Schon zur Präsentation auf der IAA 1969 gingen die Meinungen zum VW-Porsche 914 ganz weit auseinander. Zu wenig Porsche, zu viel VW – zu wenig VW dank Porsche Preisen. Glückliche Geburten werden anders kommentiert.
Stand schon die Geburt unter keinem guten Stern, verlief auch die weitere Entwicklung eher holprig. Als Porsche selbst nach Sporterfolgen nicht akzeptiert, fristete das schwarze Schaf der Familie VW-Porsche ein Nischendasein in den Showrooms und war letztlich nur in den USA wirklich erfolgreich. Kein Wunder. Da durfte der 914 auch ein reinrassiger Porsche bleiben, selbst mit Typ 4 Motor von VW. Pünktlich zum 50 jährigen Jubiläum ist in der Porsche Museum Edition ein Buch zur Geschichte erschienen. Ob es eine Leidens- oder Erfolgsgeschichte war, erklären die nächsten Zeilen.
914, der Code der nie richtig zog
„50 Jahre Porsche 914“, die Betonung liegt auf Porsche, selbstverständlich klammert man in Stuttgart das VW soweit wie möglich aus. Ein sehr bewusster Rückblick also auf die eigene Entwicklung, die dem Unternehmen immer mehr aus den Händen glitt und als echter Porsche - sprich mit Porschemotor - nur ein in wenigen Tausend Exemplaren auf die Strasse kam. Über 200 Seiten kommen trotzdem und dank grosszügiger Bebilderung trotzdem zusammen.
Autor des Buches ist Jürgen Lewandowski, der auch schon die Geschichte des Porsche 911 und 912 aufzeichnete. Doch im Gegensatz zu diesen beiden Büchern, steht beim 914-Buch nicht die Genese des Fahrzeugs bis zur Serienreife im Mittelpunkt, sondern deutlich stärker der Weg bis zur Fertigungsaufgabe. Von Beginn des Buches an begleitet einen als Leser die Trauer um den unterschätzten Wagen, der dann am Ende des Buches Mitte der Siebzigerjahre ans Ende seiner Produktionstage anlangt.
Ein Porsche ist ein Porsche, ein VW ein VW
Schon kurz nach der Präsentation des 911er war klar: im Gegensatz zum 356er war man preislich in einer anderen Liga gelandet. Da konnte auch der schnell nachgereichte 912 mit dem Vierzylinder nicht wirklich dran rütteln. Ein günstiges Einstiegsmodell musste her. Aber womit bezahlen. Porsche hatte die Karosseriefabrik Reutter übernommen und den 911 als ersehnten 356er Nachfolger auf die Strasse gebracht. Motorsport kostete Geld. Für ein günstiges Einsteigermodell, das der leichte 914 für Porsche sein sollte, war kein Geld da.
Zum Glück waren die Bande zwischen Stuttgart und Wolfsburg eng geschnürt. Per Handschlag wurde noch mit VW-Chef Nordhoff vereinbart, dass Porsche eine Sportwagen-Konstruktion für VW entwickelt und nebst der Vergütung der Arbeit auch die Karosserie für eine eigene Zwecke verwenden darf.
Bis zum überraschenden Tod des VW Direktors im Frühjahr 1968 war die Welt des 914ers noch in Ordnung. Und sowenig wie die Auftragsvergabe eindeutig dokumentiert ist, lässt sich auch die Entwicklungsgeschichte des 914ers nur anhand weniger Modellstudien nachvollziehen. Dabei kennt der 914er kein Vorgängermodell und keinen wirklichen Nachfolger. Umso spannender die spärlichen Erkenntnisse zur Entstehungsgeschichte des Designs, dass durch ein Interview mit Porsche Designchef Michael Mauer sowie den verfügbaren Bildern des Archivs trotzdem so etwas wie eine Einordnung in die Porsche Geschichte ermöglicht.
Klare Linie - schlecht vermarktet
Alles ändert sich mit dem neuen VW Chef Kurt Lotz. Dieser braucht Erfolge und Glamour. Glanz soll von Porsches luftgekühlten Erfolgen stärker auf VW abstrahlen. Der 914 soll als Bastard beide Familiennamen tragen und kommt als VW-Porsche 914 auf die Welt. Im Buch wird die ganze Tragik dieser Entscheidung deutlich ausgebreitet, aber nur wer die Volkswagengeschichte sehr detailliert kennt, kann das dahinter stehende Drama wirklich verstehen. Lewandoski gelingt es hier, die wesentlichen Interessen dank intensiver Recherche bei VW und Porsche gegeneinander abzugrenzen.
