Lieber Toni Piëch
05.03.2019
Unsere Bewunderung ist Ihnen sicher. In der heutigen Zeit eine Sport-/Luxuswagen-Marke zu starten mit dem Ziel, pro Jahr 10’000 Fahrzeuge zu produzieren, ist definitiv ein heroisches Ansinnen. Dies wissen wir als Auto-Historiker besonders gut, denn über die vergangenen 12 Jahrzehnte sahen wir Tausende Automarken sterben , aber nur eine geringe Anzahl überleben.
Und gerade im Sportwagen-Bereich gibt es eine umfangreiche Liste an Unternehmern und Firmen, die Ähnliches in Angriff nahmen wie Sie. Beispiele gefällig? Artega, Asa, Ascari, ATS, Bugatti (EB 110), De Tomaso, Hommell, Iso Rivolta, Monteverdi, Saleen, Serenissima, Spectre, usw. Einige waren erfolgreicher, andere überlebten kaum ein paar Jahre (oder Monate), wenige immerhin Jahrzehnte. Aber sie scheiterten am Ende alle. Und vermutlich ist es auch kein Zufall, dass TVR rund eine Handvoll mal bankrott ging über 50 Jahre.
Natürlich bauen Sie auf einem bekannten und interessanten “Brand” auf, Ingenieurexpertise ist damit schon fast garantiert, auch wenn Sie treuherzig erklären, dass Sie eigentlich kein besonders begabter Konstrukteur sind. Dies muss man heutzutage vielleicht auch gar nicht mehr sein, denn durch geschickte Kombination von Technologien und Komponenten lässt sich sicherlich ein ganz passabler Sportwagen bauen. Dies hat Tesla mit dem Roadster gezeigt und auch andere sind diesem Pfad gefolgt.
Unsere aktuelle Umfrage zeigt allerdings, dass vielen Neuwagenkäufern Tradition wichtig ist. Reicht ein Name, um Tradition zu signalisieren? Müsste man nicht über eine Ahnenreihe an erfolgreichen Autos verfügen, um Traditionalisten zu überzeugen? Und dass Hispano-Suiza mit Ihnen zeitgleich einen neuen Sportwagen präsentieren will in Genf, macht die Sache auch nicht einfacher.
Eine halbe Milliarde werden Sie benötigen, meinten Sie in einem Interview, wenn ich mich recht erinnere, bis ihre Autoflotte (geplant sind neben dem Sportwagen auch eine Limousine und ein SUV) komplett ist. Viel Geld. Da mussten einige der oben genannten verblichenen Sportwagenmarken mit deutlich weniger Mittel auskommen. Aber viele sind nicht an den finanziellen Reserven gescheitert, sondern am Markt. an Energiekrisen, veränderten Käuferbedürfnissen, Qualitätsproblemen, unverständlichen Produktentscheidungen, usw, …
Sie setzen auf Elektromotoren als Antrieb und eine neue Batterietechnologie. Dies entspricht dem Trend der Zeit und ist sicherlich PR-förderlich. Aber ob es die Sportwagenkäufer überzeugt? Und ob Ihre Produkte den heute fast unermesslich hohen Qualitätsansprüchen einer reichen Käuferschaft standhalten können? Die Zeiten, als man Kunden als Testfahrer einsetzen konnte, wie dies Lamborghini oder andere in den Sechzigerjahren teilweise taten, sind sicherlich vorbei. Qualität kostet aber Geld, Langstreckentests in den unterschiedlichsten Klimazonen sind aufwändig und zeitintensiv. Und wie jeder junge Hersteller müssen sie es eilig haben, mit einem Produkt auf den Markt zu kommen. Ein kniffliges Problem, um das ich Sie nicht beneide.
Dass Sie neue Wege gehen wollen, finden wir natürlich super. Wir haben das mit zwischengas.com ja auch getan, als wir beweisen wollten, dass man auch online mehr als nur “Story Telling” und Bildergalerien machen kann, dass auch Internet-Leser faktenbasierte und umfangreiche Berichte schätzen. Sie denken anders als die grossen Hersteller, sehen die Antriebstechnologie nicht als Zentrum ihrer Marke, sondern wollen Emotionen vermitteln. Wir sind gespannt.
Wir werden uns Ihren Piëch Mark Zero in Genf natürlich anschauen, schliesslich freuen wir uns gerade als Eidgenossen darauf, wieder einmal einen (fast) Schweizerischen Sportwagen entstehen zu sehen. Viel Erfolg in Genf!