Zweisitzig, keilförmig, flach, von vorne wie ein Lamborghini aussehend, so stellt man sich teure Supersportwagen vor. Dass Fiat anfangs der Siebzigerjahre einen alltagstauglichen Sportwagen mit den genannten Charakteristiken am untersten Ende des fünfstelligen Preisspektrums vorstellte, muss daher überraschen.

Bertone, Autobianchi, Fiat
Bereits im Herbst 1969 zeigte Bertone eine Studie, die die Presse als “atemberaubend” beschrieb:
“Der raketengleich aussehende Spider namens Runabout Barchetta birgt im Heck den Motor des frontgetriebenen Autobianchi A 112 und zeigt sich mit farbig gestreiften Polstern und Kopfstützen. Die Scheinwerfer an diesem in Weiss und Rot gehaltenen, äusserst futuristisch anmutenden Fahrzeug sind aussen am Überrollbügel eingelassen!”
Das Design stammte von Bertones Hauszeichner Marcello Gandini und natürlich hatte der Firmenbesitzer mit grösserer Sicherheit schon damals die Absicht, einen Nachfolger für den bei Bertone gebauten Fiat 850 Spider zu realisieren, zumal die technischen Komponenten des Fiat 128 deutlich besser zum keilförmigen Sportwagen passten als jene von Autobianchi.
Es sollten aber noch drei weitere Jahre vergehen, bis die Presse in Sizilien (auf der Targa-Florio-Rennstrecke) erstmals den Fiat X 1/9 probefahren durfte.
In diesen drei Jahren war einiges passiert und viele der exaltierten Designelemente mussten der Strassen- und Serientauglichkeit geopfert werden. In der Linienführung blieb allerdings einiges ähnlich wie beim Runabout, z.B. die radikale Keilform und der integrierte Überrollbügel.
Kein Plattformauto
Zwar nutzte der Fiat X 1/9 die Technik des Fiat 128, in der Konzeption erinnerte allerdings nur wenig an die kleine Familienlimousine. Die Frontantriebseinheit des 128 fand zwischen den ungelenkten Hinterrädern grosszügige Platzverhältnisse vor. Motor, Kupplung und Getriebe konnten axial hintereinander angeordnet werden, während das an das Getriebegehäuse angeblockte Differential nach hinten versetzt in einer zweiten Ebene angesiedelt wurde.
Zugunsten der Passagiere wurde der Motor vergleichsweise weit hinten, fast über der Hinterachse, eingebaut. Dies ermöglichte es, zwischen Motor und Sitzen noch Platz für einen 48 Liter grossen Tank und Reserverad (hinter Beifahrersitz) zu schaffen.
Die vorderen Aufhängungselemente konnten weitgehend vom Fiat 128 Sport Coupé übernommen werden, hinten kam eine ähnlich konzipierte Eigenentwicklung zum Zug. Rundum waren die Räder einzeln aufgehängt, gebremst wurde mit vier Scheiben. Eine Zahnstangenlenkung komplettiert das sportliche Paket.
Die Leistungsdaten überzeugten: 75 PS bei 6000 Umdrehungen und 880 kg Leergewicht wurden spezifiziert, 13 Sekunden für den Sprint von 0 bis 100 km/h und 170 km/h Spitze in Aussicht gestellt.
Verblüffend praktisch
Die selbsttragende Karosserie zeigte sich deutlich alltagstauglicher, als man es aufgrund der Mittelmotoranordnung und der knappen Dimensionen hätte vermuten können. Zwei Kofferräume mit insgesamt fast 400 Liter Fassungsvermögen erlaubten die Unterbringung auch grösserer Gepäckstücke. Zwei auch grössere Personen fanden gut Platz im Innern, vermissten allerdings die eine oder andere Ablagefläche.
Die Fahrleistungen, die von der Fachpresse dokumentiert wurden, wichen nur leicht von den Erwartungen ab (AR [in Klammer AMS]: 0 bis 100 km/h 13,7 s [12,4 s], 171,5 km/h [169,8 km/h]) und das Fahrverhalten wurde mit “wieselflink und sicher” beschrieben. Noch nicht einmal der Verbrauch sprengte mit 10,1 Liter pro 100 km die Vernunftsgrenze, zumal der Wagen mit einem Neupreis von DM 11’285 oder CHF 14’650 vergleichsweise preisgünstig war.
Götz Leyrer von Auto Motor und Sport befand diesen Preis allerdings immer noch als hoch: “Das ist ziemlich viel, wenn man in ihm nur ein kleines Auto sieht, das bloß zwei Personen befördern kann und dessen Motor nur 1,3 Liter groß ist. Wenn man allerdings bedenkt, daß es schon immer teurer war, einen offenen Sportwagen zu besitzen, kann der X 1/9 als preisgünstiges Angebot gelten: Vergleichbare Autos sind entweder erheblich teurer oder weniger reizvoll als dieser neue Fiat.”