Für Porsche bedeutet dieser Entscheid im Grunde schon den Anfang vom Ende des 914er Erfolges. Porsche Puristen mit und ohne Porsche (dafür mit VW) rümpften ob dem VW-Logo am Heck die Nase. Preislich trieben die VW-Wünsche den Endpreis immer weiter in die Höhe und am Ende war der Porsche 914 fast so teuer wie der kleinste 911er. Nach drei Jahren und wenigen tausend Exemplaren war das Abenteuer für Porsche beendet. Auf der Volkswagenseite stehen sich die Interessen an dem Modell und die Hausaufgaben dagegen im Weg. Gerade hatte man die Auto Union übernommen und mit NSU auch eine zweite Tochter im Haus. Glücklicherweise war man dadurch mit zwei exzellenten Entwicklungsabteilungen versehen, um die Stagnation in Wolfsburg aufzubrechen: Nur fünf Jahre nach der VW-Porsche Präsentation bestand die Modellpalette in Wolfsburg aus wassergekühlten Frontantriebsmodellen.
Das 914er Modell war bereits bei seiner Präsentation auch aus VW-Sicht ein Auslaufmodell. Dass der VW-Porsche 914 dann auch für zwei Hersteller auf den Messeständen seine Kreise drehte, wollte und konnte man zumindest in Europa nie recht verstehen. Aber die Fehler lagen auf der Vertriebsseite. Die VW-Porsche Vertriebsgesellschaft war paritätisch besetzt, Entscheidungen konnten nur einstimmig getroffen werden. Am Ende landete man meist bei schlechten Kompromissen, die noch schlechter für den 914 waren als für die, die sie zustande brachten.
Man merkt allerdings auch, dass der Autor im Detail zu wenig mit der VW-Geschichte vertraut ist. Da schleichen sich dann schon mal Oberflächlichkeiten ein, beispielsweise wenn es um Überlegungen geht, den 914er mit Wankel- oder anderen Audi-Motoren auszustatten. Gejammer auf hohem Niveau, in der Tat, aber für den Kenner keine Marginalie. Letztlich ging es darum, den Porsche 914 mit dem überarbeiteten 1,9 Liter-Motor aus dem Audi 100 zu versehen, der auf 2 Liter aufgebohrt auch einen neuen Zylinderkopf erhielt. Und so später im Porsche 924 verwendet wurde. Zusammenhänge, die das Buch als Standardwerk zum 914er nicht zusammenbringt.
Erfolgs- oder Leidensgeschichte
Oft wurde dem Porsche 914 das Sportwagenpotential abgesprochen. Dabei hatte Porsche-Entwicklungschef Piëch gleich zu Beginn mit dem Porsche 914 S aufgezeigt, dass auch 300 Renn-PS aus dem Porsche 908 den Mittelmotorsportler nicht aus der Ruhe bringen. Als man bei Porsche anfangs der Siebzigerjahre versuchte die Absatzschwäche durch den Einbau stärkerer Motoren als 916 zu vermarkten, stellte man schnell fest, dass die Kiste am Ende 25% teurer werden würde als ein gleich starker 911er. Grund hierfür waren vor allem die Herstellungsprozesse bei Karmann und die Vertriebsstrategie bei VW. So war dem Porsche 914 in Europa nur eine kurze Lebenszeit vergönnt, während er in den USA als reinrassiger Porsche trotz sich abzeichnender verschärfter Abgas- und Sicherheitsanforderungen auch mit den Typ-4 Motoren von Volkswagen durchaus passable Absätze verbuchen konnte und noch bis 1975 im Programm bleiben durfte.
Mehr als 100’000 Exemplare in gut fünf Jahren sind ein beeindruckender Absatz. Der Porsche 924 konnte mit deutlich besseren Startbedingungen in den ersten fünf Jahren keine besseren Verkaufszahlen vorweisen. Gleichwohl: dem 914er Erfolg steht immer das Leid seiner Eltern im Weg. Unterm Strich war das Modell für Volkswagen stets uninteressant und für Porsche nie wirklich lukrativ.
