war es die Zeit als der Tod infolge mangelnder Sicherheit jederzeit allgegenwärtig war. Michael Mann will damit Enzos absolut kompromisslosen Willen zum Erfolg darstellen.
Michael Mann, gilt, wie das englische Motor-Sport schreibt, als ein Regisseur, der sich selten vor kontextbezogener Gewalt scheut und auch hier wählt er eine unerschütterliche Herangehensweise und zeigt die schreckliche Brutalität der Tragödie, die sich nur gerade mal 50 Kilometer vor dem Ziel in Brescia ereignet hat. In England erhält der Film dadurch die volle Punktzahl von 15. „Es bleibt dem Geschehen treu, aus Respekt vor der Bedeutung dieses Unfalls“, betont Mann. Seine Quellen waren Polizei- und Ermittlungsakten – und dazu, wie er verrät, ein ganz besonderer Augenzeuge. „Wir besuchten die Unfallstelle in Guidizzolo. Während wir dort waren, kam ein älterer Herr mit Stock auf uns zu. Er fragte, was wir hier machen würden. Als wir es erklärten, sagte er: ‘Ich war dabei. Wir hörten das erste Auto durchfahren. Mein älterer Bruder, der damals neun Jahre alt war, war aus dem Haus gerannt’, erzählte er uns. ‘Ich war drei. Ich rannte hinter ihm her, war aber langsamer und er kam bis an den Straßenrand – wo er getötet wurde. Ich musste den ganzen Unfall mitansehen’, erzählte uns der Mann.”
Diese Schilderung inspirierte Mann zu der Szene mit der Bauernfamilie und den beiden Kindern.
Enzo stachelte seine Fahrer immer wieder zu mehr Risikobereitschaft an. Es genügte ihm nicht mal dann, als vier, plus das GT-Coupé seiner Autos konkurrenzlos in Führung lagen, nein er musste den viertplatzierten Portago auch noch völlig sinnlos zu schnellerer Fahrweise anstacheln, was natürlich einen internen Kampf auslöste.
Denis Jenkinson Journalist und Zeitzeuge: "Bei der Kontrolle in Ravenna erhielt das Ferrari-Team nur eine Benachrichtigung über die ersten drei Podestplätze, so dass sie nicht wussten, dass die einzigen wirklichen Konkurrenten aus dem Hause Maserati bereits ausgeschieden waren. Die Reaktionen auf dieses Monopol war eigentlich nicht nachvollziehbar, einzig von Trips ließ es etwas ruhiger angehen, Collins jedoch konnte nicht damit Leben, dass der Deutsche bei der ersten Kontrolle in Führung lag, also fuhr er schneller und Taruffi kam wie immer erst auf den schnellen Etappen an der Adriaküste so richtig in Schwung. Gendebien hatte keine Ahnung, was hinter ihm vor sich ging und fuhr so schnell, wie es das Auto aushalten konnte. Als sie Pescara erreichten, hatten Collins und Taruffi, von Trips überholt, und erst bevor sie landeinwärts abbogen, stellten sie fest, dass die Maserati-Bedrohung nicht mehr bestand, denn alle Ferraris belegten die ersten fünf Plätze. In Rom blieb die Reihenfolge unverändert und die Ferraris fuhren in der Reihenfolge Collins, Taruffi, Trips und Portago einem sicheren Grosserfolg entgegen, der mit Gendebien an fünfter Stelle und Sieger der GT-Klasse noch unterstrichen werden sollte.”
Enzos Privatleben war aber genauso kompromisslos, wie seine Unternehmensführung. Er wechselte neben einigen Affären, auch immer wieder zwischen zwei Frauen hin und her, so dass seine Ehefrau Laura sogar aus Zorn einmal auf ihn schoss (im Film zu sehen).
Enzos Privatleben nimmt am Ende doch die Hauptrolle des Films ein, zeigt aber einen uns eher unbekannten, überraschend kinderliebenden Mann auf.
Die Veröffentlichung des Films „Ferrari“ ist der Höhepunkt einer längeren Odyssee, die sich für Regisseur und Hollywood-Star Michael Mann über 30 Jahre erstreckt hatte. Mann war bereits in den Fünfzigern, als er und sein Freund, der Regie-Kollege Sydney Pollack, erstmals mit dem Drehbuchautor Troy Kennedy Martin an einer Geschichte zu arbeiten begannen, die auf Brock Yates Biografie „Enzo Ferrari: Der Mann und die Maschine“ basierte. Pollack verstarb 2008, aber Mann, inzwischen 80, konnte erst jetzt endlich die von ihnen gemeinsam definierte Vision umsetzen und seine Perspektive auf Enzo Ferrari auf die grosse Leinwand bringen.
Mit Sicherheit hat der am 22. Mai 1945 geborene uneheliche Sohn Piero Lardi, der schon seit 1965 im Unternehmen seines Vaters arbeitet und seit 1988 Vizepräsident des Hauses Ferrari ist, noch so einige Erinnerungen aus seiner Kindheit miteingebracht.
Making Of
Interessanter Hinweiss von unserem Leser ra****** bezüglich den Fahrzeugen im Film:




























