Nachdem sich die Rétromobile im vergangenen Jahr auf Halle 7 des Pariser Messegeländes Expo Porte de Versailles beschränken musste, wurden dieses Jahr zum ersten Mal nach der Pandemie wieder die Hallen 1 bis 3 bespielt. Entsprechend gab sich von 1. bis 5. Februar auch das Fahrzeugaufgebot in den Hallen: teurer, grösser, internationaler als zuletzt. Doch trotz der Rückkehr zu alter Grösse gelang es der Rétromobile nicht nur äusserst beeindruckend zu sein, sondern erstmals auch ein wenig enttäuschend zugleich.
Viel Frankreich, wenig Frankreich
Da war zum einen die immense Menge an französischen Hochkarätern von Bugatti, Delage und Talbot sowie eine überwältigende Anzahl an Facel Vega aller Typen inklusive solcher, die es nie gegeben hat. Andererseits bot die Rétromobile dieses Jahr so wenig französische Alltagsmobilität wie kaum zuvor. Einstiges innerstädtisches Füllmaterial wie Citroën HY, Renault 4 und Simca Aronde war drastisch unterrepräsentiert. Selbst auf dem Marktplatz in Halle 3 dominierten Briten und Italiener. Wer nach Paris gekommen war, um sich einen MGB zuzulegen, hatte freie Auswahl. Wer einen Renault Dauphine wollte, ging leer aus.
Doch hier und da versteckten sie sich dann doch, die einheimischen Perlen, die man nur in Paris findet: Renault 14, Peugeot 304 Coupé und Renault Monaquatre boten ihren Interessenten keine gute Verhandlungsgrundlage: zahlen oder stehenlassen, denn ein zweites Exemplar gab es nicht. Ein sehr ähnliches und doch völlig anderes Bild zeigte sich bei dem Peugeot 205 GTI. Von dem erfolgreichen Kompaktsportler gab es zwar gleich eine ganze Handvoll Exemplare, die allerdings derart umlagert wurden, dass die Nachfrage das üppige Angebot trotzdem weit übertroffen hat.
Bei den grossen Händlern in Halle 1 dominierten Autos im sieben- und achtstelligen Eurobereich. Lukas Hüni, Gregor Fisken, Axel Schütte oder Richard Mille – alle ausländischen Händler und Aussteller, die letztes Jahr fehlten, waren dieses Jahr wieder dabei und fuhren ein derart grosses Kaliber an Superklassikern auf, dass wohl für die Runde Aussetzen von 2022 entschädigen sollte: ein originaler Porsche 917 K des John-Wyer-Teams, verschiedene Ferrari 250 Berlinetta mit langem und kurzem Radstand, mehrere Lamborghini Miura und ein Ferrari 250 GTO des North American Racing Teams liessen in Paris das Besondere zum Gewöhnlichen werden.
Zwar fand sich bei Lukas Hüni auch ein Citroën ID 19 Familiale in erfrischendem Anthrazitgrau. Doch ansonsten beschränkte sich die Repräsentation ihres Heimatlandes eher auf die Stände der französischen Clubs. Die boten ein kleines, aber feines Spektrum von Alltagsautos wie Panhard BT 24 und Simca 1300 hin zu Rennwagen wie dem 1955 in Le Mans angetretenen Salmson 2300 S mit Motto-Karosserie und einem lebensgrossen Modell des nie realisierten Le-Mans-Prototypen von Facel Vega, den ein Liebhaber jetzt in Eigenregie nachbaut.
Le Mans und andere Sonderschauen
Le Mans – oder besser gesagt: das alljährlich dort stattfindende 24-Stunden-Rennen – war natürlich das vorherrschende Thema in Paris, denn Frankreichs berühmtestes Autorennen feiert dieses Jahr sein 100-jähriges Bestehen. Entsprechend fand sich nicht nur eine offizielle Sonderschau des Veranstalters mit ehemaligen Klassen- und Gesamtsiegerwagen aus Frankreich sowie eine kleine Reihe an technischen Innovationsträgern.
Auch viele Händler und Dienstleister hatten ihren diesjährigen Stand dem Jubiläum in irgendeiner Form gewidmet. So präsentierte etwa JMB Classic mit Chrysler Viper, Chevrolet Corvette C5-R und Maserati MC 12 drei GT1-Rennwagen der Jahrtausendwende.
Andere Sonderausstellungen widmeten sich dem 30. Geburtstag des Renault Twingo oder feierten 100 Jahre Dollar, womit nicht etwa die (viel ältere) US-amerikanische Währung oder die Autovermietung gemeint ist, sondern eine französische Motorradmarke der Zwanziger- und Dreissigerjahre.
Auf der Brücke zwischen Halle 1 und Halle 2 gab es zudem ein paar Camping-Mobile der Dreissiger- bis Sechzigerjahre zu sehen – sofern man in den Besucherströmen ein "Guckloch" fand. Denn für einen ganz gewöhnlichen Mittwoch waren die Gänge bemerkenswert gut gefüllt.
Nach zwei Absagen und einer stark geschrumpften Ausgabe schien sich die europäische Oldtimerszene wieder auf eine Rétromobile im Vollformat gefreut zu haben. Und tatsächlich bekamen alle, die trotz des Generalstreiks bei Bus und Bahn ihren Weg nach Paris gefunden hatten, nach vier Jahren wieder eine Messe von alter Grösse zu sehen: exklusiv, facettenreich und international – und damit leider auch ein bisschen weniger französisch.
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