Wer übernachtet noch in einem Motel?
Der Kanton Graubünden feiert bekanntlich 100 Jahre Automobilverkehr auf seinen Strassen. Erst 1925 wurden Motorfahrzeuge auf dem Kantonsgebiet zugelassen.
Vor viele Jahren übernachtete ich im El Rancho Motel im kalifornischen Barstow, damals in der Meinung, dieses stammte aus dem Jahre 1927. Das hätte geheissen, dass hier in den USA bereits eine Infrastruktur zu finden gewesen war, die nur zwei Jahre nach dem Ende des Fahrverbots in der Schweiz entstanden ist.
Nun, ich habe inzwischen nicht nur erfahren müssen, dass dieses Motel erst in den 1940er-Jahren gebaut wurde, sondern auch, dass das seit meinem Besuch sehr heruntergekommene Etablissement in der Zwischenzeit als «Low-Income-Housing» genutzt worden ist und – schlimmer noch! – 2022 ein Opfer der Flammen geworden und für immer zerstört. Damit ist nicht nur ein weiterer Zeitzeuge der historischen Route 66 von Chicago nach LA für immer verschwunden, sondern auch eine meiner wichtigen Erinnerungen an eine epische Reise von West nach Ost durch die USA hat einen erheblichen Schaden erlitten.
Motels faszinieren
Denn ein Hotel, bei dem man mit dem Auto bis quasi vor die Zimmertür fahren kann, dies hat mich schon als Kind fasziniert. Zusätzlich waren manche dieser Häuser bereits in den 1970er-Jahren vielerorts nicht mehr ganz taufrisch. Der Grund war recht einfach und liegt im Ausbau der Schweizer Autobahnnetzes begründet. Durch die kürzeren Fahrzeiten sank der Bedarf an einem Ort für einen Übernachtungsstopp. Was aber viele dieser Motels auch in den 1970er-Jahren noch beibehalten hatten, war dieser unverkennbare Charme der 1950er- und frühen 1960er-Jahre. Das heisst: Nadelfilzteppiche in den Zimmern, Möbel mit farbigen Melaminplatten statt Holzfurnier und dieser unterschwellige, amerikanische Look – sei es beim Empfang oder bei der Gestaltung der Grünflächen rund um die Anlagen. Natürlich machte ich damals vorwiegend mit Motels in den Schweizer Randgebieten Bekanntschaft, Kunststück wenn man in der Zentralschweiz aufgewachsen ist. So hiess die Lösung damals, statt einer mühsamen Fahrt über einen Alpenpass im schummrigen Licht der Bilux-Scheinwerfer – etwa aus dem Wallis oder dem Tessin – sich ein Zimmer zu nehmen in einem dieser meist an den Hauptachsen gelegenen Motels.
Luftaufnahme aus besseren Zeiten vom Hauenstein, das Haus, zuletzt ein Bordell, wurde 2012 geschlossen (© ETH e-pics)
Letzte Spuren
Manche dieser Orte sind heute nur noch Ruinen, wie etwa jenes Haus auf dem Hauenstein, das 2012, zuletzt als Bordell genutzt, geschlossen wurde. Das Motel bei Sihlbrugg wurde kürzlich abgerissen, nachdem es am Schluss noch als günstiger Wohnraum gedient hat. Andere wurden in Wohnungen umgebaut oder sind sonstwie schon längst Geschichte.
Allerdings scheint die Idee keineswegs tot zu sein, in Fehraltorf wurde 2006 ein neues Motel eröffnet. Und auch der Charme der Vergangenheit – uns braucht diesen niemand zu erklären – wird mancherorts gepflegt. Ein gutes Beispiel ist etwa das Hotel Vezia bei Lugano, mit seinen Einzelgaragen direkt bei den Zimmern ein Motel im besten Sinne, selbst wenn es nicht so heisst. Hier hat man den 1950er-Stil zum Konzept erhoben.
Ich aber träume von den alten Neonröhren, den kratzenden Nadelfilzböden, den frühmorgens die Nachtruhe beendenden, vorbei donnernden Lastwagen und einem Glas Heliomalt, der Schokomilch, die es damals vor der Weiterfahrt im Restaurant zu trinken gab.





















