Das erste Autorennen wurde 1894 zwar im französischen Rouen ausgetragen. Schon längst haben sich die Engländer das Attribut "Heart of motor racing" erobert, und augenscheinlich können nur sie es so richtig zelebrieren: Das alljährlich im September stattfindende Goodwood-Revival ist weltweit der absolute Höhepunkt des Oldtimer-Rennsportes.
"Give me Goodwood on a summer's day and you can forget the rest of the world." Dieser Spruch von Roy Salvadori empfing die zehntausenden von Zuschauern im Eingangsbereich; grosse Banner mit dieser Aussage waren über die Strassen gespannt worden. Drei Tage lang gab es keine "Tracklimits", keine Startplatz- oder Zeitstrafen von irgendwelchen Stewards – alle diese Undinge aus der heutigen Formel 1 wurden aus Goodwood verbannt. Von Freitag bis Sonntag wurde Rennsport in seiner ursprünglichen Form zelebriert und die Startaufstellungen wie früher im 3-2-3-System aufgereiht. Auch die guten alten (nicht auf ihren Jahrgang bezogen!) Grid-Girls erlebten eine Renaissance; nicht im ultrakurzen Minirock oder in Hotpants, sondern züchtig verhüllt in Röcken, die bis übers Knie reichten. Über 150'000 Zuschauer genossen dieses Rennsport-Fest in vollen Zügen.
Über 40 Piloten von internationalem Renommee, vom Formel-1-Weltmeister über Grand-Prix-Sieger hin zu Le-Mans-Siegern und Gewinnern im Langstrecken- und Tourenwagen-Rennsport zierten nebst den "normalen" Fahrern die unterschiedlichen Rennfelder. Die Startlisten waren das "Who-is-who" des Rennsportes: Von A wie Richard Attwood (Le-Mans-Sieger 1970) bis W wie Andy Wallace (Le-Mans-Sieger 1988) oder Marco Werner (dreifacher Le-Mans-Sieger). Auch im Fahrerlager war die (Renn-)Prominenz vertreten. Nick Mason, Pink-Floyd-Drummer und grosser Oldtimer-Enthusiast, war ebenso anzutreffen wie Rowan Atkinson alias Mr. Bean – der auch gleich selbst ins Lenkrad seines Jaguar Mk VII griff –, Jacky Ickx und Mario Illien.
Jubiläen zum Jubeln
Und Jubiläen wurden gefeiert – nein, regelrecht zelebriert. 100 Jahre Caroll Shelby stand auf dem Programm, 75 Jahre Lotus und 75 Jahre Porsche. Für die "Shelbianer" und die Lotus-Enthusiasten standen Demorunden auf dem Programm. Das Porsche-Jubiläum wurde mit einem Rennen für frühe 911er begangen. Am Samstag und am Sonntag hatte der dreifache Formel-1-Weltmeister Jackie Stewart die Rennstrecke für sich allein: Der 84-Jährige steuertE seinen Weltmeister-Tyrrell von 1973 unter frenetischem Jubel und Standing Ovation der Zuschauer um den Rundkurs.
Sogar der Wettergott unterstützte die Wochenend-Prozession. Freitag und Samstag brannte die Sonne vom Himmel, am Sonntag war es dank Bewölkung etwas angenehmer. Ein kurzer Regenschauer ergoss sich am Sonntagnachmittag und sorgte für etwas Abkühlung. Ganz anders für die Rennläufe, die auf feuchter oder nasser Piste ausgetragen wurden. Innert Minuten wurden da hochkarätige Renngeräte in veritable Schrotthaufen verwandelt. Die Bizzarini-Piloten Adrian Willmott / Andrew Jordan liessen die notwendige Vorsicht (oder Routine?) vermissen und verwandelten einen besonders seltenen Bizzarrini 5300 GT nach einem Tête-à-queue und dem anschliessenden Crash in die Böschung in einen teuren Totalschaden.
