Vor genau 50 Jahren fand auf der Solitude, einem 11,71 km langen Rundkurs, eingebettet in die Landschaft südwestlich von Stuttgart, das letzte Rennen statt. Seit einigen Jahren wird den glorreichen Tagen mit dem Solitude Revival gedacht, am 17. bis 19. Juli 2015 war es wieder einmal soweit.
Und die Organisatoren hatten sich einiges ausgedacht, um die Erinnerungen an die grossen Tage des Solitude-Rings aufleben zu lassen. Die Originalrennstrecke konnte, soweit möglich, komplett wieder befahren werden und die grossen Fahrzeughersteller Porsche und Mercedes-Benz hatten ihre Unterstützung zugesagt und feine Fahrzeuge mit ins Fahrerlager beim Glemseck gebracht.
Später Start, frühes Ende
Trotz aller Vorbereitung verlief der Start der Veranstaltung zögerlich, Runden wurden gestrichen, Zuschauer warteten geduldig. Umso hastiger dann der Abbruch am Sonntag, nachdem der Fahrer eines Ronart-Jaguar, einem den Formel-1-Rennwagen der Vierziger- und Fünfzigerjahre nachempfundener Sportwagen mit Jaguar-Mechanik, in einer langgezogenen Kurve die Kontrolle über den Wagen verloren hatte und die Strecke über die Strohballen verliess, sich überschlug und erst im Waldstück dahinter zum Stehen kam. Die Besatzung, es war auch ein Beifahrer an Bord, verletzte sich schwer, aber auch die Streckenposten erlitten durch die herumfliegenden Strohballen Verletzungen, die allerdings weniger schwer waren als beim Fahrer. Die Rennleitung entschloss sich zum sofortigen Abbruch, was in Anbetracht der Situation sicherlich richtig war.
Gut besucht
Schon der Samstag bei teilweise sonnigem und schwülem Wetter war gut besucht, auch am Sonntag strömten viele Zuschauer ans Glemseck. Insgesamt sollen rund 10’000 Besucher gezählt worden sein. Und es wurde ihnen auch einiges geboten.
Test- und Rennstrecke
Der Solitude-Ring zählte zu den Naturrennstrecken, d.h. seine Streckenführung war in die bestehende Topografie eingepasst worden. Vergleichen kann man dies mit der Nordschleife des Nürburgrings. Und ähnlich wie jener waren es auch Sicherheitsüberlegungen, die der Strecke 1965 den Garaus machten. Anders als der Nürburgring, wurden aber Teile renaturiert.
In den Fünfziger- und Sechzigerjahren war die Solitude nicht nur eine Rennstrecke gewesen, sondern wurde auch gerne und viel für Testfahrten genutzt, sei es von der Motor-Presse oder auch von den Fahrzeugherstellern, die ihre Renn- und Sportwagen dort harten Prüfungen unterziehen konnten. So fiel auch der 1953 inoffiziell der Rundenrekord, als der junge Hans Herrmann auf einem W194-Nachfolger, genannt “Hobel” bei Testfahrten schneller als jeder zuvor fuhr. Dieser “Hobel” drehte dann auch 2015 wieder seine Runden.
Die Helden von damals
Gefeiert wurden natürlich nicht nur Fahrzeuge, sondern auch die Menschen, die diese Autos zum Erfolg fuhren. Einer von ihnen ist Kurt Ahrens, der am 19. April 2015 seinen 75. Geburtstag feiern konnte. Der ehemalige Prototypen- und Formel-Pilot nahm zweimal mit dem Porsche 917 bei den 24 Stunden von Le Mans teil, schied allerdings beide Male mit technischem Defekt aus. Zu seinen grössten Siege zählt der Erfolg beim Rennen über 1000 km in Zeltweg im Jahr 1969 (mit Jo Siffert) und bei den 1000 km Nürburgring von 1970 (mit Vic Elford.