Als Vorzüge strich Leyrer die ansprechende Karosserieform, die guten Fahrleistungen, den geringen Verbrauch und die exakte, leichtgängige Schaltung heraus, während die Übersteuerungsneigung im Grenzbereich und der begrenzte Kofferraum als negative Kritik aufgeführt wurden.
Ab 1976 exklusiv
Im Jahr 1976 erschien eine Sonderversion des Fiat X 1/9, genannt “Exclusiv”. Grund dafür waren die bis zu jenem Zeitpunkt 50’000 gebauten Exemplare. Die Sonderausführung unterschied sich durch eine serienmässige Metallic-Lackierung, gestreifte Sitzpolster, breitere Reifen (165/70 SR 13 anstatt 145 HR 13) sowie diverse Dekorationen vom normalen X 1/9. Technisch allerdings blieb alles beim alten, ausser dass die Motorleistung inzwischen wegen Entgiftungseingriffen um zwei PS gesunken war.
DM 14’340 kostete die Sonderausführung und sie war damit etwa gleich teuer wie ein VW Scirocco GL, hatte diesem aber, wie der Name ja bereits andeutete, einiges an Exklusivität voraus.
Ein erheblicher Anteil der Fiat X 1/9 ging in die USA, deren Gesetze ja indirekt auch der Auslöser für den Entwurf gewesen waren. Tatsächlich gelang es Fiat als einzigem Hersteller schon bei der Vorstellung des X 1/9 die amerikanischen Sicherheitsvorschriften von 1975 zu erfüllen.
Facelift im Jahr 1978
Im November 1978 wurde ein umfangreich überarbeiteter X 1/9 angekündigt. Er hatte den 1,5-Liter-Motor des Ritmo mit 86 PS an Bord und wurde nun mit Fünfganggetriebe ausgerüstet.
Auch von Aussen war die modellgepflegte Version sofort zu erkennen, so orientierten sich die Stossfänger nun an den bereits in den USA gebräuchlichen Varianten. Im Gegensatz zu vielen anderen Sportwagen wirkte diese Adaption aber beim Fiat durchaus gefällig, liess ihn sogar etwas bulliger aussehen.
Zwar war der Mittelmotor-Fiat etwas schwerer (935 kg) geworden, die Mehrleistung liess ihn aber trotzdem nochmals an Dynamik zulegen. Die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h schaffte der X 1/9 Five Speed nun in 11,1 Sekunden, als Spitze wurden von der Automobil Revue 175 km/h notiert. Dabei war der Sportwagen sogar noch sparsamer geworden. Bei konstant 100 km/h reichten 6,4 Liter Super pro 100 km, im Test verbrauchten die Redakteure durchschnittlich 10,1 Liter pro 100 km.
“Mit dem leistungsfähigeren 1,5-Liter-Motor und dem Fünfganggetriebe ist der Fiat X 1/9 zwar «erwachsener» geworden, aber er ist nach wie vor ein budgetfreundlicher Zweisitzer für Junge und Junggebliebene, die die Freude am Fahren noch nicht verloren haben. Mit dem 85-PS-Motor scheint uns das Optimum erreicht zu sein; auch nach nunmehr sieben Jahren Bauzeit ist jedoch in manchen Details, so im Innenraum, Platz für Verbesserungen”, lautete die Testzusammenfassung der AR. Kritisiert wurden insbesondere die vom Ritmo übernommenen Schalter, denen man die jeweilige Position nicht auf den ersten Blick ansah.
Nicht erwähnt wurde der unattraktive Schalthebelknopf, der einen an Schleckzeug erinnerte. Kein Wunder gehörte dieser Knauf meist zu den ersten Dingen, die ein X 1/-9-Besitzer an seinem Auto austauschte.
Weiterhin war der X 1/9 aber ein günstiges Auto, er kostete in der Schweiz CHF 17’150, in Deutschland DM 16’290.
Auf Augenhöhe mit der Konkurrenz
Dass er auch nach siebenjähriger Bauzeit noch mit teilweise deutlich jüngeren Konkurrenten mithalten konnte, bewies der X 1/9 im AMS-Vergleichstest gegen VW Scirocco GT (85 PS), Alfa Romeo Alfasud Sprint 1.5 und Matra-Simca Bagheera X, die alle auf etwa die gleiche Leistung kamen. Auch preislich lagen die Autos mit Ausnahme des Bagheera praktisch gleichauf.
Dass der Fiat die Karosseriewertung nicht gewinnen konnte, versteht sich angesichts der knappen Raumverhältnisse von selber, bei den Fahrwerkseigenschaften aber schwang er zusammen mit dem Alfasud Sprint oben auf.
