In den Swinging Sixties schien es leicht, alles noch ein wenig besser zu machen. Während die NASA auf dem Mond landete, griffen die Konstrukteure der Autoindustrie nach den Sternen. So auch in Coventry bei Jaguar als es darum ging, sich einen Nachfolger für den 1961 in Genf vorgestellten E-Type vorstellen. Keine leichte Bürde, angesichts der einhelligen Meinung über diesen wunderschönen stilbildenden Klassiker der 60er Jahre. Im Buch "Jaguar XJ-S" geht der englische Autor Brian Long der Geschichte des E-Type-Nachfolgers auf den Grund.
Der fleissige Autor
Vom englischen Automobil Journalisten Brian Long liegen mittlerweile zehn seiner Monographien in deutscher Übersetzung vor, in seiner Muttersprache hat er schon 60 Bücher verfasst. Zu Recht, wie man auch an seinem Werk über den XJ-S aus dem Heel Verlag erkennen kann.
Long weiss, wie man so ein Buch angeht und wer eine seiner Monographien gelesen hat, weiss mehr über das beschriebene Fahrzeug. So auch im vorliegenden Rezensionsexemplar.
Das Buch
Auf 156 Seiten gelingt es dem Autor die Geschichte des XJ-S vielfältig nachzuzeichnen. Das beginnt bei der Vorstellung des Hauses Jaguar sowie den Vorgängern des XJ-S und mündet dann in eine vielschichtige Entwicklungs- und Produktionsgeschichte des Super GT aus Coventry. Ganz besonders positiv muss man bei Long hervorheben, dass er bei der Modellgeschichte auch die Exportmärkte im Auge hat. Der Leser gewinnt so einen interessanten Blick über den Tellerrand nach Japan oder den USA. Und erfährt oft von Modell- oder Ausstattungsvarianten, die ihm vorher unbekannt waren. Auch die Sporteinsätze gehen nicht vergessen.
Diesem Prinzip folgt Long auch in der XJ-S Monographie, wobei besonders hervorzuheben ist, dass er über das ganze Buch hinaus, die wechselvolle Geschichte von Jaguar nicht aus den Augen verliert.
Der XJ-S ist gar kein Jaguar, aber er wird es werden
In den Wirren der Organisation der britischen Automobilindustrie entstehen erste Ideen zum Fahrzeug unter der Ägide von British Leyland, dem Zusammenschluss der meisten und wichtigsten Automobilhersteller auf der Insel. Autark genug und vom Erfolg des E-Type in den USA inspiriert, begann man bei Jaguar einen besonders auf den US_Markt zugeschnittenen Sportwagen zu entwickeln. Long zeichnet dies vor dem Hintergrund des Eignerkonzerns sowie der in den USA populären Debatten um Sicherheit auf der einen Seite und dem Komfortanspruch der Amis auf der anderen Seite ausführlich nach.
Klar wird: der XJ-S ist als entspannter Reisewagen für Zwei und Erfolgsaussichten auf dem amerikanischen Markt entwickelt worden. Sorgen bereiteten den Vätern des Modells natürlich die Ölkrise von 1973. Jedoch da war es zu spät, es fehlte an Alternativen bei Jaguar. Das Projekt war zu weit fortgeschritten und British Leyland schwamm nicht im Geld. Das wurde bei Jaguar verdient, wo man trotz Rezession 1974 einen neuen Absatzrekord feiert
Ein Super GT nimmt Fahrt auf
Bei seiner Vorstellung 1975 mag den Besuchern der rote XJ-S auf dem Drehteller in Frankfurt als der richtige Wagen zur falschen Zeit vorgekommen sein. Das grosse Fahrzeug mit dem V12-Motor war ein riesiger 2+2 Sitzet mit hohem Verbrauch und bei einem Preis von nahezu £ 9000,– fast doppelt so teuer wie sein Vorgänger, der E-Type III.
