In freier Wildbahn erwischt
Es gibt Autos von denen man oft gelesen hat, die Anerkennung verdient haben, weil sie eine Ingenieurs-Meisterleistung darstellen. Oder sie waren bemerkenswert verrückt, irgendwie schlicht völlig anders. Oder sie waren gleich alles zusammen. Der Hotchkiss-Grégoire ist so ein Auto. Zwar sind die wesentlichen Prinzipien des Automobilbaus bei diesem Wagen eingehalten worden. Doch vom Vierzylinder-Boxermotor bis zur aus Aluminium gegossenen Karosseriestruktur oder den Aufhängungen mit überlangen Querlenkern vorne und gezogenen Schwingen hinten, natürlich ebenso aus Aluminium – Jean Albert Grégoire hatte sich 1947 bei alledem entschlossen, einen eigenen Weg zu gehen. Dies tat er, nachdem er beispielsweise für die Familie Panhard einen leichten Kleinwagen, den Dyna X, entwickelt hatte, mit dem diese nach dem Zweiten Welkrieg wieder ins nun in Frankreich völlig anders aussehende Automobilgeschäft einsteigen konnten. Wobei, eigentlich war die Idee ja gewesen, dieses Auto Herrn Pigozzi von Simca anzubieten. Doch das ist hier nicht der Punkt.
Eine Firma, die sich ebenso schwer tat mit den Ereignissen nach 1945 im Hexagon, und die ebenso nicht so richtig ihren neuen Platz im stark regulierten Markt der vierten Republik finden konnte, war Hotchkiss in Paris. Dort landete Grégoire 1949 – nicht zum ersten Mal. Die ganze Geschichte dazu gibt es hier. Kurz – respektive bref, wie die Franzosen sagen –, etwa 250 Wagen des Hotchkiss-Grégoire wurden gebaut, denn er war ein Riesenflop, komplett over-engineered und massiv zu teuer. Er kostete in der Schweiz, ein Wagen mit 2.2-Litern Hubraum und 70 PS, 1950 etwa 25'000 Franken. Ein Alfa Romeo 6C 2500 lag da nicht mehr weit entfernt. Kein Wunder also, dass kaum jemand je solch ein Auto irgendwo gesehen hat, geschweige denn eines, das perfekt fährt.
Mir ist es ebenso gegangen, bis heute: Ein seltsam röhrendes Geräusch machte sich vor der Station du Bel-Air breit, als wir uns am Morgen diese alte Garage an der ehemaligen Nationale 6 in Frankreich, etwa 20 Kilometer von Beaune entfernt angeschaut haben. Der Anlass war das einmal monatlich stattfindende Oldtimertreffen des AOC (Automobiles d'Origine et de Collection, Beaune) rund um diesen magischen Ort. Und siehe da, ein Grégoire fuhr auf den Platz hinter der Werkstatt. «Grau wie das Auto im Katalog» meinte der Besitzer und führte aus, wie er den Wagen in Tunesien gefunden hatte. Dabei präsentierte sich die viertürige Limousine in absolut perfektem Zustand, eine echte Glanzleistung des Restaurators bei einem Auto, für das es quasi nichts gibt und an dessen Komponenten man kaum sehr weit kommt mit dem üblichen Fachwissen. Gewiss, von unserem Besuch in der Station du Bel-Air gibt es noch einiges mehr zu erzählen, aber auf die Fragen nach unserem ersten Eindruck nach einer 700-Kilometer-Reise in 2 Tagen stand dieses Auto wohl an erster Stelle – und sein eigenartg röhrender Auspuffton.






















