Erinnerungen an eine Zeit, als nur das Fliegen schöner war …
23.07.2021
Das Oldtimer-Hobby bringt es mit sich, dass man sich mühelos in vergangene Zeiten zurückversetzen kann. Ich erinnere mich noch gut an das Ende der Fünfzigerjahre, als im Ruhrgebiet – einem urbanen Ballungsraum mit 5 Millionen Einwohnern – das "Zechensterben" begann und durch Umstrukturierungen neue Arbeitsplätze geschaffen werden mussten. Wenig später wurde als erste bundesdeutsche Uni nach dem Krieg die Ruhruniversität Bochum gegründet, die 1965 ihren Lehrbetrieb mit 1215 Studierenden aufnahm – zum zweiten Semester wurden bereits 3000 Studierende erwartet. Heute studieren dort 43’000.
In den frühen Siebzigerjahren war auch ich dort eingeschrieben und fuhr damals fast täglich am Opelwerk I vorbei. Die Opelwerke I und II/III waren als Antwort auf die Kohlekrise in Bochum auf altem Zechengelände neu entstanden.
In diesem Vorzeigeobjekt wurde seit 1963 der Kadett A als ernstzunehmender Konkurrent des Käfers produziert. Man war im Ruhrgebiet stolz darauf, nicht nur Universitäten zu haben, sondern auch Autos zu bauen!
In Spitzenzeiten arbeiteten bei Opel in Bochum 20’000 Menschen. In 52 Jahren liefen dort fast 14 Millionen Wagen mit dem berühmten Blitz vom Band. Und genau 103’463 Exemplare davon waren sportliche Zweisitzer auf der Basis des Kadett B, bekannt als Opel GT.
Warum erzähle ich das alles? Nun, den Printmedien war eher beiläufig zu entnehmen, dass seit kurzem in Bochum ein Denkmal für den Opel GT steht. Eigentlich war das überfällig. Immerhin gibt es in Zwickau vor dem Horch-Museum ein Trabi-Denkmal aus Sandstein und warum sollte nicht auch der Automobilproduktion in Bochum ein Denkmal gesetzt werden? An dieser Stelle soll nicht zum wiederholten Male auf die Entstehungsgeschichte des Opel GT oder die Verwandtschaft zur "Coke-Bottle-Corvette" eingegangen werden. Festzuhalten ist aber, dass dieses von 1968 bis 1973 gebaute Auto seinerzeit sensationell gewesen ist und jedenfalls von der als eher konservativ geltenden Firma Opel nicht erwartet worden war. Und der begleitende, einprägsame Slogan: "Opel GT. Nur Fliegen ist schöner ", ist auch heute noch vielen geläufig. Ja, man darf den Opel GT durchaus als Kultauto bezeichnen.
Doch wie kam es nun zu dem Denkmal für den GT? Die beiden Freunde Klaus Altfeld und Konrad Goretzka hatten von einem ehemaligen Fußballkollegen einen Opel GT zwecks grundlegender Restaurierung erworben. Nach dem Sandstrahlen der Karosserie nebst Entfernung etlicher Kilos Spachtelmasse stellten sie jedoch ernüchtert fest, dass ein Neuaufbau des Fahrzeugs wegen des desolaten Blechzustands sinnlos gewesen wäre. Da ein liebloses Entsorgen aber auch nicht infrage kam, entschieden sich die beiden, eine Skulptur zu schaffen. Hierzu holte man die semi-professionelle Künstlerin Annemieke Schade ins Boot und es entstand das Konzept, die Rohkarosserie mit dem markentypischen Blitz zu vereinigen. Doch der Weg von der Idee bis zum Ergebnis war mühsam, gab es doch vieles zu bedenken und zu berechnen. So waren vom Einschlagwinkel des Opel-Blitzes über die Neigung der Karosserie bis zur Statik und das zu verwendende Material einige Hürden zu nehmen – Einzelheiten sind auf der Website des Projekts nachzulesen. Die Korrosion der Karosserie wurde in einer Salzlake künstlich beschleunigt. Nachdem diese abgewaschen worden war, wurde das Blech mit Korrosionsschutzöl konserviert, so dass es nun an Cortenstahl erinnert. Für den Blitz als tragendes Element wurde kontrastierend Edelstahl des heimischen Herstellers Thyssenkrupp verwendet.
Die Skulptur misst 4,2 x 1,7 x 4,4 m, wiegt fast 1000 kg und wurde der Öffentlichkeit anlässlich des 50. Geburtstags des Opel GT präsentiert. Danach begann die Suche nach einem adäquaten Standort. Mit kommunaler Unterstützung wurde dieser letztlich in Bochum-Langendreer gefunden.
Dort steht die Skulptur nun an der Bundesstraße 235 neben einem Baumarkt inmitten eines großen Kreisverkehrs. Sie erinnert an die große Zeit, als im Ruhrgebiet noch aufregende Autos gebaut wurden wie eben der Opel GT und nur das Fliegen schöner war. Und letztlich schließt sich so der Kreis. Denn in unmittelbarer Nähe des Denkmals befindet sich auch ein letztes Überbleibsel vergangener Tage, das Warenverteilzentrum von Opel. Dieses ist nämlich noch in Bochum angesiedelt – tief im Westen, wo einst der Opel GT entstand.
Weitere Einzelheiten können auf der Website zur Skulptur nachgelesen werden.