Solex-Verbrauchswettfahrt – Was ist daraus geworden?
In der Markt muss es damals, in der Vor-Internetzeit der 1990er-Jahre gewesen sein, als ich von einer Veranstaltung las. Da war die Rede von einer Verbrauchswettfahrt für Vélo-Solex im Saarland. Das war 1995. Das Ziel sei es, mit einem halben Liter Gemisch möglichst viele Runden zu fahren und damit die grösstmögliche Distanz zurückzulegen. Das tönte spannend und es fand sich ein guter Kollege, der sich mit mir und einem geliehenen VW T3 Diesel-Westfalia-Bulli auf den Weg dahin machen wollte. Wie immer bei einer solchen Unternehmung, waren wir denkbar schlecht vorbereitet. Wir hatten im Prinzip keine Ahnung – Saarland? Das muss wohl irgendwo im Norden sein. Wir besassen keine Karte und fanden letztlich den Ort dann trotzdem – Überherrn. Nie zuvor gehört davon.
Allerdings war das eine Anfahrt mit Tücken, denn der ultralahme Bulli schaffte kaum 80 auf der Autobahn. Wie mir später der Besitzer – ein seltsamer Kautz – eingestand, hatte er den Motor zurückgeregelt. Dies aus Angst, dass er sonst den wassergekühlten 1.6-Liter Reihenvierzylinder-Selbstzünder vorzeitig ruinieren würde. Wieso sich in der Schweiz jemand einen 50-PS-Bulli mit fast 2 Tonnen Gewicht zu Leide tat, bleibt mir bis heute ein Rätsel. Unser Stundenmittel betrug knapp 60 km/h auf der umlimitierten, deutschen Autobahn ab Basel.
Mitten in der Nacht sind wir, der Kollege Bela (im Bild oben rechts) und ich angekommen – nachdem wir etwa 100-Mal das Hans Albers Pilotenlied gehört hatten. Da drehte er sich bei ihm immer schneller, der Propeller, bei uns aber dröhnte nach der Fahrt mit offenem Fenster der Schädel. Und viel Schlaf war auch nicht mehr zu erwarten, denn schon früh am Samstagmorgen baute sich rund um unseren Westy das Fahrerlager auf. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer stammten aus der ganzen Region und darüber hinaus, von der Schweiz entlang der Deutsch-Französischen Grenze bis nach Luxemburg und weiter nach Holland und Belgien. Das war dann ab 7 Uhr morgens nicht mehr zu überhören.
Sigrist – Startnummer 34 – mit ausgefeilter Kurventechnik auf klappriger Solex
Den Treibstoff hatte man selbst mitzubringen, die Scrutineers – die dieses Wort vermutlich noch nicht einmal kannten – massen genau einen halben Liter davon ab, füllten diesen in das «Töffli» und versiegelten den Tankdeckel mit einer Dichtmasse, deren Reste auch noch nach dreissig Jahren am Deckel meines Solex zu finden sind. Dann galt es, sich eine grosse Startnummer auf die Brust zu pinnen. Irgendwann um die Mittagszeit ging es los, mitten durch ein Quartier mit Siedlungshäusern. Menschen sassen an der Strecke von maximal einem Kilometer Länge oder eher weniger – in ihren Campingstühlen. Und am Ende der Runde wurde man von den Rundenzählern die auf einem LKW-Anhänger sassen auf einer Strichliste vermerkt. Die Taktik war – zumindest nach meinem Gefühl und entsprechend meiner Logik folgend – recht einfach: Nie vom Gas gehen, kaum bremsen und die Chose immer rollen lassen.
Das Velosolex ist perfekt auf seine Dauergeschwindigleit ausgelegt, alles andere spart weder Benzin noch bringt es einem vorwärts. Beim ersten Mal wurde ich so mit meinem «Suisse–Paris–Suisse» Modell 3300 immerhin 10. von mehr als 50 Teilnehmern. Später dann hatte ich stets Pech und bin ausgefallen (Reibrolle explodiert bei einem Modell 1010 oder Pleuellager festgegangen bei einem 3800 mit Hochlenker).
Beide – das Hochlenker 3800 links und das Solex 1010 – würden später ausfallen, die Vorbereitungen liefen immer auf dem letzten Drücker...
Aber eben, die Vorbereitung war jeweils lausig, das 1010 hatte ich komplett zerlegt in einer Kiste mitgebracht und irgendwie mit Ach-und-Krach rechtzeitig zum Laufen gebracht. Klar, der Spass zählte, das war's. Nach dem Ende der Veranstaltung sind wir meist noch bis Sonntag geblieben, mitten im Quartier auf jenem Platz. Es hatte etwa drei Renn-Austragungen gebraucht, bis wir gemerkt hatten, dass ja direkt neben dem Baum-gesäumten Ort der örtliche Campingplatz zu finden war. Jedes Mal übrigens sind wir mit einem andere Fahrzeug angefahren. Nach dem T3 war es dann Belas T2b mit 2-Liter und Automat, der ging knapp 100, danach hatte ich einen Wohnwagen gemietet und diesen an meine DS 23IE gekoppelt – die teuerste Ausgabe unserer Solex-Experience in Überherrn. Das letzte Mal war ich mit einem Lotus Seven Serie 2 da, worin ich wiederum ein Solex in Einzelteilen transportierte – anstelle des Beifahrersitzes. Geschlafen habe ich dann in einem 1-Mann-Zelt.
Bremsen nachziehen hinter dem Zähl-Anhänger mitten in einer Siedlung in Überherrn, Saarland D
Dann wurde es ruhig, irgendwie ging der Kontakt verloren, oder es wurde keine Verbrauchsfahrt mehr durchgeführt, ich weiss es nicht. Existieren die Solex-Lemminge überhaupt noch, die diesen Anlass jeweils organisiert haben? Nur eine flickr-Account hat noch einige Bilder abgelegt, darunter jenes, das ich von diesem Anlass dort geklaut habe. Wer weiss mehr?




















