Dromedar schlägt Jaguar (Jahresrückblick 2022)
29.12.2022
Noch vor wenigen Wochen wäre meine Wahl eindeutig gewesen. Ein schwarzer SS Jaguar 100, ein sonniger Herbstmorgen und eine leere Landstrasse irgendwo im Gürbetal – Was soll das bitte noch übertreffen? Doch dann kam der 13. Dezember, und alles wurde anders. Denn eine Sache mache ich noch lieber, als mit einem englischen Roadster ziellos umher zu fahren: Unfug.
Als also mein Chefredaktor vorschlug, mit einem möglichst offenen Citroën Méhari in den möglichst tiefen Winter zu fahren, war ich in unserer Redaktion derjenige, der am lautesten "Hier!" rief. Ich hätte allerdings auch flüstern können. Denn sonst war niemand im Büro wirklich scharf darauf, sich bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt in einer vierrädrigen Tupperdose einmal wie 70 Kilogramm Eiskonfekt zu fühlen.
Als dann an besagtem Morgen der kleine Nutz-Buggy in sommerlichem "Vert Tibesti" so ganz ohne Dach, Türen und Heizung vor mir stand, begann ich allerdings doch ein wenig an meinem Vorhaben zu zweifeln. Aber ein Rückzieher war jetzt nicht mehr möglich. Denn einerseits hatten die Kollegen von Rent-a-Classic jetzt schon alles vorbereitet – und andererseits wollte ich mich auch nicht sofort als Weichei zu erkennen geben.
Zum Glück fehlte mir der Mut, meinen fehlenden Mut zuzugeben. Denn was auf den letzten Wunsch nach einer Thermo-Unterhose folgte, war der mit Abstand unterhaltsamste Arbeitstag des ganzen Jahres. Die Erkenntnis, die nach mehreren Stunden der automobilen Zweckentfremdung stand: Méharifahren im Winter ist wie schlitteln: durch den kalten Fahrtwind fühlt man sich immer schneller als man ist, und bei besonders starken Lenkversuchen bekommt man eine ordentliche Ladung Pulverschnee ins Gesicht.
Dem Méhari schien der Wechsel von Sand auf Schnee überhaupt nichts auszumachen. Er wühlte sich mit seinen 135er-Reifchen selbst durch 20 Zentimeter tiefen Schnee, konnte nur mit viel Enthusiasmus zum Untersteuern gebracht werden und liess sich dank seines hervorragenden Fahrwerks in einem solchen Tempo über eingeschneite Waldwege scheuchen, dass Timo Mäkinen neidisch geworden wäre.
Fast tut es mir ein wenig leid um den SS 100, der so zuverlässig, so kraftvoll und so spielend leicht zu fahren alle meine Vorurteile über Vorkriegsautos widerlegt hatte. Und dann kommt der Méhari – genauso offen, aber um einiges weniger wohltönend – und sticht ihn mit so etwas banalem wie Humor aus. Immerhin hatte der Jaguar etwas, das der Citroën nicht hatte: Hinterradantrieb. Vielleicht sollte ich nächstes Jahr einmal mit einem SS 100 in den Schnee.