Es war einmal ... die Kühlerfigur
Nun, da auch der letzte Überlebende dieses alt-ehrwürdigen Kraftfahrzeugschmucks mit wenig Aussicht auf Genesung im Sterben liegt, ist es Zeit für einen verfrühten Nachruf. Denn der ebenso erhobene wie erhabene Mercedesstern auf der Motorhaube ist selbst bei der E-Klasse nur noch auf ausdrücklichen Wunsch zu haben. Wer diesen Wunsch nicht äussert, bekommt einen Plexiglas-kaschierten Stern nach SL-Manier mittig im Kühlergrill.
Kurz nachdem sich das Automobil von seiner kutschenhaften Zweckform entfernt hatte und Karosserien bewusst gestaltet wurden, gehörten sie zu den ersten Zierteilen – entweder ab Werk als Erkennungszeichen montiert oder als Accessoire individualisiert: traditionelle Galionsfiguren weiblicher Form, Vögel, Pferde, Raubkatzen und sogar Elefanten. Am Anfang noch recht naturalistisch, wurden sie im Laufe der Jahre und Modeströmungen immer weiter stilisiert. Auch von ihrem Standort auf dem Kühler haben sie sich immer weiter entfernt, bis sie mehr ihrem US-amerikanischen Namen gerecht wurden: "Hood ornament" – "Motorhaubenschmuck"
Doch so schick sie auch waren, so waren sie als komplex geformte Gussmetallteile auch ebenso scharfkantig wie unnachgiebig, sodass häufig schon bei einem ansonsten harmlosen Motorhaubenstupser ein verchromter Düsenjäger dem getroffenen Passanten den Schädel spaltete. Anstatt einer Helmpflicht für Fussgänger entschied sich die Schweiz deshalb dafür, ab dem 1. Juni 1957 sämtliche scharfkantige Ornamentik von Motorfahrzeugen zu verbieten.
Die Bundesrepublik Deutschland zog im April 1959 nach – allerdings mit dem Schlupfloch der Unnachgiebigkeit, weshalb der fortan an einem Gelenk montierte gute Stern auf allen Strassen weiterhin auch auf allen Motorhauben thronen durfte. Wie lange er es angesichts von Luftwiderstand und Reichweitenoptimierung noch tun darf (und sei es nur auf ausdrücklichen Wunsch), steht aber buchstäblich in den Sternen.
P.S. Für Kühlerfiguren-Fans haben wir eigens eine Bildersammlung zu diesem Thema eingerichtet.