Es wird eine Zeit kommen, in der man sich auch mit einem Auto aus den Neunzigerjahren alt vorkommt
30.03.2022
Wer heute im ganz jungen Oldtimer oder im schon etwas gereiften Youngtimer mit Baujahr 1990 bis 1999 unterwegs ist, dem fehlt eigentlich kaum etwas. Diese Autos fühlen sich modern an, lassen sich problemlos (und fast von jedem) fahren und bereiten meist wenig Sorgen. Sie halten im Verkehr wacker mit und machen auch beim ersten Stau nicht schlapp. Sie lassen sich mit dem Treibstoff befüllen, der an den Tankstellen vorrätig ist und weder ihre Geräuschkulisse noch die Gase, die dem Auspuff entweichen, bringen die Passanten gegen einen auf. Mancher dieser Neunzigerjahrewagen ist vielleicht sogar noch im täglichen Einsatz, sorgt als günstiges Fahrzeug für Mobilität und für Fahrfreude im Alltag. Dies ist vielleicht auch der Grund, warum mancher Enthusiast diese Autos nicht als richtige Oldtimer sieht, selbst wenn sie 30 Jahre alt geworden sind.
Für uns, die wir mit solchen Autos aufgewachsen und gereift sind, sind diese Fahrzeuge komplett normal. Aber wie wird das in 10 oder 20 Jahren sein? Wie werden die Autofahrer, die mit Elektroautos und digital gestütztem Fahren gross geworden sind, die “Klassiker” der Neunzigerjahre sehen? Ihnen wird der Abstands-Tempomat genauso fehlen wie die Anfahrhilfe am Berg, die ein Zurückrollen verhindert. Die Verkehrszeichenerkennung wird genauso vermisst werden wie “augmented reality”, im Rahmen derer nicht auf Anhieb sichtbare Informationen auf die Windschutzscheibe projiziert werden. Und sollten dereinst Verkehrszeichen via Funksignal ins Auto vermittelt werden, oder Tempo- und Abstandsinformationen digital von Fahrzeug zu Fahrzeug weitergegeben werden, dann müssen die Neunzigerjahre-Vehikel ohne diese Mitteilungen auskommen und deren Fahrer ebenso.
Noch kann man sich kaum vorstellen, dass einem dies alles fehlen sollte, aber irgendwann werden solche Komfort- und Sicherheits-Features genauso selbstverständlich, wie es ein automatischer Choke oder vorwählbare Innentemperaturen, je selbst elektrische Fensterheber und von innen verstellbare Aussenspiegel heute sind.
Beobachten Sie einmal, wie junge Mitfahrer reagieren, wenn sie im “richtig alten” Auto mitfahren dürfen. Die sind über Fensterkurbeln genauso erstaunt wie über fehlende Sitzgurte oder über einen nicht rückstellenden Blinkerhebel. Von Benzinhahn, Handgas oder Zündzeitpunktverstellung wollen wir hier gar nicht anfangen zu sprechen.
Wer mit dem Elektroauto das Fahren lernt, wird dereinst sogar das “One-Pedal-Driving” im noch ziemlich jugendlichen ICE (= Internal Combustion Engine = verbrennungsmotorangetrieben)-Auto vermissen …