Umfassend stellt der Autor vor, wie der XJ-S sich nach seiner Präsentation nicht nur die Herzen der Automobiljournalisten eroberte, sondern sich auch in die Herzen der Fans der Marke einschlich. Insbesondere die zahlreichen Verbesserungen am gesamten Fahrzeug über den gesamten Modellzyklus von immerhin mehr als 20 Jahren, haben den Wagen up-to-date gehalten. Gelungene Facelifts und neue Antriebsalternativen, darunter der berühmte H.E.-Motor mit dem Fireball-Zylinderkopf des Schweizers Michael May, sowie die Einführung der Cabriolet-Version hielten die britische Raubkatze attraktiv. Plötzlich war der XJ-S das richtige Auto zur richtigen Zeit. Die Achzigerjahre wären ohne den XJ-S in vielen Spielfilmen und TV-Serien nur halb so schön. Lohn dieser Mühen sind die Jahresproduktionsrekorde des XJ-S in den Jahren 1989 und 1990. 500% mehr Absatz als 1980.
Das Vollcabriolet, die Katalysatoreinführung und insbesondere die technische Aufrüstung mit ABS und Airbag machten den XJ-S auf lange Zeit zu einer perfekten Alternative. Alternative? Welche Alternative? Eigentlich gab es keine wirkliche Alternative. Das SEC-Coupé von Mercedes war stilistisch zu eng mit der Limousine verwandt. Der 6er-BMW war deutlich kleiner. Beide boten kein V12-Prestige. Einzig der Porsche 928 kann als wahrer GT-Gegner betrachtet werden. Wobei sich die beiden Modelle zu Beginn näher standen und sich im Laufe der Dekaden zunehmend auseinander entwickelten. Der Brite noch stärker in Richtung gediegener Komfort, der Deutsche eher zu mehr sportlicher Manier. Beim Mit dem Jaguar man auf dem Golf-Platz bestens aufgehoben, der 928 führte einen eher zum Porsche-Cup.
Was bleibt vom XJ-S?
In diesem Buch ein überraschender Eindruck von einem Sportwagen, der 20 Jahre gebaut wurde und nie als alt angesehen wird. Long gelingt es von der ersten bis zur letzten Seite, die Geschichte des Fahrzeugs eng an den Menschen und den Absichten zu halten, ohne dabei dröge zu werden. Im Gegenteil, fundierte Hintergründe eröffnen oft ungeahnte Einblicke in Unternehmensentscheide, die nicht nur den Fan des Fahrzeugs sondern auch Jaguar-Enthusiasten überraschen werden. Das Buch lässt weder Märkte, Karosserievarianten, Prototypen oder die Sporteinsätze aus. Umfassend ist das richtige Wort.
Und bei der Qualität der deutschen Übersetzung hat man nicht gespart, nur auf die Testberichte und Veröffentlichungen hierzulande konnte man allerdings nicht viel Rücksicht nehmen.
Das liebevoll und umfangreich ausgewählte Bildmaterial wünscht man sich manchmal beim Blättern in einem deutlich grösseren Format. Aber ein Cofffee-Table-Book ist es nicht geworden, das wäre zum angepeilten Preis von unter 50 Euro auch nicht machbar gewesen.
Dafür wurde das Buch eine sehr gute Monographie, die auch dank der Unterstützung des Werkes dem XJ-S ein Denkmal setzt. Autos mit mehr als 10 Jahren Lebenszyklus entstanden ab den Siebzigerjahren nur äusserst selten, Ausnahmen sind der Mercedes SL (R107), der Porsche 928, der Audi Quattro und eben der Jaguar XJ-S. Dieses Buch ist eine wunderbare Hommage, warum dieser GT vor 40 Jahren möglich war.
Bibliografische Angaben
- Titel: Jaguar XJ-S - Hommage an den Super GT
- Autor: Brian Long
- Sprache: Deutsch (Übersetzung durch Heiner Stertkamp)
- Verlag: Heel
- Auflage: 1. Auflage 2016 (englische Version bei Veloce 2014 erschienen)
- Format: Hardcover gebunden im Schutzumschlag, 256 x 260 mm
- Umfang: 160 Seiten, 260, zumeist farbige Bilder
- Preis: € 49,95,
- ISBN: 978-3-958431-70-6
- Bestellen/kaufen: Online beim Heel-Verlag , auf amazon.de oder im Buchhandel
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