Pferde wären schlimmer
12.12.2018
“Es wird seit längerem völlig zu Unrecht auf das Automobil geschimpft und ihm Übles nachgeredet. Man macht es für Verpestung der Luft, Verstopfung der Straßen, Verschlechterung der Volksgesundheit, Anhebung des allgemeinen Lärmpegels und gar für die Tötung von Mensch und Tier verantwortlich. Um nur einen Teil der Anklagepunkte zu zitieren. In Wahrheit ist es doch so, daß sich ohne die Erfindung und das nunmehrige ausgiebige Vorhandensein des Automobils die Dinge zwar anders, aber doch ebenfalls und weit schlimmer zugespitzt haben würden.
Der Mensch wäre zu seiner persönlichen individuellen Fortbewegung auf das Pferd angewiesen geblieben. Und es vermag sich wahrscheinlich niemand so recht auszumalen, wohin das geführt hätte.
Schon vor Jahrzehnten las man in den Zeitungen, daß arglose Spaziergänger durch mit überhöhter Geschwindigkeit gefahrene Pferdefuhrwerke irritiert, verletzt und gar getötet wurden. Um einen typischen Fall aus dem Jahre 1900, also genau sieben Jahrzehnte zurückliegend, aufzuzeigen, zitiere ich eine damalige Pressemeldung:
« … wurde der Bäckermeister Fritz Löhmann aus Linden wegen fahrlässiger Tödtung verurtheilt, weil er seinem Sprößling den Schlüssel zum Pferdestall ausgehändigt hatte. Der schwächliche neunjährige Knabe überfuhr mit Pferd und Wagen den Invaliden Stoppel, der daraufhin verstarb.»
Und das bei einer äußerst mäßigen Verkehrsdichte, bei der es dem Invaliden Stoppel hätte möglich sein müssen, dem heranpreschenden Gefährt auszuweichen, beziehungsweise auf dieses infolge der deutlich vernehmbaren Lärmentwicklung rechtzeitig aufmerksam zu werden.
Und da bietet sich die Untersuchung der Frage, wie sich der Lärm wohl entwickelt haben würde, wenn alle, die heute ein Automobil fahren, im Pferdewagen daherkämen, ganz gleich, ob Lastfuhrwerk, Kutsche, Cab, Droschke, ob Ein-, Zwei- oder Mehrspänner – und wenn alle, die heute auf einem Zweirad vom Moped über den Roller bis zur Harley dahinrollen, auf einem Pferd dahergesprengt kämen, da bietet sich die Untersuchung der Frage förmlich an. …”
Dass dieser Text nicht ganz neu sein kann, spürt man schon an der Sprache. Tatsächlich schrieb ihn Fritz B. Busch bereits vor fast bald 50 Jahren im Sommer 1970. Sein Vergleich des Automobils mit dem Pferd führt insgesamt über vier Seiten und lässt einen immer wieder schmunzeln. Dabei konnte Busch 1970 kaum voraussehen, wie die Welt 50 Jahre später aussehen würde. Allerdings, auf die Idee sich das Pferd als Generaltransportmittel zurückzusehnen, käme heute wohl kaum mehr jemand.
Die ganze vierseitige Kolumne aus Auto Motor und Sport 17/1970 kann man natürlich in unserem Zeitschriftenarchiv nachlesen.
Und beim Suchen nach passenden Bildern zum Thema in unserem Fotoarchiv ist uns noch aufgefallen, wieviele Autohersteller, von Mercedes-Benz, über Citroën, bis Facel Vega, Alfa Romeo, Porsche oder Ford, ihre Fahrzeuge mit Pferden fotografieren liessen …