Er gilt als ein automobiles Design-Meisterwerk, der Ferrari 250 GT SWB Berlinetta Speciale aus dem Jahr 1962, entstanden genau einmal in der Carrozzeria Bertone, gezeichnet vom jungen Designer Giorgetto Giugiaro.
Der dritte Bertone-Ferrari
Nuccio Bertone wurde 1914 geboren und er trat nach seinem Studium in seines Vaters Firma ein, um den Karosseriebaubetrieb zu neuer Blüte zu entwickeln. Parallel dazu fuhr er auch Autorennen, unter anderem die Mille Miglia von 1950 und 1951 auf einem Ferrari 166 MM. Es stand nicht immer gut um die Carrozzeria Bertone, doch Nuccio schaffte es mit einigen kühnen Entwürfen, darunter die BAT-Kreationen auf Alfa Romeo Basis, Weltruhm und Zugang zu grossen Karosseriebauaufträgen zu erlangen.
Bereits im April 1950 präsentierte Bertone ein sehr elegantes Cabriolet auf der Basis des Ferrari 166 Inter. Neun Jahre später nahm Nuccio den nächsten Anlauf und stellte das Coupé 250 GT mit von Giugiaro entworfenem Aufbau vor. Der Kunde für den Wagen mit Chassisnummer 1739 GT hiess Dottore Wax, Für den Aufbau war eines der ersten Competitione-Chassis verwendet worden.
1962 entstand dann der dritte Ferrari bei Bertone, es sollte für längere Zeit der letzte bleiben. Erst in den Siebzigerjahren erfüllte sich Nuccios Traum, Fahrzeuge mit dem springenden Pferd in Serie zu bauen mit dem Dino 308 GT4.
Die technische Basis
Als Basis für die Berlinetta Speciale diente das Fahrgestell 3269 GT, das Nuccio anfangs 1962 bei Ferrari kaufte. Es handelte sich dabei um die kurze Version (SWB für “short wheel base”) mit einem Radstand von 2,4 Metern. Als Motor war der bewährte Colombo-V12 (Typ 168/61) eingebaut, der aus 2953 cm3 240 PS bei 7000 Umdrehungen entwickelte. Die Kraft gelangte über ein Vierganggetriebe zur Hinterachse.
Die Räder wurden vorne an Einzelradaufhängungen mit Trapez-Dreieckquerlenkern und Schraubenfeder, hinten an einer Starrachse mit Halbelliptikfedern und Doppellängslenkern geführt. Verzögert wurde rundum mit Dunlop-Scheibenbremsen. Mit einem Gewicht von knapp über einer Tonne waren hervorragende Fahrleistungen garantiert.
Aus der Hand eines jungen Meisters
Auf den von Ferrari gelieferten Rohrrahmen setzte Bertone eine Karosserie, deren Formgebung aus der Hand des damals 23-jährigen Giorgetto Giugiaro stammte. Dieser liess sich einerseits vom damaligen Ferrari Monoposto 156 F1 und dessen Haifischnase inspirieren, andererseits setzte der Entwurf in der Nähe des Aston Martin DB 4 GT Jet aus dem Jahr 1960 auf und liess sich von dessen leichter und luftig wirkenden Dachpartie beeinflussen.
Das Ergebnis überzeugte, es war ein Meisterwerk, das schon im Stand dynamisch und aggressiv wirkte, gleichzeitig aber auch eine betörende Eleganz ausstrahlte.
Im Innern war kaum mehr etwas von der Rennwagen-Atmosphäre zu sehen, die andere Ferrari 250 GT SWB Berlinettas ausstrahlen. Die Sitze waren komfortabel und in Leder eingefasst, die Fenster konnten elektrisch gesenkt werden, Mittelkonsole, Türen und Dachbereich waren stilvoll eingekleidet. Als Instrumente verbaute Bertone Veglia-Anzeigen mit schwarzen Zifferblättern. Ein Radio und ein verschliessbares Handschuhfach im in Wagenfarbe lackierten Armaturenbrett machten den luxuriösen Auftritt komplett. Selbst das Lenkrad war eine Einzelanfertigung.
Präsentation am Genfer Autosalon 1962
Der Genfer Autosalon von 1962 wurde durch viele neue Sportwagen, teils Einzelstücke, teils Serienfabrikate, geprägt, darunter ein Zagato-Coupé auf Basis der Alfa Romeo Giulietti, das Simca 1000 Coupé und der Maserati Sebring (als Prototyp). Elegante Sportlichkeit wurde auch bei den Karosseriebauern zelebriert.
So wundert es nicht, dassdie Aufmerksamkeit, welche die Bertone-Kreation erhielt, nicht ganz ungeteilt blieb, denn auch Pininfarina hatte einen aufsehenerregenden Ferrari-Entwurf nach Genf gebracht, wie der Kommentar der Automobil Revue vom 16. März 1962 nahe legt:
“Unter den Spezialkarosserien verdienen die beiden auf Ferrari-Chassis aufgebauten Coupés von Bertone (250 GT, kurzes Chassis) und Pininfarina (Super. Fast III auf Ferrari 400 Superamerika) besondere Erwähnung; das erstgenannte als leicht gerundetes, sportlich-freches; Coupé mit einer Formel-1-artigen Schnauze und hoher Schulterlinie, das zweite als völlig in Meergrün gehaltenes Super-Luxuscoupé mit versenkbaren Scheinwerfern.”
