Bannritte und anderes aus dem Mittelalter und der Neuzeit
Ich mag die Blicke immer wieder, besonders jene der Kinder, wenn ich mit einem Schlüssel bewehrt um mein Auto herum laufe, um alle Türen abzuschliessen: Die Vordertüren mit dem Schlüssel, die hinteren per Riegel und der Kofferdeckel mit einem anderen Schlüssel. Dies ist sich die junge Generation nicht mehr gewohnt. Ein Auto, das sich nicht nach einem kurzen Blinken an allen vier Ecken öffnet oder schliesst, das existiert in ihrem Universum nicht mehr.
Nun, ja, es ist wesentlich komfortabler, einfach zu seinem Auto hingehen zu können und direkt vor einer offenen Türe zu stehen. Allerdings haben moderne Schliessystem auch einige Nachteile. Mir selber ist es einmal so ergangen, dass mir ein Teil der Computer- und Fotoausrüstung aus dem Kofferraum eines brandneuen Testwagens gestohlen wurde, einem koreanischen Premiumfabrikat neuster Bauart. Bei einem Besuch in einem Aussendepot des bekannten Autosammlers Corrado Lopresto hatten wir den Wagen direkt vor seinem Hallentor abgestellt und verschlossen, um uns direkt hinter diesem mit einem da abgestellten Auto zu beschäftigen. Die kurze Distanz von rund drei Metern – wohlverstanden mit dem Tor dazwischen – hat nach dem vormaligen Schliessen des Neuwagens bei meinem erneuten Annähern, dank Keyless-Entry, diesen wieder aufgeschlossen. Dies blieb für uns allerdings unbemerkt. Doch den Schelmen, die wohl von gegenüber die Szenerie beobachtet und den grossen, dunklen Genesis G80 als ideales Ziel identifiziert hatten, war das nicht verborgen geblieben und sie haben zugegriffen – ohne Gewaltanwendung und ohne einen Schaden am Auto anzurichten. Wir jedoch bemerkten den Verlust erst beim Umladen in das Auto des Fotografen, das er in Como zurückgelassen hatte.
Tja, Funksignale! Alles, was verschlüsselt wird und durch den Äther fleucht, kann offenbar trotzdem abgefangen und zu kriminellen Zwecken missbraucht werden. Erstmals von solchen Machenschaften hatte ich gehört, als einem Freund in Holland das Auto «geöffnet» worden war. Von Einbrechen kann man in diesem Fall gar nicht sprechen, denn der Wagen ging ordnungsgemäss auf. Der Trick der Diebe hatte darin bestanden, das Signal der – welch ein Paradoxon! – Keyless-Schlüssel zu verstärken, so dass sie bis zu den entsprechenden Autos reichten. Dieses «Spielchen» wurde dadurch erleichtert, dass in dem fraglichen Quartier, wie vielerorts in Holland und anderswo, die Autos direkt vor den entsprechenden Reihenhäusern geparkt stehen und der Schlüssel meist direkt hinter der Türe abgelegt liegt oder in einem an der Garderobe ebendort aufgehängten Kleidungsstück steckt. Alles, was es braucht, ist es eine Signalbrücke zu schaffen, so dass das fragliche Auto mit Keyless-Entry meint, sein Besitzer habe sich ihm genähert und umgekehrt, der Schlüssel meint, er sei in dessen Nähe gebracht worden. Schöne, neue Welt! Allerdings reicht dazu ein einfacher Trick, damit einer der Partner in diesem Spiel aus diesem genommen wird: Wer den Schlüssel weiter weg von der Strasse ablegt oder ihn gar in eine Metallkasette legt und so abschirmt, verhindert ein Abfangen des Schlüsselsignals.
Doch damit nicht genug des Schabernacks mit modernen Schliesssystemen: Wie nun auf dem Schweizer TV und Rundfunkportal der SRF zu lesen ist, braucht sich ein neues Auto gar nicht erst von selbst zu öffnen. Eine Hacker-Software entschlüsselt die Codes, mit denen Auto und Schlüssel miteinander kommunizieren und die nach jedem Schliessvorgang untereinander – salopp formuliert – neu «ausgehandelt» werden. Auto wie Schlüssel wissen aufgrund welches Codes beim nächsten Mal der Wagen seine Türen öffnen soll. Die Hacker aber lassen die Codes mittels eines Programms am betreffenden Auto durchtesten bis sie fündig werden. Der Wagen öffnet seine Türen, auf den Schlüssel hingegen wird er nicht mehr reagieren, denn dieser meint nach wie vor, der vom Hacker bereits verwendete Code sei noch gültig, während das entsprechende Auto bereits einen neuen gewählt hat. Selbst wenn nur der Schokoriegel in der Mittelkonsole fehlen würde, das Auto würde sich nicht mehr automatisch öffnen lassen.
Nun denn, wie immer hat alles neue und noch viel bessere auch eine Kehrseite. Ich aber werde künftig umso lieber eine kleine Runde um mein Auto machen. Bei der Gelegenheit übrigens kann man sich auch vom Zustand der Reifen ein Bild machen, ob noch alles dranhängt und nicht irgendwo gerade eine Flüssigkeit am Auslaufen ist. Und es ist wie mit den traditionellen Bannritten. In der Gegend, wo ich aufgewachsen bin, gibt es sie bis heute: Ein Gebiet, das unter besonderem Schutz stehen soll, wird feierlich umschritten, meist ist es das Gemeindegebiet. Da katholisch, wird dies meist von einer mitgetragenen Heligenfigur, Weihrauch, der den Segen noch etwas weiter wirken lassen soll und ganz viel Folklore begleitet. Nun, bei meinen Autos ist es irgendwie ähnlich: Der Gang drum'rum ist ein ebensolches Ritual und soll sowohl Mensch und Maschine vor Unbill bewahren als auch – falls das doch nichts nützt – zumindest die Türen öffnen!






















