Alfa Romeo in Brasilien – südamerikanischer Samba aus Norditalien
      
    
Am vorletzten März-Sonntag wurde in der Sammlung Marx in Mezzovico ein vielen Alfisti wenig bekanntes Kapitel aufgeschlagen: Alfa Romeo und Brasilien. Axel Marx und Elisabetta Cozzi servierten über 200 Personen einen Nachmittag lang verschiedenste Vorträge mit viel Interessantem zum Engagement der Mailänder Marke auf dem südamerikanischen Kontinent.
      
    
Vor einigen Wochen haben sich Axel Marx (Sammlung Marx) und Elisabetta Cozzi (Museo Fratelli Cozzi) zusammengeschlossen und „CulturAlfa“ gegründet ( Website ). Der Schriftzug ist ein Entwurf des ehemaligen Alfa-Romeo-Designers Zbignew Maurer. CulturAlfa bezweckt, das reiche Erbe der glorreichen Mailänder Marke in all ihren Facetten zu verbreiten.
Wer hat auf dem Radar, dass Alfa Romeo ab 1950 in Brasilien Lastwagen baute und das Programm 1961 auch auf PW’s ausdehnte? Dabei geht die Initiative eigentlich auf die amerikanischen Streitkräfte zurück, die 1942 einen Stützpunkt in Brasilien errichteten, um näher an Europa zu liegen. In den letzten Kriegsjahren wurden in Duque de Caxias in der Nähe von Rio de Janeiro zuerst Curtis-Wright-Flugzeug-Motoren in Lizenz hergestellt. In den ausgehenden 1940er Jahren wurde auf die (Friedens-) Produktion von Lastwagen umgestellt und mit dem italienischen Hersteller Isotta-Fraschini ein Lizenzvertrag abgeschlossen.
Nach dem Konkurs von Isotta-Fraschini sprang Alfa Romeo ein. Unter dem brasilianischen Label FNM (Fábrica Nacional de Motores) wurden mit Alfa Romeo als Technologiepartner Lastwagen gebaut. Das Frappierende: Die 6-Zylinder-Dieselmotoren waren in Brasilien gegenüber Italien genau spiegelverkehrt…! Die Produktion wurde 1961 auf Initiative von Staatschef Juscelino Kubitschek auf Personenwagen ausgedehnt: Der Staatspräsident wollte zur Einweihung der neuen Hauptstadt Brasilia gleichzeitig auch ein adäquates, modernes Auto aus einheimischer Produktion. Der Mailänder Konzern griff auf die Modellreihe 102 zurück und fortan wurde die Berlina nicht nur in Portello, sondern auch in Brasilien (allerdings unter dem Label FNM) gebaut.
      
    
Mitte der 60er Jahre wagten die Brasilianer ein Design-Experiment: In starker Anlehnung an den Ford Mustang entstanden einige wenige Prototypen des Sportcoupés „Onça“ – den Weg in die Serienproduktion fand die Studie aber nicht.
      
    
Dafür verschwand 1968 der Schriftzug FNM im Rahmen der Firmenübernahme durch Alfa Romeo gänzlich. Die Motoren der Berlina wurden zuerst noch auf 2150ccm und dann auf 2300ccm aufgebohrt, bevor das deutlich in die Jahre gekommene Modell 1974 durch den „2300“ ersetzt wurde. Der „Neue“ hatte zumindest optisch starke Ähnlichkeiten mit der Alfetta.
      
    
Unter dem Blech blieb aber vieles beim Alten: Eigentlich handelt es sich um die Bodengruppe der 102-Baureihe, die im Vergleich zur Alfetta einen 21cm längeren Radstand und eine um 41cm längere Karosserie aufwies. Auf die aufwendige Transaxle-Konstruktion der Alfetta wurde gänzlich verzichtet.
Rio Grande in Deutschland
    
Eine spezielle Geschichte zeichnete sich 1981 ab. Der deutsche Alfa-Romeo-Importeur war überzeugt, den Alfa Romeo „2300 Rio“ zu einem günstigen Preis um DM 10‘000.-- in Deutschland rund 600 Mal an den Mann (oder die Frau) bringen zu können. In Bremerhaven legte ein Schiff, beladen mit 1300 Stück dieses Alfa Romeo-Modells, an. An was in Deutschland niemand gedacht hatte, war der Umstand, dass im Lande von BMW oder Audi für einen Alfa Romeo mit Starrachse, etwas mehr Bodenfreiheit (das waren noch Zeiten, sic!), einem 100-Liter-Benzintank und einem altmodischen Reihenvierzylinder-Motor mit einem Guss-Block kein Markt vorhanden war…
Der Importeur lud zwar umsatzstarke Händler zu einem feudalen Bankett mit viel Alkoholika ein, aber mehr als einige Dutzend Autos brachte er nicht los. Monatelang standen die Rio-Modelle beim Importeur in Frankfurt und im Hafengelände von Bremerhaven auf Halde. Nicht mal der Selbstkostenpreis von DM 10‘000 vermochte Käufer anzulocken… Und ausserdem gewährte der Importeur plötzlich nicht mal mehr eine Garantie auf die Rio-Modelle.
      
    
Bis 1986 wurde der Alfa Romeo 2300 Rio in Brasilien produziert. Nach der Übernahme von Alfa Romeo durch Fiat wurde die Marke FNM in die Fiat-Gruppe integriert, die Lastwagen firmieren seit 1988 unter Iveco.
      
    






















