Dynamik im Standbild
25.10.2016
Was musste man nicht alles Unmögliche möglich machen, um ein Auto in seiner vollen Fahrdynamik zu zeigen. Zu Beginn der Fotografie war es schon allein schwierig, ein sich bewegendes Objekt statisch abzubilden. Doch das Ganze auch noch scharf in seiner dynamischen Umgebung zu zeigen, daran konnte lange Zeit nicht einmal gedacht werden.
Gezwungen von der geringen Filmempfindlichkeit und den damals noch lichtschwachen Objektiven musste bereits bei schlechtem Wetter die Verschlusszeit derartig verlängert werden, dass gezwungenermassen dynamische Aufnahmen entstanden sind. Viele davon aber waren unbrauchbar, nur wenige Aufnahmen zeigten sich druckreif. Das Meiste aber landete im Müll.
Eine Ausnahme ist die Aufnahme des Hataz Kleinautos “Der Bergkönig” beim Pforzheimer Bergrennen von 1923.
Ein sogenannter “Mitzieher" mit langer Verschlusszeit lässt den Hintergrund verschwimmen. Das Fahrzeug sollte sich dazu aber nur in der Horizontalen bewegen, eine zusätzliche Bewegung in der Vertikalen würde zu Unschärfe führen. Durch Mitziehen entstehen herrliche Bilder, immer vorausgesetzt der Fotograf beherrscht sein Handwerk und kann die Kamera auch wirklich im exakten Tempo des Fahrzeuges mitführen.
Die nächste Stufe der Dynamik kommt damit, dass sich nicht nur das fotografierte Objekt bewegt, sondern auch der Fotograf, zum Beispiel in einem vorausfahrenden Fahrzeug, um Bilder vom Hinterherfahrenden zu machen. Das Ganze will man natürlich nicht "einfrieren" lassen, sondern dynamisch zeigen, was nach längeren Verschlusszeiten verlangt.
Da hat man urplötzlich mit mehreren Faktoren zu kämpfen. Die Autos sollten ihre Abstände einhalten, nicht nach links oder rechts weichen, dazu muss die Strasse möglichst eben sein, so dass die Autos weder nach oben, noch nach unten wippen, natürlich inclusive dem Kamerafahrzeug. Der Fotograf muss nun auch noch die Kamera trotz des Fahreffektes aus Fliehkräften in alle Richtungen ruhig auf dem Objekt belassen.
Als spezielle Alternative zum sogenannten “car-to-car”-Bild kamen in manchen Situationen auch sogenannte Rigs zum Einsatz. Stativ-Arme, die ans Fotomodell geschraubt wurden. Die fernausgelöste Kamera fuhr mit dem Objekt mit, allfällige sichtbare “Fremdobjekte” mussten dann auf den Aufnahmen wegretuschiert werden.
Mit der Digitalisierung nun der grosse Umbruch. Was früher mit sehr viel Aufwand teils auf abgesperrten Strassen stattfand wird heute ganz ruhig im Wohnzimmer gemacht.
Mit den heutigen Bildbearbeitungsprogrammen lässt sich so ziemlich alles realisieren. Man kann das Auto stehend fotografieren und später die komplette Dynamik bei der Bildbearbeitung realisieren. Oft stehen die Autos nicht einmal in der gezeigten Umgebung, sondern werden im Studio fotografiert und am Computer mit dem gewünschten Hintergrund verknüpft.
Früher wanderten fehlerhafte Dias in den Müll, nur die paar wenigen gelungenen Aufnahmen fanden Verwendung. Aber auch heute mit aller Computer-Technik ist man vor Fehlern nicht gefeit, wie ein Bild in der aktuellen Motor Klassik Nummer 11/2016 mit übersehenen "Falsch-Click" (Bild oben, achten Sie auf das aus Fahrersicht linke Vorderrad) zeigt. Beim Manipulieren des Wagens verschob sich ein Teil des linken Vorderrades am Triumph GT6. Aber wie heisst es so schön, wo gearbeitet wird da passieren auch Fehler.
Man muss an dieser Stelle aber auch mal ein ganz dickes Lob an die Stuttgarter richten, denn ihr Heft überzeugt fotografisch immer wieder. Jungs macht weiter so!