In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (oder sogar noch etwas darüber hinaus) waren Alpenfahrten beliebte Veranstaltungen, um die Qualitäten des immer besser werdenden Automobils zu beweisen und den Fahrern sportliche Herausforderungen zu bieten. Dies waren keine “Kaffeefahrten”, mussten doch teilweise lange Strecken in kurzer Zeit zurückgelegt werden und das Strassennetz wies natürlich vor 60 oder 80 Jahren nicht die Qualität von heute auf.
Als Beispiel soll hier die Reichs- und Alpenfahrt des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs von 1928 herangezogen werden. “An den 6 Fahrttagen sind total 2839 Kilometer zurückzulegen, was einem Mittel von 473 Kilometer pro Tag entspricht”, schrieb damals die Automobil Revue und wies auf die enormen Herausforderungen für die Teilnehmer hin, die fast Tag und Nacht fahren mussten, um die erforderlichen Strecken zurückzulegen.
Die Freuden an den für den Sieg erforderlichen hohen Tempi waren nicht ungeteilt und die Automobil Revue echauffierte sich denn auch auf der Titelseite der Ausgabe 61/1928 “lautstark” über die teilweise rücksichtslose Fahrerei, die weder auf Geschwindigkeitsbegrenzungen, die damals teilweise noch 12 km/h oder sogar 8 km/h betrugen, noch auf die anderen Verkehrsteilnehmer Rücksicht nahm.
Doch auch die Widerstand leistenden lokalen Behörden, Bauern und anderen Betroffenen in der Schweiz machten es den deutschen Schnellfahrern und Alpenbezwinger nicht einfach, wie ein Bericht in der deutschen Motorsportzeitung bewies:
“Es ist vorgekommen, das Fahrzeuge von der Einwohnerschaft mit Steinen beworfen worden sind, man hat im Kanton Glarus mit Gerätschaften des Strassenbaus in der hohlen Gasse bei Küssnacht - frei nach Tell! - Felsbrocken die Böschung abwärts gewälzt, so dass einer Limousine fast das Dach eingeschlagen worden wäre, man hat - ganz besonders in Graubünden - Kuh-, Schwein- und Ziegenherden absichtlich und mit offenkundigem Zweck der Durchfahrtsbehinderung auf die Strassen getrieben, hat dann, als dies MIttel nicht mehr half, weil die Fahrzeuge sich gewaltsam einen Weg bahnten, Krankenfahrstühle mit alten Leuten quer über die Strassen gestellt, um die Teilnehmer zum Halten zu zwingen. Im Kanton Glarus wurden sandgefüllte Karren hinter Strassenkurven quer auf die Strasse gestellt, um Unfälle herbeizuführen, Feuerwehrschläuche quer über die Strassen gespannt usw.. Aber auch die Polizei half, Fahrzeuge wurden angehalten und unter Hinweis auf angebliche Geschwindigkeitsüberschreitungen hohe Geldsummen als ‘Busse’ verlangt, Vorderräder bis zur Zahlung mit Ketten gesperrt, in einem Sonderfall mit vorgehaltener Pistole (!) Zahlung eines hohen Frankenbetrags erpresst.”
Ja, es wurde damals mit harten Bandagen gekämpft, auf beiden Seiten. Und wenn wir uns heute manchmal über fehlende Toleranz und Unverständnis von Motorsport-Gegnern aufregen, zeigt dieses Beispiel, dass die Welt vor vielen Jahren auch nicht immer besser war.