Automobile Geschichten vom Wiener Zentralfriedhof
14.09.2023
Bei den gar nicht so seltenen Besuchen der österreichischen Hauptstadt gehört auch ein Besuch des Zentralfriedhofs zum Pflichtprogramm des Autors. Auf dem zweitgrößten Friedhof Europas gibt es immer viel zu entdecken, das gilt nicht zuletzt für die Gräber berühmter Verstorbener. So zieht es denn auch viele Touristen zu den Ruhestätten Prominenter wie van Beethoven, Curd Jürgens, Helmut Qualtinger oder Falco.
Doch auch der automobilgeschichtlich interessierte Besucher kann hier fündig werden. Nehmen wir zwei Beispiele, die nicht nur die Automobilhistorie gemeinsam haben, sondern auch sonst einige Parallelen aufweisen.
Besuchen wir zunächst die private Grabstätte der Familien Jellinek bzw. Jellinek-Mercedes, wobei der letzte Name bereits stutzig macht. Der Rabbiner Adolph Jellinek hatte fünf Kinder, darunter den Sohn Emil (1853 bis 1917). Dieser war im diplomatischen Dienst tätig und später als Kaufmann recht erfolgreich. Emil Jellinek interessierte sich für Automobile schon in deren Anfangszeit, besonders für die Marke Daimler. Deren Wagen veräußerte er aufgrund seiner gesellschaftlichen Kontakte dann ab 1898 auch professionell an einen wohlhabenden Käuferkreis. Ferner fuhr er unter Verwendung des Namens seiner Tochter Mercédès (1889 bis 1929) erfolgreich Rennen.
Ab 1902 hießen die Autos von Daimler "Mercedes", Jellinek selbst ließ seinen Familiennamen auf "Jellinek-Mercedes" abändern. Somit war der Vorname der Tochter zu einer Automarke geworden. Mercédès Jellinek besaß selbst übrigens nie ein Auto. Sie war zweimal verheiratet und starb im Alter von 39 Jahren. Das auf dem Grabstein enthaltene Geburtsdatum ist übrigens falsch: Sie wurde nicht 1899, sondern bereits 1889 geboren.
Wer all dies noch vertiefen möchte, dem sei eine lesenswerte Website dazu empfohlen.
Unser zweiter Besuch führt uns zu einem Ehrengrab und zeitlich sogar noch etwas weiter zurück, nämlich in die Zeit der Erfindung des Automobils. Es geht um den Erfinder Siegfried Marcus (1831 bis 1898) und auch hier ist der Grabstein fehlerhaft, denn der Name ist dort falsch ("Markus") geschrieben. Marcus war der Sohn eines jüdischen Kaufmanns und stammte aus dem mecklenburgischen Städtchen Malchin, welches auch ein kleines "Marcus-Museum" besitzt. Nach einer Mechanikerlehre übersiedelte er schon in jungen Jahren nach Wien, wo er bis zu seinem Tode lebte und arbeitete. Er beschäftigte u. a. sich mit Zündungen und Vergasern und hatte zahlreiche Erfindungen zum Patent angemeldet. Das Automobil allerdings nicht.
An dieser Stelle wollen wir uns auch nicht abschließend der Frage "Wer hat´s erfunden?" widmen. Tatsache ist, dass es zwei so genannte "Marcuswagen" gab, der erste war ein Holzkarren mit einem benzinbetriebenem Motor darauf und entstand um 1870. Der zweite, mit einem Lenkrad und Sitzen versehene Wagen wurde 1888/89 gebaut. Durch dessen fehlerhafte Vordatierung wurde Marcus eine Zeit lang als Erfinder des Automobils angesehen. Unbestritten ist jedenfalls, dass Siegfried Marcus ein bedeutender Pionier des Automobilbaus war.
Derartige Grabbesuche müssen in Wien übrigens nicht auf den Zentralfriedhof beschränkt bleiben. So ist das Grab von Carlo Abarth (1908 bis 1979) etwa auf dem Friedhof in Grinzing zu finden...