Der berühmteste Testarossa-Fahrer ist Alain Delon nicht, diese Ehre kommt wohl Sunny Crockett (alias Don Johnson) aus der Fernsehserie “Miami Vice” zu, in welcher ein weisses Modell einem Drogenpolizist als Dienstwagen zur Verfügung steht. Alain Delon ist aber sicher der bessere Schauspieler und passte vielleicht auch besser in den Mittelmotorsportwagen von Ferrari, immerhin hatte er Rennsport-Erfahrung.
Der Schauspieler Alain Delon
Schon in den Fünfzigerjahren spielte Alain Delon seine ersten Rollen in Filmen, richtig bekannt wurde er aber mit Werken wie “Rocco und seine Brüder” oder “Der Leopard”, beide von Luchino Visconti gedreht. Noch mehr zum international bekannten Schauspieler machten ihn dann “Blockbuster” wie “Borsalino” oder “Der Clan der Sizilianer. Delon war in der Lage, sowohl als Charakterdarsteller als auch als Action-Film-Held zu brillieren. Und er war der ultimative Frauenschwarm, es hätte nicht einmal die Beziehung mit Romy Schneider gebraucht, um dies zu dokumentieren.
Alain Delon interessierte sich sehr für Kunst und Geschwindigkeit. Mit seiner Parfum-Linie unterstützte er mehrere 24-Stunden-Le-Mans-Teams, die mit Porsche 935 und Rondeau M379 unterwegs waren. So ist es denn kein Zufall, dass er auch gerne schnelle Autos fuhr. Und diesen Zweck erfüllte der Ferrari Testarossa perfekt.
Der Nachfolger des Ferrari 512 Berlinetta Boxers
1984 wurde in Paris der Nachfolger des erfolgreichen Ferrari 512 Berlinetta Boxers präsentiert. Bereits Ende der Siebzigerjahre hatten die Arbeiten begonnen, denn der neue sollte das Machbare umsetzen.
Konstruktiv war der Ferrari Testarossa, dessen Namen auf einen erfolgreichen Sportwagen der Fünfzigerjahre zurückging, mit welchem er die rot abgesetzten Zylinderköpfe als Erkennungsmerkmal teilte, an den Vorgänger BB - Zwölfzylinder-V180-Grad-Mittelmotor längs eingebaut - angelehnt. Es flossen aber viele Erkenntnisse des Rennsports ein, was unter anderem dazu führte, dass die Wasserkühler von der Front zu den Seitenflanken wanderten und das Aussehen massgeblich prägten.
Der Design-Massstab für die Sportwagenwelt
Sergio Pininfarina zeichnete zusammen mit Chefdesigner Leonardo Fioravanti verantwortlich für die atemberaubende Formgebung, die für Jahre zur Referenz im Sportwagenbau werden sollte. Kein Spoiler sollte nötig sein, um den rund 300 km/h schnellen Sportwagen am Boden und auf der Strasse zu halten, also optimierte man die Aerodynamik im Pininfarina-Windkanal so, dass die geschickt gelenkte Luft dem Fahrzeug zu genügend “Downforce” verhalf. Der Luftwiderstandsbeiwert lagt trotzdem bei guten 0,36.
Ein weiterer Nebeneffekt der technischen Basis waren die breiten Flanken mit den langen Kühlrippen zum Lufteinlass vor den Hinterrädern. 198 cm breit war der Wagen geworden, das waren locker 15 cm mehr als das Breitenmass des Vorgängers und schon beinahe Lastwagen-Dimension. Dies war zwar beim Einparken und engen Navigieren kein Vorteil, formlich sass der neue Ferrari aber besonders satt auf der Strasse - Pininfarina und Fioravanti hatten ganze Arbeit geleistet.
Nur etwas hatten sie scheinbar vergessen - den Aussenspiegel. Als man ein Ersatzteil aus dem Regal montieren wollte, sah der Fahrer darin nur Karosserieblech, aber nicht den nachfolgenden Verkehr. So entschied man sich den Spiel weit oben zu montieren, was dem Sportwagen einen einmaligen Akzent versetzte, der allerdings bereits im Jahr 1986 zugunsten normal tief montierter Spiegel wieder verschwand. Schade!
