Schonen und aufbewahren oder fahren?
26.01.2023
Millionen von Automobilen wurden seit 1886 gebaut, nur wenige davon haben überlebt. Die einen sind heute in Sammlungen oder Museen untergebracht, andere werden noch fast täglich genutzt. Und viele liegen dazwischen. Eigentlich ist ein Automobil ja ein Fahr- und kein Stehzeug, aber es gibt eben auch Beweggründe, die dazu führen können, dass man einen Wagen besser stehen und ruhen lässt, anstelle ihn zu fahren.
Dieses Thema haben am 24. Januar 2023 Daniel Geissmann (Bereichsleiter Ausstellung & Sammlung / Kurator Strassenverkehr im Schweizerischen Verkehrshaus Luzern) und Thomas Meister (Initiator Autohalle Andelfingen und Autosammler) in der Autohalle in Andelfingen miteinander diskutiert.
Es wurde schnell klar, dass Fahren zwar oft erstrebenswert ist, aber manchmal einfach keine Option. Das Verkehrshaus Luzern verfügt über mehr als 160 Automobil in der Sammlung, etwa ein Viertel davon ist fahrbereit. Alle fahrbereit zu halten, würde hohe Kosten auslösen, die mit dem Museumsbetrieb nicht gedeckt werden könnten. Zudem fehlt bei manchem historischen Automobil auch schlicht das Knowhow, um es wieder zum Fahren zu bringen. Zum Fahren bringen kann auch bedeuten, dass die Originalität des Autos angetastet werden müsste.
Wer einen alten Wagen fahren will, muss sich dieser Frage unausweichlich stellen. Denn konsequenterweise müssen beim Gebrauch immer wieder Teile ersetzt werden. Alte Reifen müssen neuen Reifen weichen, oftmals sind diese nicht einmal optisch mit den originalen Reifen vergleichbar. Technikbausteine müssen ersetzt werden, manchmal wird auf modernere Komponenten zurückgegriffen. Und aus Zulassungsgründen muss vielleicht sogar eine Lackierung oder ein Interieur ersetzt werden. Original im engsten Sinne ist ein Automobil halt nur einmal, nämlich dann, wenn es die Fabrik verlässt. Sobald es wiederholt benutzt wird, muss das Fahrzeug gewartet werden, Teile/Komponenten werden ausgetauscht oder auch abgenutzt. Im guten Falle sind die Ersatzteile funktionell und optisch identisch mit den ursprünglich verwendeten. Wie älter das Auto ist, umso eher müssen aber Kompromisse gemacht werden. Als passionierter Oldtimerfahrer ist Thomas Meister bereit, diese Kompromisse einzugehen.
Wer nun aber ein wirklich originales Automobil studieren möchte, der muss oft auf “Stehzeuge” zurückgreifen, die schon lange nicht mehr oder gar nie benutzt wurden. Dies geht nur im Museum (oder in der Sammlung) und begrenzt sich meist auf die reine Sichtprüfung, hören oder riechen wird dann wegfallen.
“Originalität” ist aber nur ein Faktor neben den bereits genannten Kostenargumenten, der in diesem Kontext betrachtet werden muss. Es gibt auch noch das Thema “Risiko”. Sobald man ein Automobil in den Verkehr setzt, bestehen auch Unfall- und Diebstahlrisiken. Auch fahrerverursachte Risiken sind zu beachten, ein Auto kann bei falscher Behandlung abbrennen, ein Getriebe kann bei Fehlmanipulationen seinen Geist aufgeben. Vieles oder fast alles kann man reparieren, manches aber auch nicht. Diesen Risiken will man vielleicht besonders seltene oder einmalige Fahrzeuge nicht aussetzen.
Die meisten von uns sind Fahrer-Naturen. Wir besitzen unsere Autos, damit wir sie bewegen können, damit sie der Idee des “rollenden Kulturguts” entsprechen. Wir sind bereit, dafür Kompromisse einzugehen, versuchen diese aber klein zu halten. Es ist aber auch toll, dass es Institutionen gibt, die historische Automobile einfach aufbewahren und für die Nachwelt erhalten, genauso wie sie waren, als man sie aus dem Verkehr nahm.