Was am Ende bleibt
„Es war eine so kleine Sache, dass Volkswagen sie nicht aus der Nähe verfolgte.“, resümiert Ferry Porsche in seinen Memoiren über das Kapitel 914. Seine Sicht auf die Haltung von Volkswagen spiegelt wahrscheinlich nur die Hälfte zum Kapitel 914 bei. Aber natürlich stellt sich die Frage, was wäre gewesen, wenn Porsche freie Hand beim 914er gehabt hätte? Erfolg hätte sich bei einem Einstiegsmodell unbedingt über den Preis einstellen müssen. Die Preisliste hätte deutlich unter dem 911er enden müssen. Andererseits war Porsche als Kleinserienhersteller eher in der Lage, einer geringen Auflage noch Gewinn abzutrotzen.
Leider wird es nie eine Antwort auf diese Frage geben. Es bleibt die Erkenntnis, dass der Versuch von Porsche, mit dem 916 doch noch einen stärkeren und besseren 914/6 zu vermarkten, zwei Wochen vor der Vorstellung auf dem Pariser Autosalon wieder zurückgezogen wird. Zwar hatte man bei VW gönnerhaft zugestanden, den 916er als Porsche vermarkten zu dürfen, aber in Stuttgart stellte man fest: Zu aufwändig, zu teuer, wegen der sich verschärfenden Abgasgesetzgebung in den USA nicht zu verkaufen und zudem auch stückzahlenmässig nicht attraktiv.
Alle Versuche, die Geburtswehen hinter sich zu lassen, scheitern beim Porsche 914 letztlich irgendwie immer an der spät und damit verhängnisvoll definierten Verbindung zu VW. Schon 1972 endet die 914 Produktion für die 6-Zylinder-Porsche. Da hatte man sich in Stuttgart bereits der wassergekühlten Transaxle-Lösung zugewandt und investierte in die Zukunft von 924 (notabene auch von Volkswagen beauftragt) und 928. Dazu verlor der 914 mit dem Abgang von Ferdinand Piëch wahrscheinlich seinen grössten Mentor im Hause Porsche. Mittelmotor und viel Leistung: im Rennsport hatte er die Erfolgsformel vorgerechnet, dem 914 fehlte aus Piëch-Sicht einfach nur der richtige Motor.
Das Beste zum Schluss
Jürgen Lewandowski gelingt es trotz des spärlich vorhanden Materials, die Entwicklungsgeschichte des Porsche 914 und damit auch des VW-Porsche 914 für den Leser darzustellen. Gerade aus unternehmenshistorischer Sicht ist der VW-Porsche 914 neben beispielsweise den VW K 70, ein Paradebeispiel für die Ambitionen von Volkswagen, das Image des Käfer-Monopolisten irgendwie hinter sich zu lassen.
Auch wenn man im Vergleich zu anderen Porsche Büchern zur Entwicklungsgeschichte mit wenig zufrieden sein muss, so ist das dünne Eis der speziellen Genese des Fahrzeugs geschuldet. Dafür gelingt es dem Autor die weitere Modellgeschichte aus Sicht von Porsche und in genügend Abgrenzung zu Volkswagen bis zur Entscheidung der Fertigungseinstellung ausführlich darzustellen.
Kenner wissen, es gibt im Gegensatz zum 911er nur wenig Literatur zum 914er, dieses Buch schliesst damit eine Lücke. Und es ist nicht anzunehmen, dass noch viel mehr erwartet werden kann.
Reich bebildert, ausführlich auch auf die motorsportlichen Ambitionen mit dem 914er eingehend, kann auch dieses Jubiläumsbuch nicht verhehlen, dass der 914er letztlich nur ein Versuch war. Ein Versuch, der trotz guter Absatzzahlen nie einen Nachfolger fand. Umso lohender ist es, sich mit dem Porsche 914 auseinanderzusetzen. Gerade weil das Fahrzeug auf den ersten Blick so gar nicht in die Porsche Geschichte passen mag, gelingt es in diesem Buch durchaus, die intensive Auseinandersetzung in Stuttgart zu diesem Modell zu dokumentieren. Auch wenn sie letztlich tragisch war, sind die EUR 49,90 gut investiertes Geld in ein sauber recherchiertes Buch.
Bibliografische Angaben
- Titel: 50 Jahre Porsche 914
- Autor: Jürgen Lewandowski
- Sprache: Deutsch
- Verlag: Delius Klasing
- Auflage: 1. Auflage 2019
- Format: Gebunden, 232 x 271 mm
- Umfang: 224 Seiten, 190 Fotos und Abbildungen
- ISBN: 978-3-667-11586-7
- Preis: EUR 49,90,
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