Der Versuch, Lancia zu retten, … der schliesslich misslang
Es war im Frühling 1977, als Ferdinand Simoneit für Auto Motor und Sport ein ausführliches Editorial zum Versuch, den italienische Autohersteller Lancia zu retten, verfasste. Das damals Geschriebene regt heute, da Lancia bereits komplett aufgegeben wurde, besonders zum Nachdenken an:
«Es waren mehr als 70 Jahre vorübergegangen, als sich die Firma das Normale leistete: Lancia lud zum erstenmal seine deutschen Händler zur Besichtigung von Produktion und Produkten ins Werk nach Turin ein. Zwei Tage sahen sie alles, was ihre Verkaufskraft stärken konnte. Werner Perino, als Fiat-Generaldirektor in Heilbronn auch Chef der Fiat-Tochterfirma Lancia, hatte es an der Zeit gefunden, seinen 300 Verkäufern „über den Geist zu berichten, der jetzt bei Lancia wieder herrscht“. Deutschland, so erfuhren sie von den Lancia-Managern, sei für Lancia der Export markt der Zukunft, und für diese Zukunft richte sich die italienische Automobilfirma ein: ein komplettes Modellprogramm, eigener Verkauf und eigener Außendienst in der Bunderepublik. Perino: „7000 bis 8000 Lancia wollen wir in diesem Jahr in Deutschland absetzen.“ Lancia will wieder ins Gespräch der deutschen Autofahrer.
Es ist mehr als sieben Jahre her, da Lancia Schlagzeilen machte, keine guten freilich. Die italienische Regierung teilte im Herbst 1969 mit, sie habe die Leitung des privaten Auto-Riesen Fiat „um einen entscheidenden Eingriff" gebeten: um die Übernahme aller Aktien, Verpflichtungen und Leitung von Lancia. Nach 63 glanzvollen Jahren war Vincenzo Lancia, ein Fiat-Buchhalter, der sich als Autobauer versuchte, am Ende; Lancia wurde eine Fiat-Firma.
Fiat aber wußte damit zunächst nichts anzufangen - alles war zu verfahren. 1970, ein Jahr nach Übernahme von Lancia, verkaufte Fiat ganze 179 Lancia- Wagen in Deutschland; zwei Jahre später waren es immer noch keine 1000. In aller Stille engagierte sich Fiat in Turin, 200 Milliarden Lire (540 Millionen Mark) wurden investiert und neue Modelle entwickelt, die Lancia-like waren. Der Versuch, Lancia zu retten, kam selbst den Riesen Fiat teuer zu stehen. Und nach diesen Aufbaujahren in Turin hielt Perino die Zeit für gekommen, öffentlich die Hoffnung auszusprechen, daß die einstmals renommierte Marke Lancia eine gute Ergänzung des Fiat-Programms darstellen könnte.
Wie könnte die Ergänzung aussehen? Schlicht so: Lancia wird die Nobel-Division von Fiat. Mutter Fiat baut massenhaft Alltagsautos und macht damit das große Geschäft. Die Tochter Lancia bringt für eine begrenzte, hochstehende Kundschaft Exclusives heraus - eine Parallele ist bei uns gegeben: Audi NSU ist die Prunkadresse des VW-Konzerns. Im Fiat-Imperium kann Lancia diese distinguierte Rolle freilich nur spielen, wenn Fiat selbst nicht wieder ehrgeizig wird und keine aufgepeppten Versionen heraus bringt, Coupés oder ähnliches.
Bei Lancia ist der Anfang verheißungsvoll gemacht. Angeboten in Deutschland wird eine gute Modellpalette: Lancia Beta Limousine mit 1600 und 2000 cm3 Hubraum, Lancia Beta HPE, die Lancia Beta Coupés 1600 und 2000 sowie der Lancia Beta Montecarlo, ein Mittelmotorwagen mit Hinterradantrieb, gegen den die Behörden ihre Bedenken zurückgenommen haben.
Im Juni wird ein Großer vorgestellt: die Limousine Lancia Gamma 2500 mit 140 PS zum Preis von 25 900 Mark. Der Gamma, ein Vierzylinder, wird umstritten sein, denn Fachleute meinen, eine sechszylindrige Maschine hätte besser in diese Preisklasse gepaßt. Lancia-Perino: „Eine technische Raffinesse, die jeder Kritik standhält.“
Und im Herbst soll noch das Lancia-Gamma Coupé, produziert bei Pininfarina, kommen - Richtpreis: 35 000 Mark.
Ende des Jahres ist das neue Lancia-Programm komplett. Der Versuch, Lancia zu retten, läßt sich überzeugend an.»
Ja, so sah man dies vor rund 40 Jahren, was seither passiert ist, wissen wir. Zum Lancia Gamma Coupé haben wir übrigens vor einigen Jahren einen Artikel publiziert.




