Etwas genauer ging die Automobil Revue in ihrer zweiten Berichterstattung am 21. März 1962 auf das blaue Bertone-Coupé ein:
“Wie Pininfarina, so hat sich auch Bertone für die wichtigste Neuheit an diesem Salon von einem Ferrari- Chassis inspirieren lassen, und zwar hat er auf dem 250 GT ein kompakt geformtes Coupé entwickelt, das als Neuheit eine keilförmige Frontverschalung besitzt, die an diejenige der Formel-1-Rennwagen erinnert. Die Scheinwerfer sind seitlich aussen an den beiden Vorderöffnungen angebracht, an welche die Kotflügel anschliessen. Der Wagen hat einen ganz kurzen hinteren Überhang, und die Karosserie ist seitlich so knapp angemessen, dass sie kaum die Räder überdeckt. In blutroter Färbung würde dieses wilde Coupé wahrscheinlich noch besser wirken. Im Gegensatz zur ausgesprochen sportlichen Aussenlinie ist das Innere sorgfältig, ja mit Luxus gestaltet.”
Tatsächlich wurde der Wagen in Genf in Blau, genauer “Blu Notte Metallizzato”, präsentiert, während das Interieur in burgunderrotem Leder gehalten war.
Auch die ADAC Motorwelt erwähnte das schöne Coupé in ihrer Berichterstattung im März 1962:
“Der Ferrari Formel-1-Wagen hat bei diesem Modellkleid von Nuccio Bertone für das Ferrari 250 GT-Coupé Pate gestanden. Die Front läuft wie beim Rennwagen spitz zu; es ist ein Luxus-Tourensportwagen mit allem technischen Raffinement und hoher Leistung.”
Zu verkaufen war der Wagen allerdings nicht, denn Nuccio Bertone hatte ihn für seinen Eigengebrauch aufbauen lassen.
Eine Reihe illustrer Besitzer
Nach dem Genfer Salon wurde der Ferrari im Biscaretti Museum in Turin anlässlich der alljährlichen Designausstellung gezeigt. Im Mai darauf wurden einige Änderungen am Prototypen unternommen, so wechselte die Farbe zu Silber-Metallic, das Ferrari-Markenzeichen wurde verkleinert und wanderte nach unten. In dieser zweiten Ausführung wurde der Wagen im Herst 1962 am Turiner Autosalon auf dem Bertone-Stand gezeigt.
Der vermutlich gehegte Wunsch, dass Enzo Ferrari einer Kleinserienproduktion der Berlinetta Speciale zustimmen wurde, erfüllte sich allerdings nicht. Es blieb beim gezeigten Exemplar.
1963 verkaufte Bertone den Wagen weiter und über Umwege gelangte er schliesslich zum Jazz-Schlagzeuger Bill Karp, der ihn als Alltagsfahrzeug einsetzte, dabei in 13 Jahren über 100’000 km zurücklegte und sogar sein Schlagzeug im kompakten Sportwagen transportiert haben soll. Im September 1980 konnte dann der Sammler Lorenzo Zambrano den Wagen übernehmen, der ihn bei Steve Tillack restaurieren liess.
In den Neunzigerjahren wurde das Coupé erneut überarbeitet und es gewann seither die verschiedensten Auszeichnungen. Bis heute sollen der originale Motor samt Getriebe, Differential, Rahmen und Karosserie erhalten geblieben sein. 35 Jahre lang hielt Zambrano dem nun wieder in der ursprünglichen Farbe Blaumetallic lackierten Einzelstück die Treue, jetzt gelangt der Wagen erstmals in einer öffentlichen Versteigerung auf den Markt.
USD 14 bis 16 Millionen haben die Experten von Gooding & Company geschätzt, soll der einmalige Sportwagen heute wert sein, als er am 15. August 2015 als Lot 039 in Pebble Beach unter den Hammer kam. Es wurde dann noch ein wenig mehr, nämlich USD 16,5 Millionen. Und eine weitere Wertsteigerung ist wohl nicht ausgeschlossen.
Übrigens soll Bill Karp den damals mehr schlecht als recht in Burgunderrot lackierten Bertone-Ferrari einst einem gewissen Wallace Wyss in einem Nachtclub in Hollywood angeboten haben. USD 18’000 wollte er dafür haben, Wyss lachte damals nur und zeigte sich desinteressiert. Darüber kann man gut 30 Jahre später nur noch phantasieren.
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 12 / 1962 vom 16.Mrz.1962 - Seite 3: Genfer Autosalon 1962 - sportlich elegante Neuheiten
- AR-Zeitung Nr. 14 / 1962 vom 21.Mrz.1962 - Seite 17: Trends der Spezialkarosserien (Genfer Automobilsalon 1962)
- ADAC Motorwelt Nr. 5 vom 1. Mai 1962 - Seite 363: Autofrühling 1962
- Motor Revue / Nr. 41/1962, ab Seite 22: Genfer Salon
- AR-Zeitung Nr. 50 / 1962 vom 22.Nov.1962 - Seite 23: Spezialkarosserien am Turiner Salon 1962
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