Wenn der Käfer auf der Überholspur ärgert
29.09.2022
Der Fahrer im schnellen Audi ärgert sich bereits präventiv. Er hat das Schild mit dem schrägen schwarzen Balken, das die Aufhebung der 80 km/h-Beschränkung anzeigt, schon längst erspäht. Aber jetzt steht ihm dieser olle Käfer mit der ovalen Heckscheibe auf der Überholspur im Weg, damit er sein Beschleunigungsvermögen ausspielen könnte, um endlich frei fahren zu können. Er hat die Hand schon am Blinkerhebel, um bei der nächsten Gelegenheit die Lichthupe betätigen zu können.
Doch, was ist das? Der Käfer scheint wie von der Tarantel gestochen loszuschiessen, beschleunigt zügig auf 160 km/h. Der Audi-Fahrer kann kaum mithalten, so stark beschleunigt dieser Käfer. Das können doch unmöglich nur 30 DIN-PS sein, die da im Heck dieses Käfers für Vortrieb sorgen?
Da hat er Audi-Fahrer natürlich Recht, denn er fährt hinter dem Mille-Miglia-Käfer von Volkswagen Classic. Zwar ist der 56-er Ovali kein Original, aber der Wagen wurde originalgetreu dem Käfer nachempfunden, mit dem der 26-jährige Paul Ernst Strähle an der 1954-er Ausgabe der Mille Miglia antrat und die Ferrari 375 MM ärgerte, wenigstens ein bisschen.
Im Heck des Käfers mit Baujahr 1956 sitzt der Vierzylindermotor aus dem Porsche 356. 75 PS soll er leisten, vielleicht sind es auch ein paar mehr. Sie fühlen sich jedenfalls wie ausgewachsene Rennpferdchen an. Und haben mit den 760 kg Leergewicht auch keine schwere Aufgabe zu bewältigen.
Im Innern ist sich der Käfer treu geblieben, nur die Armaturen wurden ein bisschen modifiziert. Der Tacho zeigt bis 200 km/h, links davon gibt es einen Drehzahlmesser mit 7000 Umdrehungen Maximalanzeige, rechts ein Öldruck-Manometer und eine Öltemperatur-Anzeige. Um den Drehzahlmesser ist man froh, der Boxer im Heck dreht eifrig hoch.
Vier Gänge müssen genügen, der erste ist unsynchronisiert. Das Schaltgefühl und auch die Pedalerie sind Käfer pur, aber man sitzt ein bisschen tiefer und in epochengerechten Schalensitzen.
Dieser Käfer macht unglaublich Spass, auch wenn er nicht die stärkste Variante im Stall ist. Denn da gibt es noch den Theo Decker 1302, der auch bei Porsche-Fahrern Eindruck schinden kann. Aber davon dann ein anderes Mal.
Wir danken Volkswagen Classic für die Gelegenheit, den inzwischen weitherum bekannten Mille-Miglia-Käfer probefahren zu können.