Schon die Bezeichnung tönt schnell und erheischt Aufmerksamkeit: Carrera RS. Dabei mussten die Porsche-Mannen anfangs der Siebzigerjahre dafür nicht einmal allzu viel erfinden. Sportwagen mit der Zusatzbezeichnung Carrera hatten sie schon in den Fünfzigerjahren (356 Carrera) und für den Rennsport (904 Carrera GTS, Carrera 6) in den Sechzigerjahren gebaut und das Kürzel “RS” stand ganz einfach für Rennsport, denn dafür wurde der Porsche 911 Carrera RS 2.7 gebaut.
Heute gehört dieser Fahrzeugtyp, der nur in den Jahren 1972 und 1973 entstand, zu den gesuchtesten Klassiker aus dem ganzen Zuffenhausener Arsenal. Mit Preisen deutlich über einer halben Million war er der Vorreiter der 911-Euphorie, die auch häufiger gebaute Modelle im Sog nach oben zog.
Aber - hat der Carrera RS diese Ausnahmestellung wirklich verdient?
Deutschlands schnellste Rarität
Eigentlich war der Carrera RS ja als 911 S 2.7 geplant gewesen. Doch neue Homologationsbestimmungen, die 500 identische Exemplare (für die Gruppe 4) forderten, lösten bei Porsche einen Denk- und Entwicklungsprozess aus, der schliesslich zum gegenüber der Serie deutlich verbreiterten Leichtbau-Sportwagen mit Entenbürzel am Heck führte.
Die Verkaufsabteilung war mehr als kritisch, ob sich 500 derartige Autos überhaupt verkaufen lassen würden und forderte eine Komfortausstattung. Diese gab’s dann gegen Aufpreis und sie machte aus dem Homologations-Leichtgewicht eine Sport- oder Touring-Version.
Um die 500 Exemplare des in Paris im Oktober 1972 erstmals gezeigten Carrera RS 2.7 sicher an die Kunden zu bringen, wurde tüchtig Werbung geschaltet: “Eine Auflage von 500 für einen Sportwagen von der Klasse des Carrera RS ist nicht groß. Sie müssen also schon sehr schnell sein, wenn Sie Deutschlands schnellste Rarität fahren möchten.”
Die Käufer waren schnell überzeugt, bereits im November waren die ersten 500 Exemplare verkauft (aber nicht ausgeliefert), am Ende, knapp ein Jahr später, waren 1580 Stück gebaut.
Komplexe Produktion
Die Hersteller und der ersten 500 Exemplare war sehr aufwändig, da sie zunächst in Leichtbau-Ausführung fertiggestellt werden, auf die Waage gestellt und dann mit dem vom Kunden bestellten Optionen nachgerüstet werden mussten.
Später konnten dann diese Restriktionen gelockert werden und auch auf das eine oder andere Leichtbauteil wurde im Laufe der Produktionsdauer verzichtet, so dass sich die letzten Autos im Jahr 1973 nur noch geringfügig vom normalen 911 S unterschieden, wenn man einmal vom geänderten Motor, den modifizierten Aufhängungen und den Kotflügelverbreiterungen hinten samt Entenbürzel absah.
Insgesamt entstanden rund 200 Leichtbau-Versionen mit Sport-Paket und über 1300 Touring-Varianten mit mehr Komfort.
In einer anderen Liga
Verglich man damals den Carrera RS mit dem 911 2.4 S, so waren die Unterschiede in der Fahrdynamik deutlich grösser, als die Retouchen an der Karosserie es erwarten liessen. Vor allem in der Sport-Variante spielte der RS in einer anderen Liga. Bei der Beschleunigung von 0 auf 100 km/h, nahm der RS dem 911 S 1,7 Sekunden ab (5,7 anstatt 7,4 s), bis 180 km/h waren es schon 5,4 Sekunden (17.6 anstatt 23 s) und auch in der Spitzengeschwindigkeit war die Variante mit Spoiler mit 240 km/h schneller.
