Aus dem Leben eines Mechanikergesellen - dampfendes Auto
Über die Frage, ob man in einen kalten Motor heißes Wasser einfüllen darf, wurde schon oft unter Fachleuten gestritten. Namhafte Werke vertreten den Standpunkt, daß es nicht schadet. Es wird aber schon oft unter Fachleuten gestritten.
Es wird aber wohl — im ganzen gesehen — darauf ankommen, wie groß der Temperaturunterschied zwischen den kalten Motorteilen und dem einzufüllenden heißen Wasser ist.
Niemand wir zum Beispiel im Ernst daran denken, in einen Motor bzw. Kühler, der bei 10 Grad Kälte im Freien gestanden hat, kochendes Wasser einzufüllen! Das wären immerhin rund 110° C Unterschied, wenn das kochende Wasser über den oberen Wasserstutzen in den kalten Zylinderkopf fließen würde. (Normalerweise kühlt sich das heiße Wasser auf dem Weg durch den Kühler, über den unteren Wasserstutzen in den Motorunterteil und von dort nach oben in den Zylinderkopf ganz merklich ab und wird dadurch harmlos.)
In unserem Fall ging es umgekehrt zu. Ein Wagen kam in die Werkstatt und kochte bzw. dampfte „aus allen Knopf löchern". Der Kunde gab zu. daß er schon etwa 10 Minuten in diesem Zustand gefahren war; weil er unbedingt in die Werkstatt wollte, hätte er unterwegs nichts gegen diesen immerhin anormalen Zustand getan.
Man stellte also den Motor ab und füllte sogleich Wasser auf. Der Kunde stand da bei und sagte: „Sollte man nicht doch lieber warmes Wasser auffüllen?" „Ach wo, das macht doch gar nichts aus", antwortete der Monteur und goß weiter ziemlich schnell Wasser in den Kühler. Dabei hörte man einen und dann noch einen kleinen Knacks, legte dem aber weiter keine Bedeutung bei.
Es wurden dann noch, die übrigen vom Kunden gewünschten Arbeiten erledigt.
Auch der am Wasserverlust schuldige, aufgeplatzte Kühlerschlauch wurde erneuert. Der Kunde fuhr ab. und der Fall war schnell vergessen.
Aber zwei Tage später meldete sich der Kunde telefonisch wieder und erklärte, daß er den Motor morgens nicht mehr starten könne. Der sofort zu dem Kunden entsandte Monteur stellte fest, daß der Anlasser wohl den Motor durchdrehte, daß aber erst nach langem „Leiern" der Motor auf zwei Zylindern ansprang. Die übrigen zwei zündeten nicht. Beim Herausschrauben der Kerzen floß Wasser aus den Verschraubungen. Also Wasser im Zylinder!
Man schleppte den Wagen in die Werk statt, nahm den Zylinderkopf ab — und fand in zwei Zylindern Risse im Kopf vor. Der Kunde machte natürlich sofort die Werkstatt haftbar. Hatte er es nicht selbst beim Eingießen des kalten Wassers knacken gehört und hatte er nicht selbst davor gewarnt?
Könnten die Kopfrisse aber nicht auch schon vor dem Wasser-Auffüllen durch das Fahren ohne Wasser entstanden sein? Sicher wäre das möglich, aber das konnte man dem Kunden unter diesen Umständen auch mit Engelszungen nicht mehr einreden. Es gab natürlich Krach, Arger, und zuletzt mußte man doch den gerissenen Kopf kostenlos ersetzen, wenn man nicht einen Dauerkunden verlieren wollte. Hätte der Monteur zu Ende gedacht, dann wäre ihm sicher die goldene Regel eingefallen, daß man dem Kunden immer dann rechtgeben soll, wenn dadurch eine Verantwortung weniger auf die Werkstatt fällt.
Hätte der Monteur sofort das einzufüllende Wasser erwärmt, dann wäre alles bestens gewesen und niemanden hätte ein Vorwurf getroffen. Schließlich hätte man das Wasserwärmen genau so als Zeitaufwand verrechnen können wie die übrige Arbeitszeit. Man muß sich einer Sache schon absolut sicher sein, wenn man Behauptungen aufstellt, daß dies oder jenes ungefährlich oder unschädlich sei. Es kann sonst sehr kostspielige Folgen haben.
Dieser Text stammt aus der Ausgabe 2 des Jahrgangs 1958 der Zeitschrift “ Krafthand ”.




















