Vom Leiden im Lamborghini Jarama 400 GT
09.02.2011
Als Lamborghini 1970 den Jarama vorstellte, war dies im Vergleich zum früheren 350 GT (dem ersten Sportwagen von Lamborghini) und dem Lamborghini Miura (dem ersten italienischen Luxus-Mittelmotorsportwagen für die Strasse) höchstens eine kleine Sensation. Der Jarama war, abgesehen von seinem beeindruckenden Bertone-Design, relativ konventionell in seiner Architektur - Motor vorne, Antrieb hinten, 2+2 Sitze.
Gesegnet war der Jarama durch den 4-Liter-12-Zylindermotor, dem die damaligen Testfahrer “echte Musik und das Singen der Nockenwellen” attestierten. Auch liess sich das Fahrzeug gemäss dem damaligen Testbericht, den zwischengas neu publiziert hat, gut beherrschen.
Was aber erstaunt, ist, wieviel Kompromissbereitschaft das doch recht teure Fahrzeug vom Besitzer erforderte. “Man muss den Jarama lieben, um seine verschiedenen Mängel neben den ausgezeichneten Eigenschaften und dem imposanten V-12-Motor zu vergessen. Liebe macht blind, sagt das Sprichwort”, resümierten die AR-Redakteure im Jahre 1971. Und der Mängel waren viele: Bis zu 10 cm abhebende Scheibenwischer (schon bei Tempo 120 km/h), Benzin, das nur sachte und langsam eingefüllt werden konnte, eine Frontscheibe, die nicht genügend entfrostet werden konnte, ein sich stark aufheizender Fussraum, eine nicht überzeugende Verarbeitungsqualität, hohe Wassertemperaturen im Stadtverkehr, usw., die Liste der verbesserungsfähigen Details war lang.
Kein Wunder meinten die AR-Schreiber, dass sich der Käufer hier gewissermassen einen Prototyp zulege, an dem manches Detail noch unfertig sei.
Dem echten Fan war und ist das natürlich zuzumuten und sowieso wäre auch ein perfekter Jarama aus heutiger Sicht ein arg kompromissbeladenes Fahrzeug, sind die modernen Ansprüche an Fahrzeuge doch fast ins Unermessliche gestiegen. Und nicht zuletzt sind es ja gerade diese “Charakterfehler”, die manchen Klassiker zum Liebhaberobjekt machen.
P.S. Unser Bericht mit dem aufgearbeiteten Test von 1971 zeigt nicht nur die damals geschossenen Fotos, sondern einige weitere interessante Abbildungen, den Verkaufsprospekt der S-Version und die technischen Detaildaten (in italienisch) von 1970.