Das Spoilerpaket alleine brachte (gemäss Sport Auto) gegen fünf km/h, die 20 Mehr-PS waren für den Rest zuständig. Der Aufpreis war mit 2850 DM oder 4300 Franken überschaubar.
Meilenstein
Porsche musste sich sogar tüchtig anstrengen, um den Carrera RS 2.7 mit späteren Modellen noch sichtbar zu übertrumpfen. Selbst ein Porsche Turbo 930 konnte den RS bis 100 km/h nur um eine halbe Sekunde abhängen. Auch in der Spitze fuhr er ihm mit 250 km/h nicht ernsthaft davon.
Und auch im Vergleich zum fast zwanzig Jahre jüngeren 964 RS muss sich der Ur-RS nicht verstecken, schliesslich lag dessen Leistungsgewicht mit 4,7 kg/PS nur unwesentlich unter den 4,8 kg/PS, die der Carrera RS 2.7 bereits 1972 offerierte. So ist es eigentlich nur verständlich, dass die Preise für originale RS 2.7 gegen den Himmel gestiegen sind.
Selber erfahren
Doch all die Zahlen sind schnell vergessen, wenn man sich einmal selber hinter das Lenkrad eines Carrera RS 2.7 setzen darf. Kaum hat die linke Hand den Zündschlüssel gedreht, beginnt im Heck der Sechszylinder-Boxermotor mit Einspritzung zu kreischen und zwar auf eine Art, die geradezu süchtig macht.
Besser klang nach dem RS kaum mehr ein Porsche und dies unabhängig von der Drehzahl. Die Lautstärke ist drehzahlabhängig, sie steigt einfach an, je höher man dreht. Bei 240 km/h massen die AMS-Tester damals 91 dBA, ein Radio ist da auf jeden Fall überflüssig, genauso wie die ermahnenden Worte eines allfälligen Beifahrers.
Der produzierte Vortrieb beeindruckt selbst heute noch, vor allem aber hängt der RS komplett ohne Elektronik-Verzögerung am Gas. Jede noch so geringe Druckveränderung auf dem rechten Fusspedal wird sofort in Geschwindigkeitszunahme umgesetzt. Das kann ein 964 RS kaum besser.
Erst wenn’s ums Bremsen oder Einlenken geht, merkt man dem Ur-RS sein Alter, er hat immerhin schon 45 Jahre auf dem Entenbürzel, an. Deutlich schwammiger wirkt die Verzögerung und auch die Richtungsveränderungen erfolgen mit Verzögerungen, was sicherlich an der Bereifung, aber auch an der Lenkung liegt. Allerdings muss gesagt werden, dass der Carrera RS 2.7 in seiner Zeit sicherlich ein Massstab war, selbst ein Dino 246 GT konnte dies alles nicht besser.
Vielleicht am überraschendsten ist, dass sich der RS auch lammfromm durch eine Ortschaft bewegen lässt, er muss gar nicht immer schreien und kreischen, selbst tiefe Drehzahlen verursachen keinen Schluckauf und die Sicht nach draussen ist deutlich besser als bei den meisten Sportwagen, die dem RS folgten.
Mysterium
Der gefahrene 911 Carrera RS 2.7 mit Chassis-Nummer 911.360.0584 ist ein wenig ein Mysterium. Gemäss dem RS-Buch von Dr. Thomas Gruber und Dr. Georg Konradsheim wurde er im Februar 1973 als 584. Exemplar und als einer von 245 nach Italien gelieferten Wagen in Blutorange (gab’s 126 Mal beim RS) ausgeliefert. Als Optionen waren die Ausführung M472 (Touring-Paket) und 409 (Sportsitze links und rechts) spezifiziert, zudem wies der Wagen die italien-spezifische Ausstattung auf, was z.B. das Weglassen des fahrerseitigen Aussenspiegels (später nachgerüstet) bedeutete.
Ob sich dies genau so abspielte, oder ob der Besitzer bereits damals auf eine Mischung aus Touring- und Sportpaket beharrte, ist unklar. Heute jedenfalls sind die leichten Kunststoff-Stossstangen und Fenster (wie beim Sport-Modell), aber die Innenausstattungselemente des Touring-Pakets (472) montiert.
