50 Jahre zwangsbeatmete Automobilgeschichte in drei Stunden erlebt
Nicht jeden Tag kriegt man die Gelegenheit, die Automobilentwicklung der letzten 50 Jahre im direkten Vergleich fahrerisch zu erkunden. Nun sprechen wir hier nicht über die generelle Fahrzeugentwicklung, sondern um Autos von Porsche mit Zusatzbezeichnung “Turbo”, also mit zwangsbeatmeten Verbrennungsmotoren. Wobei es eine Ausnahme gab, doch davon später.
Zur Versuchsfahrt lud Porsche Schweiz ein und stellte fünf Wagen zur Verfügung.
Den Anfang machte ein spätes Porsche 930 Cabriolet, das sozusagen den Beginn der Porsche-Turbo-Geschichte darstellt und auch der Grund für das dieses Jahr gefeierte Jubiläum “50 Jahre Porsche Turbo” darstellt, denn im Herbst 1974 wurde auf dem Pariser Autosalon die Serienversion des Porsche 911 mit Turbolader präsentiert. Zwar stieg der Hubraum bis Ende der Bauzeit (1989) von drei auf 3,3 Liter (300 PS) und die Anzahl der Gänge von vier auf fünf, doch lassen auch die letzten Wagen der Baureihe erahnen, wie sich die ersten 930 angefühlt haben müssen. Zwar mag der Ur-Turbo als Cabriolet etwas von seiner Stabilität verloren haben, das offene Dach und damit der noch direktere Zugang zur Geräuschkulisse kompensiert dies aber auf jeden Fall aus unserer Sicht. Der Turbo-Schub, der ab etwa 3500 Umdrehungen mit seiner ganzen Gewalt einsetzt, ist zusammen mit der Geräuschkulisse suchtfördernd. Und im Schiebebetrieb gefällt das Auspuffgeräusch mit jenen Klängen, die eben nur Fahrzeuge von damals bieten. Ansonsten ist der 930 einfach ein klassischer Elfer, wie man ihn gewöhnt war, einfach mit mehr Schub.
Umgestiegen in den Porsche 944 Turbo als Cabriolet eröffnet sich einem eine deutlich modernere Autowelt. Die Servolenkung macht den Vierzylindersportwagen handlich, das Cockpit verströmt Achtziger- anstatt Siebzigerjahre-Charme. Auch der 250 PS starke 944 Turbo muss allerdings noch tüchtig Luft holen, bevor er ab etwa 3000 Touren losschiesst und häufiger als nicht findet man sich im ersten Gang des gut schaltbaren Fünfganggetriebes, vor allem, wenn es den Berg hochgeht. Das macht Spass und der Sound gefällt, auch wenn er natürlich nicht so charakteristisch ist wie jener des 930.
Wir machten einen weiteren Zeitsprung ins neue Jahrtausend und enterten den 997.1 Turbo. Gestartet wird nachwievor mit Zündschlüssel und der wassergekühlte Elfer kann bereits auf den ersten Metern überzeugen. Er ist noch kompakt genug, um auch auf engeren Passstrassen Freude zu machen, geht aber ab wie die sprichwörtliche gesengte Sau. Kein Wunder bei fast 500 PS und Allradantrieb. Tatsächlich ist der 997 sogar etwa 40 kg leichter als sein Vorgänger. Der gefahrene Wagen war (leider) mit Tiptronic ausgerüstet, was im Vergleich zur damals noch erhältlichen Handschaltung sicherlich etwas von der Fahrfreude wegnimmt, aber es bleibt noch genug Dynamik übrig. Wie der 997.1 losprescht und sich um Kurven schlängeln kann, das ist schon erste Sahne. Die Lenkung vermittelt viel Fahrbahnkontakt und das Fahrwerk ist durchaus komfortabel und gleichzeitig mitteilsam. Der Motor verströmt eine herrliche Geräuschkulisse und man versteht schon nach wenigen Meter, warum der 997 Turbo auch auf dem Klassikermarkt immer mehr Freunde findet.
Mit dem nächsten Umstieg sind wir dann in der Neuzeit gelandet. Ein Panamera Turbo e-Hybrid ist vermutlich nicht genau das Traumauto des Sportwagen- und Klassikerfans, aber unterschätzen sollte man diesen Wagen keinesfalls. Fast 700 PS liegen insgesamt an den vier Rädern an, der aufgeladene V8 arbeitet so effizient mit den Elektromotoren zusammen, dass die rund 2,4 Tonnen Leergewicht schnell vergessen sind. Nicht vergessen kann und sollte man aber die Dimensionen das Autos, das immerhin über fünf Meter lang und fast zwei Meter breit ist. Starten tut man die Porsche der Neuzeit natürlich per Knopfdruck (gerne links vom Lenkrad), die Gangwahl erfolgt mit einem grossen Kippschalter rechts vom Lenkrad. Den muss man aber erst einmal finden. Damit der typischerweise etwas ältere Besitzer locker einsteigen kann, hebt sich der Panamera beim Türöffnen ein paar Zentimeter an.
Dies kann auch unser Vorbote der Zukunft, der Porsche Taycan Turbo GT, der uns als letzter der fünf Autos zur Probefahrt einlud. Mit ihm sind wir in einer komplett anderen Zeit angekommen. Sowohl der Schub (über 1000 PS, bis über 1200 Nm Drehmoment) als auch die Fahrwerksfinesse scheinen aus einer anderen Welt zu kommen. Wie dieser 2,4-Tönner einlenkt, vor allem aber, wie er ohne jegliche Verzögerung auf Pedaldruck losgeht, dies ist schon ein Erlebnis. Die Geräuschkulisse kann da nicht mithalten und am liebsten geniesst man den Taycan möglichst stumm oder lässt sich einfach von der Musikanlage einlullen. Der Taycan fühlt sich überall wohl und beeindruckt in jeder Sekunde, nur die Faszination, die halt einen 930 Turbo ausmacht, die kann er dann doch nicht ganz replizieren, vor allem nicht, wenn man sich die Anzeigen auf den LCD-Displays betrachtet.
Fünf interessante Autos aus 50 Jahren Porsche Turbo. Dass spätestens beim Taycan das “Turbo” zur Marketingbezeichnung geworden ist, muss man wohl einfach hinnehmen, zumal ein Turbolader beim modernen Verbrennungsmotoren nur noch mit wenigen Ausnahmen wegzudenken ist.
Und wie sagte Mezger, der Porsche-Motorenentwickler: Leistung ist bei einem Turbo-Motor nie das Problem, Fahrbarkeit schon eher. Die Fortschritte, die in 50 Jahren hier gemacht wurden, sind beeindruckend, das haben auch die fünf (oder eher) vier Porsche-Turbo-Modelle eindrücklich gezeigt.
P.S. Die Autos wurden übrigens (mit Ausnahme des Taycan, logisch) alle mit eFuel betankt. Gemerkt hat man davon (freilich) nichts, schliesslich verbrennt die ökologische Alternative zum fossilen Benzin genauso gut und gründlich. Einzig die Betankung per Kanister war halt ein wenig aufwändiger ...



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