Elektroautos haben spätestens seit dem Erfolg des Tesla ihre verschämte Nische verlassen und den Weg in den Alltagsverkehr gefunden. Bei Volvo kam 2010 eine Flotte von 300 vollelektrischen C30 in Kundenhand, und 2019 wird erstmals ab Stange ein reines Elektroauto käuflich sein. Doch schon 1976 experimentierten die Schweden mit einem Elektrofloh, der aber nicht über das Prototypenstadium hinaus kam.
Miniauto mit einer Tonne Leergewicht
1976 baute Volvo zwei Versuchsfahrzeuge, die keinen richtigen Namen erhielten.
Sie werden einfach als „Elbilsprototype“ (Elektroauto-Prototyp) bezeichnet. Ein orangerotes Exemplar hatte vier Sitze, ein gelbes deren zwei mit einem grossen Laderaum. Letzteres war wohl nicht ganz zufällig gelb, denn für den Postdienst hätte sich ein elektrischer Lieferwagen wohl bestens geeignet, sind doch die jeweiligen Routen abseh- und damit berechenbar.
Die Reichweite war offensichtlich nicht sehr gross. Sie wird nicht in Kilometern, sondern in Stunden angegeben: man verspricht rund zwei Stunden Betrieb bei einer Reisegeschwindigkeit von 50 km/h. Der kluge Rechner kommt auf eine Reichweite von 100 km. Das ist nicht gerade viel, wenn man bedenkt, dass die Akkus dann wieder die ganze Nacht an die Steckdose müssen. Von heutigen Schnellladestationen träumten damalige Entwickler noch.
Die Höchstgeschwindigkeit wird mit 70 km/h angegeben. Das Gewicht der Batterien wird mit 300 kg beziffert bei einem Leergewicht von ungefähr einer Tonne. Das war damals für ein winziges Auto mit nur 2,28 m Aussenlänge (Smart I: 2,50 m) ganz schön viel. Denkt man sich jetzt noch vier ausgewachsene Personen oder zwei Passagiere plus Ladung dazu, dann dürfte den Akkus noch schneller die Puste ausgegangen sein. Zeitgenössische Pressefotos zeigen zehn autobatterieähnliche Akkus, die von vorne unter das Auto geschoben werden. Unter der darüberliegenden Haube befindet sich die Regelelektrik. Die thyristorgesteuerten E-Motoren sind mit der Hinterachse verbaut.
Schuhschachtel als Idealform
Der Vierplätzer wurde anlässlich der Präsentation von Volvos zukünftiger Elektrostrategie in Göteborg gezeigt. Er war leider abgeschlossen, aber durch die offene Heckklappe waren wenigstens Fotos des Interieurs zu bewerkstelligen.
Es zeigt eine sehr simple Einrichtung mit einer Aluplatte als Mittelkonsole, welche alle Schalter und Anzeigen aufnimmt. Die Aussenform ist inklusive Scheiben extrem plan und repräsentiert die bestmögliche Nutzung des Verkehrsraums. Die Zweckform feierte wenige Jahre später im Fiat Panda fröhliche Urständ, allerdings in wesentlich originellerer Form. Denn diese dürfte dem schwedischen Experimentalauto im Weg gestanden haben. Es wird nicht als ernstzunehmendes Automobil wahrgenommen. Die beiden Prototypen wurden seinerzeit im Göteborger Stadtverkehr ausgiebig getestet, und scheinbar waren die Ergebnisse nicht sehr vielversprechend. Die Fahrleistungen genügten für beschränkte Einsatzzwecke in der Stadt oder als Zulieferauto. Die geringe Reichweite, die begrenzte Zahl der Ladezyklen und die lange Ladedauer der Bleiakkus standen damals jedoch einer Serienproduktion im Weg.
Das Auto ist normalerweise im Volvo-Museum in Göteborg zu Hause. Und es ist leider im Augenblick nicht fahrbar. Die Verantwortlichen witzelten, dass es sich vermutlich um ein Elektrikproblem handeln müsse…
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