Zurück in die Zukunft (aus deutscher Sicht)
Unser Hobby bringt es mit sich, dass man sich gern in ein älteres Auto setzt und sich sofort in die Entstehungszeit des jeweiligen Gefährts zurückbeamen kann.
Kürzlich hat der Verfasser dieser Zeilen günstig antiquarisch das 1973 erstmals erschienene Buch mit dem Titel "Der Mann mit dem Vornamen Auto" erstanden und sich sogleich auf die Zeitreise begeben. Sie führte ihn in die frühen Siebzigerjahre. Vielleicht erinnert sich der eine oder die andere auch noch an Auto Becker, den geschützten Begriff "2. Hand" usw.
Wilhelm "Auto" Becker, der Autor des Buches, war seinerzeit eine Institution auf dem Automarkt und das Schicksal seines Unternehmens – inklusive des wenig rühmlichen Endes – wäre es durchaus wert, einmal verfilmt zu werden. Zumindest beim Verfasser dieser Zeilen schwingt beim Lesen des Werks ein auch wenig Nostalgie mit, hat er doch als noch sehr junger Mann sein erstes Auto bei Becker in Düsseldorf gekauft. Eine eigentümliche Mischung war das – ein 1968er Morris Mini mit einem veritablen Ferrari-Endrohr. Wirklich! Dessen Klang fanden nur die Nachbarn nicht so schön, aber ich will nicht abschweifen...
In dem besagten Buch schildert Becker seinen Werdegang vom Bauernsohn im ärmlichen Hunsrück zum erfolgreichen Unternehmer und hat dabei neben praktischen Ratschlägen auch manche Anekdote parat. So etwa die amüsante Geschichte vom "Wendax" ("Karikatur eines Autos"), der nach einem Test auf dem Nürburgring keinerlei Chance mehr hatte, in Beckers Verkaufsprogramm aufgenommen zu werden. Er verschweigt auch Fehlentscheidungen nicht, etwa seine zeitweilige Vertretung der Borgward-Submarke "Goliath", in der er sich wohl versehentlich auch verpflichtet hatte, Dreiradkarren und Melkfahrzeuge zu verkaufen. Was ihm übrigens gelang.
Und sicherlich war Becker auch kein ganz einfacher Geschäftspartner, wenn man seinen Ausführungen zu den Auseinandersetzungen mit Lancia oder Rolls Royce Glauben schenkt.
Der Grund, warum das Werk hier erwähnt wird, ist jedoch noch ein anderer. Es ist schon interessant, wie Becker vor rund 50 Jahren, also zur Zeit der "Ölkrise" mit ihren Sonntagsfahrverboten in der Bundesrepublik Deutschland die automobile Zukunft gesehen hat und was sich davon bewahrheitet hat und was nicht. In zwei (!) Vorworten lässt der Autor keinen Zweifel daran, dass er ein "car guy" ist. Er schreibt: "Das Auto abzuschaffen, wie es mancherorts schon gefordert wird, scheint mir keine Lösung zu sein...Denn...jene, die ihre Kritik bis hin zur Verketzerung des Autos verzerren, neigen dazu, die positiven Aspekte des Autos zu gering zu bewerten."
Mir scheint, die gehen in der Alltagsdiskussion auch heute noch manchmal unter. Zweifellos sind seine Ausführungen zur damaligen Krisenzeit auch heute noch aktuell: "Allein die Verminderung der Temperatur in den Räumen um zwei Grad erspart etwa zehn Prozent des Heizölverbrauchs". Formulierungen wie: "Es regierte..die Angst" oder "Sportwagen und Großlimousinen, für einige Leute der blechgewordene Beelzebub" passen dazu, SUVs gab es damals ja noch nicht.
Im letzten Drittel des Buches macht sich Becker Gedanken zur Mobilität der Zukunft. Ausgehend von seiner These "das Auto... ist mehr als ein Beförderungsmittel. Es erlaubt uns, ein Stück persönlicher Freiheit zu realisieren" folgert er: "die Umwelt muss neu gestaltet, nicht der Mensch zurückentwickelt werden". Für ihn ist "eine Welt ohne Autos eine Traumwelt".
Ausgehend von der berühmten, die Endlichkeit der Rohstoffe betonenden Studie des Club of Rome (Die Grenzen des Wachstums, 1972) macht Becker sich Gedanken zu den in der damaligen Zukunft liegenden alternativen Energien für Motoren (Äthanol, Dampf, LPG, Sonnenenergie, aber auch Turbinenantrieb). Zum (wohl batterieelektrischen) Elektrofahrzeug führt er aus: "Nach dem Stand der Dinge ist das Handicap des Elektrofahrzeugs wesentlich kleiner geworden, aber überwunden ist es noch längst nicht...Im Nahbereich liegt bislang die mögliche Zukunft des Elektromobils, denn jede Diskussion um diese Antriebsart beginnt und endet bei der Reichweite. Speicherkapazität und Nachladegeschwindigkeit prädestinieren E-Autos mithin keineswegs für Fernfahrten. Geht man davon aus, dass ein Drittel des Kraftfahrzeugsbestands ausschließlich im Nahbereich eingesetzt wird, könnte das nach und nach mehr als sechs Millionen Elektrofahrzeuge auf den Straßen der Bundesrepublik Deutschland bedeuten. Wünscht man diese Lösung, dann muss unverzüglich begonnen werden, die notwendige Versorgungs- und Betriebs-Infrastruktur zu schaffen".
Wohl gemerkt, diese Aussagen sind ein halbes Jahrhundert alt. Und Becker wird auch konkreter, was das Auto der Zukunft betrifft und hat in vielem Recht auch gehabt. Beispiel gefällig?"Große Zukunft möchte ich dem Turbolader prognostizieren...Die Verbindung des Turboladers mit dem Dieselmotor verspricht besondere Sparsamkeit".
Dem "Langzeitauto" gibt der Autor hingegen keine Chancen und lag auch damit richtig. Ebenso mit dem Design: "Die Formen späterer Autogenerationen werden rund, die Scheiben gewölbt sein". Becker sieht auch voraus, dass der Luftsack Selbstverständlichkeit werden wird und wünscht sich serienmäßig "einen zweiten Außenspiegel, Nebelschlussleuchte, Rückfahrscheinwerfer, Kopfstützen und eine heizbare Heckscheibe....." Willkommen in der Gegenwart!
P.S. Hier noch die bibliografischen Infos zum Buch:
Wilhelm Becker: der Mann mit dem Vornamen Auto
2. Auflage1979
Econ Verlag, Düsseldorf/Wien
ISBN 3 430 11245 1
(Erstauflage 1973)























