Supersportwagen einst und jetzt
06.11.2022
Wer sich vor rund 50 bis 55 Jahren einen Lamborghini Miura, der von vielen als der erste Supersportwagen bezeichnet wurde, kaufte, legte DM 75’600 oder CHF 67’000 auf den Tresen, eine Summe, die etwa dem 15-fachen des Preises eines VW Käfers entsprach. Er besass damit mehr oder weniger den schnellsten Strassensportwagen, den Geld kaufen konnte. Bei einem Maserati Ghibli oder einem Ferrari 365 GTB/4 Daytona, respektive dessen Nachfolger 365 GT/4 BB (Berlinetta Boxer), war dies ähnlich.
Heute haben sich die Verhältnisse deutlich verschoben. Moderne Hypersportwagen kosten meist Millionenbeträge, bei vielleicht EUR 2 Millionen dürften die durchschnittlichen Anschaffungskosten für einen der schnellsten Wagen der Neuzeit liegen. Gleichzeitig wurden auch die Alltagsautos etwas teuer. Ein Äquivalent zum VW Käfer könnte man im modernen VW Polo sehen, der mit Preisen ab etwa EUR 20’000 oder CHF 25’000 in den Preislisten geführt wird. Für den Gegenwert eines Rimac Nevera kann also 100 Polos kaufen.
Während 1967 ein erfolgreicher Besitzer eines mittelständigen Betriebs (KMU) sich einen Miura leisten konnte, bestellen sich heute wohl nur noch Krypto-Millionäre oder Fussballer sowie anderweitig sehr reich gewordene Leuten einen Rimac.
Die Unterschiede zwischen damals und heute gehen aber weiter. Den Lamborghini Miura sind die Käufer damals meist auch wirklich gefahren, auch im Alltag und über längere Strecken. Die modernen Hypercars aber landen meist in Tiefgaragen und den Tempeln der Autosammler, sie werden kaum bewegt und sehen die Strassen daher selten. Der Miura wurde zum Gebrauchtwagen, der mit deutlichen Abschreibern den Besitzer wechselte, die Rimac, McLaren P1, Koenigsegg oder Bugatti der Neuzeit tauchen oft schon nach kurzer Verweildauer beim ersten Besitzer an Auktionen auf und werden mit minimalen Kilometerständen teilweise über dem Neupreise weitervermittelt, um hinterher untätig in der nächsten Sammlergarage ein behütetes Leben zu fristen.
Natürlich bieten die modernen Hypercars beeindruckende Fahrleistungen, aber im Vergleich zu damals schneiden sie schlecht ab. Schliesslich waren Miura, Daytona oder Ghibli rund 2,5 mal so schnell wie der Käfer und auch die Unterschiede beim Beschleunigungsvermögen waren enorm. Müssten Hypercars ähnlich beeindruckend sein, müssten sie wohl alle über 500 km/h schnell sein und in deutlich unter zwei Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen. Der Praxisnutzen, der schon beim Miura und Co diskutabel war, ist bei den modernen Hypercars fast komplett verschwunden, das Urlaubsgepäck passt kaum je in den Kofferraum und das Fahren in Innenstädten ist wegen der mangelnden Übersichtlichkeit und der ausladenden Dimensionen kaum ein Vergnügen. Einen Miura oder Daytona dagegen, den konnte man auch in der Stadt fahren, ich selber durfte dies vor einigen Jahren in Turin sogar selber erleben.
Bleibt die Frage, wie dies alles weitergeht. Ein Miura erreicht heute locker den zehnfachen Wert seines Neupreises, Daytona oder Ghibli vielleicht den fünf- bis siebenfachen Wert. Wir ein Rimac Nevera in 40 oder 50 Jahren für EUR 15 oder 20 Millionen gehandelt werden?