Üble Machenschaften und kritische Kunden
Eben erst wurde auf SWR die Geschichte um den Fall Kienle tiefergehend behandelt. Wir haben in früheren Beiträgen schon darüber berichtet. Noch ist niemand verurteilt, die Indizien jedoch versprechen kaum noch eine unerwartete Wendung in dem Fall. Im Gegenteil, die Vorwürfe sind noch happiger als zunächst vermutet. Nicht nur Autos sollen gefälscht worden sein, zum Falle des phantasiegelben Roadsters, der sich der Chassisnummer des Genfer Salon-300SL von 1961 bedient hat, aber in Tat und Wahrheit auf einem 1983 gestohlenen weissen Fahrzeug aufbaut, sind weitere Anschuldigungen hinzu gekommen. Einer davon lautet, dass in der Fima Kienle aus Kundenfahrzeugen von Nichtsahnenden teure Originalteile ausgebaut worden seien, um diese anderswo zu verwenden, respektive um sie gut weiter verkaufen zu können.
Dies ist die Alptraumvorstellung eines jeden, der sein Liebhaberauto vertrauensvoll einem Betrieb übergibt, der es warten, reparieren oder restaurieren soll. Wer schaut denn schon nach Ende der Arbeiten unter das Armaturenbrett oder die Motorhaube, um nachzusehen, ob noch der originale Scheibenwischermotor am Werk ist oder eben nur ein – womöglich ganz passabler – Nachbau? Dies macht gewiss kaum jemand. Trotzdem, die Gewissheit, dass man mit seinem vollständigen Auto wieder vom Platz fährt, hat zwar viel mit Vertrauen, aber auch ein ganz klein Wenig mit Kenntnis zu tun. Überhaupt ist es hilfreich, sich über das, wofür man sein gutes Geld ausgeben will, etwas schlau zu machen. Das fängt mit der Kontrolle von Fahrzeugspezifikationen, entsprechenden Chassis- und Motornummern an und endet manchmal beim Studium von langen Listen, Katalogen und dergleichen.
Im Falle des fraglichen 300 SL hätte es vermutlich geholfen, wenn der südostasiatische, aktuelle Besitzer des gefälschten Autos genau gewusst hätte, wo er nach welchen Nummern am Auto hätte suchen müssen. Allerdings wissen wir nicht, wie sehr er das überhaupt für wichtig befand. Vielleicht gar nicht; 300 SL ist 300 SL und gut ist. Gewiss ist das Fälschen von Autos ein Akt hoher krimineller Energie, aber wenn wir ehrlich sind mit uns, dann sind wir unserer Werkstatt womöglich ja auch nicht böse, wenn es das Auto trotz leicht undichtem Getriebe die nächste amtliche Kontrolle schafft. Oder wenn der Veteranenstatus, der Code 180 in der Schweiz, dank etwas guten Zuredens des Mechanikers unseres Vertrauens im Ausweis prangt oder in Deutschland das H-Kennzeichen am Auto hängt. Dies vielleicht trotz des für diesen Typ nicht vorgesehenen Doppelvergasers, der nun eingebaut ist.
Ich denke, das ist weit entfernt von kriminell, es ist – eine Dienstleistung am Kunden eines bemühten Fachbetriebs. Womöglich weiss dies sogar der versierte Experte und lässt die Sache gut sein, denn schliesslich waren solche Umbauten auch damals nicht selten.
Und in den meisten Fällen geht es nicht um das grosse Geld. Ist hingegen eben dieses involviert, so dürfte man durchaus auch erwarten, dass ein Käufer etwas der Sache, die er da gerade erwirbt, tieferes Interesse entgegenbringt. Denn gerade in diesem Punkt bin ich manchmal mehr als erstaunt, wenn ich als Juror bei Schönheitskonkurrenzen tätig bin. Ich erinnere mich an den Fall eines als Porsche 911 Turbolook deklarierten Autos, das nichts anderes war als ein 1980er-Jahre G-Modell als SC – mit einem Heckspoiler. Wer weiss, woher der Besitzer die Idee hatte, mit einem Turbolook unterwegs zu sein? Das Feature, durchaus in der Aufpreisliste von Porsche damals zu finden, beinhaltete allerdings sowohl das Fahrwerk wie die breite Karosserie des aufgeblasenen Elfers, nicht nur eine Motorraumklappe.
An einem anderen Anlass zeigte mir ein Teilnehmer voller Stolz seinen «alles-originalen» DeSoto Convertible der späten 1930er-Jahre. Beim Öffnen der Motorhaube war der Befund «alles original» schnell widerlegt: Auf der Ansaugbrücke des L-Head-Sechszylinders sassen gleich zwei Vergaser unbekannter Herkunft, was im Prinzip ein tolles, Epoche-gerechtes «Speed-Part» hätte sein können. Dumm nur, dass die Ansaugstutzen recht krude auf das Originalteil geschweisst waren und das originale, mittige Loch für den einzelnen Carter BB-Vergaser mit einer dicken Aluminiumplatte verschlossen. Ich habe dem Besitzer empfohlen, sich nach einer originalen Zweivergaser-Ansaugbrücke umzusehen, denn die gab es damals durchaus und wäre heute eine nette Zugabe.
Wer trägt also Schuld an der Tatsache, dass Autos gefälscht werden? In erster Linie gewiss und eindeutig derjenige, der dies tut oder, wie die SWR Doku zeigt, dies von seinen Mitarbeitenden verlangt. Allerdings gibt es ein entsprechendes Umfeld, das solches Tun fördert. Das Schlimmste dabei ist das “Nicht-Fragen”. Denn wer sich informiert, wer eine detaillierte Dokumentation verlangt oder sich einen unabhängigen Experten und damit eine Drittmeinung hinzu holt, der läuft weniger Gefahr, ein blaues Wunder – oder im Fall jenes Wagens, der Kienle zu Fall gebracht hat – “phantasiegelbes” Wunder zu erleben.
P.S. Für diejenigen, die die SWR-Doku noch nicht schauen konnten, blenden wir hier das Video ein. Es ist auch in der Mediathek des Fernsehsenders zu finden:
P.S.2 Der Flügeltürer oben dient nur der Illustration und hat natürlich mit dieser Geschichte überhaupt nichts zu tun.






















