C. D. E.
04.11.2022
Suchen Sie keinen Sinn in der Abkürzung im Titel – es ist keine. Wenn für Sie doch, sind Sie wahrscheinlich Unix-Programmierer. Aber ich greife fehl, zumindest vor.
Der letzte Sonntag im Oktober war nicht nur der längste im Jahr (Zeitumstellung), vor allem war es für die nächsten Monate der sonnigste. Was macht man an so einem Tag? Man geht raus – und besucht zum Beispiel ein Oldtimertreffen. Wenn man zufällig in Berlin wohnt, trifft es sich, dass sich die "Szene" von April bis Oktober jeden letzten Sonntag im Monat am Olympiastadion trifft; zwanglos, ohne große Organisation und kommerzfrei – von der Currywurstbude mal abgesehen. Es mögen zwischen 150 und 200 Young- und Oldtimer dort gewesen sein, ich war beeindruckt. Nicht nur vom überwiegend exzellenten Zustand der gezeigten Fahrzeuge, sondern vom Fahrzeugmix. Einen großen Teil habe ich noch im Straßenbild gesehen, viele als Neuwagen bewundert und an den Vorstellungstagen die Autohäuser meiner Gegend abgeklappert. Ich werde alt…
Was mir richtig ins Herz ging, waren aber weniger die US-Cars, die in Berlin und Umland auf Treffen typischerweise sehr breit vertreten sind, die verschiedenen Mercedes-Benz im Neuwagenzustand oder die Porsche-Armada.
Es waren drei Opel Kadett – womit sich jetzt auch die Überschrift erklärt. Ein Kadett C, ein Kadett D und ein Kadett E. Alle drei Modelle hatte ich einst selbst besessen, wenn auch als schlicht ausgestattete Gebrauchtwagen – im Falle des C Verbrauchtwagen. Meine Erinnerung jedoch mystifiziert den kardinalroten 12N mit seinen 52 PS geradezu: es war mein erstes Auto. Völlig frei von Sonderausstattungen, bis auf die Schwingsitze (Sitzschienen durchgerostet), ungewisser Kilometerstand, das Bakelit-Lenkrad an zwei Stellen gerissen, Scheibenwaschanlage ohne Funktion. Keine Ahnung wie das Fahrzeug zu frischem TÜV gekommen war – aber ich habe da eine Theorie…
Damals auf dem Dorf war das erste eigene Auto nichts weniger als Freiheit. Auch die Freiheit, die im Ferienjob sauer verdiente Kohle auf dem Weg zur Schule zu verbrennen. Egal! Es waren 6000 unfallfreie und spaßvolle Kilometer. 160 ging er im Gefälle. Was da wohl erst auf der Autobahn drin gewesen wäre…
Die drei Wochen mit dem Escort überspringe ich, besonders weil dessen Ende nicht sehr ruhmvoll für mich war. Dann kam der Kadett D. Mit dem habe ich bewiesen, dass der 13N-Motor mit 60 PS klaglos Drehzahlen über 7.000 min-1 verträgt, und dass das Auto auch bis zum Stillstand bremst, wenn keines der vier Räder Bodenkontakt hat. Der Reibungskoeffizient von Dach auf Straße ist ausreichend hoch. Der E war dann über gute 150'000 km mein Business-Gleiter. Außendienstjob mit Kilometergeld – das war mit dem C16NZ-Motor (75 PS) quasi ein zweites Einkommen. Sechs Liter haben ihm fast immer gereicht.
Doch selbst die verklärteste Erinnerung kann nicht überdecken, dass am Olympiastadion Kadetten ganz anderen Kalibers gezeigt wurden. Die drei, die mir besonders auffielen, waren mit größter Detailverliebtheit aufgebaut.
Das C-Coupé in früher GT/E-Ausführung war – mit Käfig und Schnellverschlüssen an den Hauben – präpariert wie ein Rallyewagen für schnelle Asphaltprüfungen. Vielleicht etwas tiefer als damals üblich, steht die originale Erscheinung doch klar im Vordergrund, noch unterstrichen durch die Fuchsfelgen mit Serienbereifung. Ein stimmiger, sehr sauberer Aufbau – und mein persönlicher Favorit des Tages.
Ganz anders liegt der Fall beim roten Kadett D. Innen aufgerüstet mit Käfig, Schalensitzen, Schroth-Gurten – alles stimmig, aber eben auch rot. Außen passt mir das Rot besser, dazu BBS-Räder, Ascona-Spiegel, Einarmwischer, Irmscher-Grill mit Doppelscheinwerfern, Lufteinlass für Ölkühler – alles zeitgenössisch und wie das ganze Auto extrem sauber ausgeführt. Hinter dem Grill die Überraschung: ein 16V mit Doppelvergaser. Den gab es ab Werk nur mit Einspritzung und auch erst im Kadett E. Ein harter Kontrast zum C-Coupé also, der eine ziemlich original, der andere ziemlich extrem.
Es mag an meiner etwas weniger emotionalen Bindung an die Generation E liegen, Stichwort Broterwerb. Der für sich gesehen sehr stimmig (vor allem optisch) getunte Kadett E in schwarz hatte es da etwas schwer, sich zu behaupten.
Letztlich egal. Alle Autos hatten es verdient, präsentiert und beachtet zu werden. Falls Sie schon Ihre persönliche Liste mit den guten Vorsätzen fürs neue Jahr begonnen haben, ergänzen Sie folgenden Punkt: Oldtimertreffen besuchen! Sie begegnen entspannten Menschen, interessanten Autos – und im besten Fall den Emotionen aus Ihrer eigenen automobilen Vergangenheit.