Auf Nebenstrassen durch die Automobilgeschichte (6): Wann muss man hupen?
Es ist doch so: Die schönsten, interessantesten und manchmal auch schrägsten Entdeckungen macht man immer auf Nebenstrassen. Das gilt auch für die Nebenstrassen der Automobil-Geschichte.
In einem französischen Zeitungsbericht war im Jahr 1912 Folgendes zu lesen:
Ich erinnere mich noch an die nicht allzu weit zurückliegende Zeit, als unsere ersten Automobile noch keine Signalvorrichtung hatten. Sie hätte auch nichts gebracht, angesichts der tausend Geräusche, welche die Maschine verursachte. Der höllische Lärm und die langsame Fahrt brauchten keine Hupe. Aber sehr schnell, mit den Pneus und den ruhigeren Motoren änderte sich das, und man musste die zahlreichen andern Verkehrsteilnehmer warnen können. Warum setzte sich die Hupe durch und nicht die Pfeife wie bei den Lokomotiven oder die Sirene wie bei den Fähren? Wahrscheinlich spielte hier das Fahrrad eine Rolle als Vorläufer.
Die Einfachheit der Hupe sprach für sie: Robuste und rudimentäre Bauweise, einfach zu montieren, kleiner Platzbedarf verhalfen schnell zu einer grossen Verbreitung.
Man muss an Kreuzungen, in Kurven und beim Überholen hupen. Auf einsamen geraden Strecken hingegen ist es überflüssig, weil man sicher sein kann, dass der Chauffeur eines entgegenkommenden Fahrzeugs die Fahrbahn im Blick hat. Beim Kreuzen eines Pferdefuhrwerks muss man hupen: Die Kutscher sind oft zerstreut und es ist schwierig zu wissen, ob die Pferde geführt sind oder nicht. Wie mancher liest die Zeitung und hat die Zügel an der Peitsche oder sonstwo aufgehängt!
Hupen muss man bei Ortsdurchfahrten, so wie ein Zug bei der Bahnhofsdurchfahrt pfeift. Jederzeit kann ein Bewohner, ein Kind oder ein Tier auf die Fahrbahn treten. Hupen muss man beim Überholen eines Fussgängers oder Velofahrers, selbst dann, wenn sie sich rechts halten. Sie könnten unvermittelt die Strasse überqueren. Hupen muss man, wenn man ein Tram überholt oder ein Auto, das angehalten hat, um jemanden ein- oder aussteigen zu lassen.
Hupen muss man auch bei der Begegnung mit einer Herde, um den Hirten aufmerksam zu machen. Ich hupe auch bei einigen Hühnern oder einem Hund und vermeide so manchen unnötigen Mord. Die Tiere reagieren heute gut auf die Hupe. Diese Lebewesen sind ein Hindernis im rechtlichen Sinn, und nur in Ausnahmefällen darf das Hupen unterlassen werden, etwa, wenn man auf einer schlechten Strasse beide Hände am Steuer lassen muss.
Man kann in einem solchen Fall nicht verlangen, dass der Fahrer seine eigene Sicherheit und sein kostspieliges Fahrzeug gefährdet, nur um ein Huhn zu warnen.
Leider hat die Hupe einen grossen Nachteil: Sie ist zu wenig laut. Tiefe Töne dringen weniger durch als hohe. Angesichts der steigenden Geschwindigkeiten versucht man, die Hupen zu verstärken. Es entstand die Sirene. Aber sie wirkt auf Tiere und Passanten erschreckend, und ihr Missbrauch hat dazu geführt, dass sie in manchen Gemeinden verboten wurde. Zwar verbietet sie kein nationales Gesetz, aber im Code de la Route, Artikel 15 des Dekrets vom 10. März 1899, ist die Hupe vorgeschrieben.



