Ganz neue Dimensionen
Eine Höchstgeschwindigkeit von 292 km/h schaffte der 180’000 Franken teure Testarossa beim Test der Automobil Revue im Jahr 1985. Gerade einmal 5,7 Sekunden nahm er sich für den Sprint von 0 auf 100 km/h. Der Durchschnittsverbrauch des gut 1500 kg schweren Sportwagens lag bei damals vergleichsweise moderaten 16,1 Liter Super pro 100 km.
Die AR-Redakteure lobten das massgeschneiderte Cockpit und die gediegene Innenausstattung, bemängelten aber teilweise nicht optimal angeordnete Bedienungsorgane. Vor Superlativen wurde bei der Beschreibung nicht zurückgeschreckt, mit “Die Faszination, Besitzer eines der technisch wie optisch aufregendsten Spitzensportwagen heutiger Produktion zu sein” wurden die Eindrücke zusammengefasst. Und der Titel lautete schlicht: “Ganz neue Dimensionen”.
Modellpflege und ein langes Leben
Der Testarossa verkaufte sich in der allgemeinen Ferrari-Preishausse Ende der Achtzigerjahre hervorragend, trotzdem wurde die Technik eifrig verbessert. Die K-Jetronic-Einspritzung wich einer KE-Jetronic, ohne leistungsmässig tiefe Spuren zu hinterlassen. Auch der Übergang von Zentralverschlüssen zu normalen Fünfloch-Radbefestigungen geschah weitgehend umbemerkt.
Mehr ans Eingemachte ging es, als 1991 der 512 TR präsentiert wurde. Die Leistung stieg von 390 auf 428 PS, die Front hatte sich zusammen mit den anderen Fahrzeugen der Palette gewandelt und das Fahrverhalten konnte massgeblich verbessert werden. Die Räder wiesen jetzt einen Durchmesser von stattlichen 18 Zoll auf.
Die letzte Stufe wurde 1995 gezündet, nun 512 M genannt. 440 PS, ABS, umgestaltete 18-Zoll-Räder, nicht mehr klappbare Scheinwerfer und weitere Design-Anpassungen prägten den letzten Nachkommen des Testarossa, bis er 1996 vom Ferrari 550 Maranello abgelöst wurde.
Beinahe 10’000 Exemplare der drei Typen waren produziert worden, eine eigentliche Rarität war er damit nicht geworden.
Alain Delons Testarossa
Hier kommt nun Alain Delon ins Spiel. Am 29. April 1987 wurde der Ferrari mit der Chassisnummer 70429 durch den Ferrari-Händler in Meyrin, in der Nähe von Genf, ausgeliefert. Aber 1989 war der Wagen unter Alain Delons persönlicher Adresse in Genf eingelöst. Bis heute legte Delon rund 19’000 km zurück und liess dem Wagen offensichtlich alle nötige Pflege angedeihen und sorgte dafür, dass alle wichtigen Sachen (Service-Buch, Handbuch, Werkzeug, Original-Gepäck) beisammen blieben.
Am 8. Februar 2013 kam der Wagen an der Artcurial-Versteigerung anlässlich der Rétromobile in Paris unter den Hammer, Euro 40’000 bis 80’000 wurden als Schätzpreis für den Testarossa angegeben, der Hammer fiel aber erst bei Euro 136'000, ein stolzer Preis für einen Testarossa. Nun, dies ist definitiv der einzige seiner Art, mit einem Serviceheft, das mit der Unterschrift von Alain Delon unterzeichnet ist. Der Schauspieler soll übrigens noch mitgeteilt haben, dass zwar der Wagen zum Verkauf steht, nicht aber die davor abgebildete Hündin Shalva.

Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 42 / 1984 vom 11.Okt.1984 - Seite 37: Vorstellung Testarossa
- AR-Zeitung Nr. 35 / 1985 vom 22.Aug.1985 - Seite 25: Test Ferrari Testarossa
- Auto Motor und Sport Heft Heft 11/1985, ab Seite 8: Test Ferrari Testarossa
- Motor Klassik Heft 2/2010, ab Seite 10: Ferrari Testarossa und Lamborghini Countach 5000 S
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