Schön, dass sich der rüstige Rentner, zusammen mit der zweiten Solitude-Legende Hans Herrmann, auch 2015 in einen Porsche setzte und einige Demonstrationsrunden fuhr. Noch schöner, dass ihm eine ganze Parade gewidmet wurde.
Die legendären Fahrzeuge von damals
Natürlich sind es vor allem die legendären Rennfahrzeuge von damals, die auch heute beim Publikum ziehen. Wenn dann Porsche im Rahmen des “Endurance-Revivals” ein ganzes Rudel ehemaliger Le-Mans-Rennfahrzeuge aufbietet, dann ist dies sicherlich nach dem Geschmack der Zuschauer.
Der Porsche 917, der 1970 das Rennen in Le Mans gewonnen hatte, war genauso mit von Partie wie diverse Porsche 550, RS60, 904, 906, 907, 908 und 910, die über die Jahre zuvor mit zahlreichen Klassensiegen den grossen Gesamtsieg vorbereitet hatten. Begleitet wurden diese Wagen von anderen Langstrecken- und Sportwagen-Legenden.
Freistehende Räder wie damals
Ebenfalls für viel Aufmerksamkeit sorgten die Formel-Fahrzeuge, die unter dem Titel “Grand Prix Revival” um die Strecke donnerten. Etliche ehemalige Solitude-Fahrzeuge waren am Start, so etwa der Brabham BT3 Climax von 1962, der 1963 schon um die Hedersbach-Kurve pfeilte oder der Porsche 718 F2 von 1960, der 1960 beim Mercedes-Zeitnahmehäuschen startete. Monoposti der Formel 1, 2, 3 und Formel Junior sowie weiterer Rennklassen verschiedenster Baujahre liessen die Rennatmosphäre der Sechzigerjahre wieder hochleben.
Für viel Begeisterung sorgten aber auch die Motorräder, die halt besonders spektakulär um die Kurven toben können. Ebenso reizvoll für das Auge waren die Gespanne, für eine kurze Zeit glaubte man sich in die alte Solitude-Zeit zurückversetzt...
Bunter Mix bei den Tourenwagen
Es gab Zuschauer, die einfach Lust auf "historische Luft" verspürten und sich gerne in alte Zeiten zurückversetzen liessen. Andere kamen wegen den Vorkriegsfahrzeugen, oder nur wegen den Motorrädern... nochmals andere kamen aber vor allem wegen dem abwechslungsreichen Tourenwagen Feld, das natürlich auch dieses Jahr in vollem Umfang am Start war. Schade allerdings, dass ein Feld von BMW 700 oder FMR Tiger, wie es damals vorkam, heute nicht mehr möglich ist.
Unterhaltung im Fahrerlager
Eigentlich hätte man sich auch den ganzen Tag im Fahrerlager aufhalten können, so viel Nähe zu den Rennwagen und Rennfahrern begeistert einfach immer wieder erneut und beim Solitude Revival empfand man das Fahrerlager durch seine grosszügige Auslegung auf dem ADAC Verkehrsübungsgelände besonders entspannend.
Die Fahrzeugstandorte waren natürlich nach den eingeteilten Feldern geordnet, so gab es pro Feld mehrere Zelte, wo die Rennwagen nochmals überprüft oder poliert wurden...
Solitude Revival 2017?
Wird das Solitude Revival in zwei Jahren wieder stattfinden? Wir hoffen es. Kann es noch verbessert werden? Sicherlich, aber man darf die Arbeit der Organisatoren nicht unterschätzen, denn in den heutigen Zeiten ist die Planung eines derartigen Grossanlasses höchst anspruchsvoll und man würde nicht glauben, wieviele Leute und Ämter da mitsprechen wollen. Da wundert man sich dann, wie es überhaupt möglich war, vor 50 Jahren einen Anlass für 200’000 und mehr Zuschauer zu organisieren. Aber eben, das waren andere Zeiten und am Revival leben sie wieder auf, wenigstens ein wenig.
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