Erlkönige und Autos im Tarnkleid
Damit die eigentliche Form des Autos nicht wirklich erkennbar ist, werden die neuen Modelle heute in einen wilden Tarnanzug gesteckt. Diese Irreführung des Auges beinhaltet noch einen weiteren für die Werke wichtigen Punkt. So wird es wesentlich schwieriger, anhand von Fotos das Auto zu vermessen.
Ob wirklich dermassen häufig kopiert wird, möchte ich bezweifeln, denn die neuen Modelle folgen trotz grosser Geheimnistuerei fast immer ähnlichen Designtrends.
Da nach einigen Jahren das Design und die Technik eines Modells „veraltet“ ist, bringen die Hersteller einen Nachfolger auf den Markt. Die Entwicklung des neuen Fahrzeuges überschneidet sich natürlich immer mit den noch in den Ausstellungshallen stehenden Modellen. Das Design des neuen Modells spielt bei den Kunden ein grosse Rolle, daher sinken die Verkaufszahlen mit dem Wissen des bald erscheinenden neuen Wagens. Man glaubt dass die Verkaufszahlen noch weiter sinken würden, wenn am Ende einer Baureihe bereits Bilder des ungetarnten Nachfolgemodell in den Medien erscheinen würden.
Um einem frühen Lüften der Geheimnisse entgegenzuwirken, werden die Fahrzeuge mit Hilfe von Abdeckungen und Lackierungshilfen für notwendige Testfahrten in der Oeffentlichkeit optisch verändert.
Als erste Stufe kommt gar der „Muletto“ zum Einsatz. Dieses Fahrzeug ist nichts anderes als eine Verpackungsart der neuen Technik im alt bekannten Kleid.
Die zweite Stufe ist eine Volltarnung des neuen Modells (hier an einem geheimen VW-Mittelmotorsportwagen aus dem Jahre 1972 zu sehen, der nie produziert wurde), ...
... die sich dann im Laufe der Zeit, als dritte Stufe, lockert. Mit Klebeapplikationen wird aber die Formgebung oftmals weiterhin verschleiert.
Kurz vor der Präsentation kann man eigentlich die Grundform bereits klar erkennen. Beim R129, der auf dem folgenden Bild dargestellt ist, dauerte es ab diesem Stadium allerdings noch vier Jahre bis zur Präsentation.
Am Ende folgt die Präsentation zum Beispiel am Automobil Salon in Genf, wo das anfänglich noch verhüllte Fahrzeug enthüllt wird.
Der Name „Erlkönig“ wurde im Hause von „Auto Motor und Sport“ Anfang der 50er Jahre geboren. Redaktor Werner Oswald änderte die berühmte Ballade „Erlkönig“ von Johann Wolfgang von Goethe „Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?“ zur Vorstellung vom Mercedes Benz 180 folgendermassen ab:
“Wer fährt da so rasch durch Regen und Wind?
Ist es ein Strassenkreuzer von drüben,
der nur im Umfang zurückgeblieben
oder gar Daimlers jüngstes Kind?
Der stille Betrachter wär gar nicht verwundert,
wenn jenes durchgreifend neue Modell,
das selbst dem Fotografen zu schnell,
nichts anderes wär als der Sohn vom „Dreihundert“. “
Sinngemäss hätte dieses Gedicht natürlich auch beim späteren /8 wieder angewandt werden können, den wir auf dem ersten und nachfolgenden Bild sehen können.