Eine eindeutige Rangliste gab es schlussendlich nicht, denn “gerade bei Automobilen vom Genre der vier kleinen Sportwagen stehe die subjektive Wertschätzung beim Kaufentscheid ganz obenan – Jugendstil sei in erster Linie Geschmackssache”, meinten die Vergleichstestautoren. Wie recht sie hatten!
Bertone ohne Fiat
Schliesslich aber erlahmte das Interesse des Autokonzerns Fiat am X 1/9. Man übertrug die Produktionsverantwortung an Bertone, der den Wagen als Bertone X 1/9 aber 1982 weiter anbot. Die letzten Fahrzeuge wurden im Jahr 1989 gebaut. Insgesamt waren fast 160’000 X 1/9 hergestellt worden, ein Achtel davon ungefähr unter dem Namen Bertone. Zum Vorgänger 850 Spider mit rund 140’000 gebauten Exemplaren hatte man sich jedenfalls gesteigert.
Auch Sonderversionen hatte es noch einige gegeben. Sie erfreuten sich grosser Beliebtheit.
Bleibt noch zu erklären, woher eigentlich die ungewöhnliche Typenbezeichnung kam. Es war schlicht der interne Projektcode, der unverändert zum Namen wurde.
Kompakt und agil
Wie kompakt der Fiat X 1/9 ist, merkt man, wenn man sich direkt davor stellt. Nur 397 cm misst der Wagen in der länge, 157 cm in der Breite und 118 cm in der Höhe, ein VW Polo ist deutlich ausladender.
Der Umgang mit dem Fiat X 1/9 macht Spass. In gerade einmal 20 Sekunden ist das Dach entfernt, für das sorgfältige Verstauen im vorderen Kofferraum muss allerdings noch einiges an Zusatzzeit eingeplant werden, zumal das Dach sperrig und kein Federgewicht ist.
Einstieg und Ausstieg gelingen auf Anhieb, vor allem wenn das Dach entfernt ist.
Einmal Platz im offenen Fiat genommen, geniesst man den freien Himmel und die durch die Fensteröffnung flexibel einstellbare Belüftung – vom kleinen Lüftchen, das die Kopfhaut bestreicht, bis zum Orkan.
Man sitzt sportlich, aber bequem im X 1/9. Mittelmotortypisch verhält sich der Wagen agil, die Lenkung geht leicht. Die fünf Gänge des “Five Speed” lassen sich exakt sortieren, das Motorgeräusch ist fiat-typisch luftig und melodiös.
Für eine Wochenendausfahrt ist der kleine Sportwagen bestens gerüstet und auch der Benzinverbrauch steht längeren Ausfahrten nicht entgegen.
Wir danken der Oldtimer Galerie in Toffen für die Gelegenheit zur Probefahrt. Der Fiat X 1/9 von 1979 wird am 30. März 2019 versteigert.
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 47 / 1969 vom 06.Nov.1969 - Seite 3: Turiner Autosalon
- AR-Zeitung Nr. 50 / 1972 vom 30.Nov.1972 - Seite 33: Neu aus Turin - Fiat X 1/9
- auto motor und sport / Nr. 1 / 1973 - Seite 30: Vorstellung Fiat X 1/9 - Mittellage
- AR-Zeitung Nr. 2 / 1973 vom 11.Jan.1973 - Seite 17: Am Lenkrad des Fiat X 1/9
- AR-Zeitung Nr. 38 / 1973 vom 06.Sep.1973 - Seite 17: Test Fiat X 1/9
- auto motor und sport / Nr. 20 / 1973 - Seite 112: Test Fiat X 1/9 - Mitte zum Zweck
- auto motor und sport / Nr. 22 / 1976 - Seite 84: Sonderausgabe - Test Fiat X 1/9 Exclusive
- auto motor und sport / Nr. 25 / 1978 - Seite 24: Fiat X 1/9 jetzt mit fünf Gängen
- AR-Zeitung Nr. 28 / 1979 vom 05.Jul.1979 - Seite 15: Kurztest Fiat X 1/9 1500
- auto motor und sport / Nr. 12 / 1979 - Seite 154: Jugendstil - vier Sportwagen für junge Leute
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Tolles Fahrzeug zu dieser Zeit! Und total unbekannt unter dem Merkenname BERTONE.
Daher hatte ich auch da Glück ein "Edelknöllchen" wg. Falschparken zu bekommen...........*freu*
Textauszug der Straßenverkehrbehörde: als Halter des Fahrzeugs: Ferrari mit dem amtlichen Kennzeichen: **-X19, folgende Ordnungswidrigkeit begangen zu haben.
Toll, das Knöllchen habe ich heute noch! :-)
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Der erste Interessent zeigte sich von dem Wagen angetan und wollte noch einen Blick auf den Motor werfen. Die Frau ging nach vorne und öffnete die Fronthaube: "Oh, da ist er nicht!"
Ach ja, der Motor ist hinten. Dort öffnete sie die Heckklappe: "Oh, da ist er auch nicht!"
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