Der Sechsundfünfzigjahreswagen
      
    
"Jahreswagenzustand" ist gemeinhin eines dieser leichtfertig in den Mund (oder die Tastatur) genommenen Wörter, wenn es darum geht, den Erhaltungsgrad eines Gebrauchtwagens zu beschreiben. Denn meistens übersteigt die Gesamtlaufleistung die in einem Jahr machbare Distanz um ein Vielfaches. Doch ab und zu tauchen sie auf dem freien Markt auf: jene kaum gefahrenen Zeitkapseln, deren einziger Unterschied zu einem echten Jahreswagen der ist, dass seit der Auslieferung eben nicht nur ein Jahr vergangen ist – sondern mitunter mehr als fünfzig.
Wie bei diesem 1968er Ford Mustang, der vor ziemlich genau 56 Jahren im Ford-Werk San José vom Band gelaufen ist – und bis heute trotzdem noch nicht einmal genug Kilometer für seine erste grosse Inspektion gesammelt hat. Die empfahl Ford nach 15'000 Meilen (24'140 km). Das Zählwerk im Tachometer steht jedoch erst bei 12'016 Meilen (19'337 km) – woraus sich eine Jahresfahrleistung von gerade einmal 214,6 Meilen (345 km) errechnen lässt.
      
    
Anstatt uns zu fragen, warum die Neuwagenkäuferin ihren Mustang in den 34 Jahren ihres Erstbesitzes so wenig gefahren ist, staunen wir doch lieber über den Zustand dieses gar nicht mal so mobilen Automobils. Der ist nämlich beeindruckend und erschreckend zugleich.
Einerseits ist er so nahe am Neuwagen, wie er es nach über einem halben Jahrhundert noch sein kann: Farbkleckse, Kontrollpunkte und Buchstaben-Zahlenkürzel sitzen ausnahmslos noch dort, wo sie ein Fliessbandarbeiter einst lustlos hingeklatscht hat. Andererseits zeigt er gnadenlos die niederen US-Fertigungsstandards jener Jahre, die noch nicht von einem engagierten Hobbyrestaurator wegoptimiert worden sind: nicht entfernter und überlackierter Schweissdraht, Reifenreste als Auspuffhalter und ein Farbgespraddel am linken Schweller, das nicht einmal der übelste Pfuscher als halbwegs akzeptabel abnehmen würde.
      
    
Der hier gezeigte 1968 Ford Mustang in "Lime Gold" wird derzeit auf bringatrailer.com versteigert. Und einen Hänger sollte man wirklich mitbringen, denn mit jedem Kilometer mehr würde das gelbgrüne Coupé ein Stück mehr zu einem gewöhnlichen Gebrauchtwagen. Andererseits würde man wohl nie wieder dem damaligen Gefühl so nahe kommen, beim Ford-Händler 1969 mit einem Jahreswagen vom Hof zu fahren.

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