Nach einigen Jahren in Italien gelangte der Wagen in die USA, wo er bis 1990 blieb. Dann kam der Wagen wieder zurück nach Europa, bereits mit zusätzlichen Ölkühler, zeitgenössischen König-Schalensitzen und Überrollkäfig ausgerüstet. Das originale Autoradio und die ursprünglichen Innenraumteppiche sind aber immer noch montiert. Ein Fahrerauto ohne “wenn” oder “aber”.
“Hat der Carrera RS diese Ausnahmestellung wirklich verdient?”, fragten wir eingangs und man kann diese Frage nur mit “ja” beantworten, davon ist jeder überzeugt, der sich schon einmal hinter das Lenkrad des Wagens setzen durfte.
Vergleich von vier Porsche-Modellen
Fahrzeug | 911 S 2.4 | Carrera RS 2.7 | 911 Turbo 930 | 964 RS |
---|---|---|---|---|
Jahr | 1972 | 1972 | 1975 | 1991 |
Hubraum ccm | 2341 | 2687 | 2992 | 3600 |
PS | 190 | 210 | 260 | 260 |
bei U/min | 6500 | 6300 | 5500 | 6200 |
max Drehmoment mkg | 22 | 26 | 35 | 33 |
bei U/min | 5200 | 5100 | 4000 | 4800 |
Anzahl Gänge | 5 | 5 | 4 | 5 |
Felgen vorne | 6 J x 15 | 6 J x 15 | 7 J x 15 | 7.5 J 17 |
Felgen hinten | 6 J x 15 | 7 J x 15 | 8 J x 15 | 9 J 17 |
Reifen vorne | 185/70 VR 15 | 185/70 VR 15 | 185/70 VR 15 | 205/55 ZR 17 |
Reifen hinten | 185/70 VR 15 | 215/60 VR 15 | 215/60 VR 15 | 255/40 ZR 17 |
Länge cm | 414.7 | 410.2 | 429.1 | 427.5 |
Breite cm | 161 | 165.2 | 177.5 | 165.2 |
Höhe cm | 132 | 132 | 132 | 127 |
Gewicht (vollget.) kg | 1110 | 1010 | 1210 | 1225 |
Leistungsgewicht kg/PS | 5.8 | 4.8 | 4.7 | 4.7 |
0 bis 100 km/h in s | 7.4 | 5.7 | 5.2 | 5.2 |
0 bis 180 km/h in s | 23 | 17.6 | 15 | 14.7 |
Vmax km/h | 231.4 | 240 | 250 | 263 |
Innengeräusch bei 100 km/h dBA | 76 | 74 | 74 | 77 |
Testverbrauch pro 100 km | 16.9 | 17.3 | 20.9 | 14.9 |
Neupreis DM | 31150 | 34000 | 65800 | 145450 |
Neupreis CHF | 41850 | 46150 | 78650 | 133000 |
Exemplare gebaut | 5603 | 1580 | 2876 | 1989 |
Classic Data Zust 2 (2018) EUR | 147000 | 510000 | 160000 | 170000 |
Am 16. Juni 2018 kommt der abgebildete blutorange Porsche 911 Carrera RS 2.7 von 1973 an der Versteigerung der Oldtimer-Galerie Toffen auf dem Dolder unter den Hammer, eingeschätzt auf CHF 550’000 bis 650’000.
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 24 / 1973 vom 31.Mai.1973 - Seite 17: Test Porsche Carrera RS (Touring)
- auto motor und sport / Nr. 22 / 1972 - Seite 42: Vorstellung Porsche 911 Carrera RS
- auto motor und sport / Nr. 4 / 1973 - Seite 48: Test Porsche 911 Carrera RS 2.7 - Intensivstation
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Warum ist der Porsche 911 Carrera 2.7 911/83 1975 210 PS
MFI,G Modell mit RS Technik so unbekannt
LG
Sani
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