Verteilt auf Samstag und Sonntag wurden den Zuschauern dreizehn Autorennen, ein Motorradrennen und zur Gaudi aller ein Tretauto-Rennen mit dem automobilen Nachwuchs geboten. Im Infield ging's jeden Morgen mit einer Prozession auf dem Airfield los: Noch vor 8:00 Uhr ertönten Sirenen; Soldaten und Piloten in voller Kriegsmontur stürzten auf die bereitstehenden Spitfire-Kampfflugzeuge, starteten und zogen dann am Himmel ihre Runden. Am Sonntagmorgen wurde eine heilige Messe im Beisein von Charles Gordon-Lennox, 11. Duke of Richmond, dem früheren "Earl of March", gelesen.
13 Rennen zu kommentieren ist ein bisschen schwierig und macht wohl auch keinen Spass. Deshalb hier einzelne Höhepunkte:
St Mary's Trophy Part 1 und Part 2
Den besten Unterhaltungswert boten wohl die beiden Rennen zur St Mary's Trophy, bei der zwei Piloten sich das Auto teilten. Am Samstag wurde Part 1 ausgetragen, am Sonntag Part 2. Die "Gastfahrer" griffen am Samstag ins Lenkrad, und das Resultat liest sich wie das Ergebnis eines Langstreckenrennens: Romain Dumas (zweifacher Le-Mans-Sieger, Sieger und Rekordhalter am Pikes-Peak-Bergrennen) vor Rob Huff (Vier Tourenwagen-Titel), Tom Kristensen (siebenfacher Le-Mans-Sieger), Jenson Button (Formel-1-Weltmeister 2009), Jimmie Johnson (siebenfacher Nascar-Champion), Benoit Treluyer (dreifacher Le-Mans-Sieger).
Auch wenn das Resultat einigermassen logisch klingt, zeigt ein Blick auf die unterschiedlichen fahrbaren Untersätze erstaunliches. Da beharkten sich ein Dickschiff wie ein Ford Thunderbird mit einem Jaguar Mk I, einem Austin A90 Westminster, einem Alfa Romeo Giulietta, einem Austin A 40 und noch einem Austin A 90. Es wurde beinhart gefahren und gekämpft. In den Kurven lagen die Autos oftmals Türklinke an Türklinke und Stossstange an Stossstange. Unter dem Jubel des Publikums wurde die Autos vor den Kurven angestellt und oder im vollen Drift durchgeschlittert. Jenson Button, im Ziel zwar "nur" Vierter, schwärmte nach dem Rennen: "Es war ein Traum, in der Giulietta die Gänge zu wechseln, immer voll zu fahren und im Drift an die Grenze des Autos zu gehen."
Nicht weniger spektakulär war das zweite Rennen vom Sonntag. Nun sassen die etwas weniger bekannten Namen am Volant. Das hiess aber nicht, dass es weniger spektakulär zu und her ging. Bis in Runde zehn konnte sich Chris Ward (Jaguar Mk I) Fred Sheperd (Ford Thunderbird) vom Leib halten. Dann wechselte die Reihenfolge bis drei Runden vor dem Ziel. In einem dramatischen Ausbremsmanöver in der Woodcote-Kurve riss Ward die Führung wieder an sich, verteidigte sie bis nach der Schikane vor der Zielgeraden, um 200 Meter vor der Schachbrettfahne mit einem veritablen Getriebeschaden und damit fehlendem Vortrieb mit Platz Zwei vorlieb nehmen zu müssen.
«Unabhängige Beratung für Kauf, Verkauf, Schätzung»
8832 Wollerau, Schweiz
- Fahrzeughandel
- Autohandel (Oldtimer & Youngtimer)
- Kaufberatung & Expertise
- Sachverständiger & Gutachter
Mercedes, Porsche, Jaguar, und weitere
Lavant Cup
Das Rennen um den Lavant-Cup war wohl eines der Filetstücke vom Wochenende. Zwei Ferrari 250 LM, nicht weniger als neun Ferrari 250 SWB, der berühmte Ferrari 250 SWB "Breadvan", ein Ferrari 250 GT Drogo, zwei Ferrari 250 GTO, ein Ferrari 250 GT Lusso und ein Ferrari 250 GT Tour de France balgten sich um den Siegerlorbeer. Nach dem Training waren die beiden LM von Rob Hall und Gary Pearson natürlich die Schnellsten. Emanuele Pirro dominierte das Feld der "SWB" und stellte als dritter sein Auto auch noch in die erste Startreihe.
Beim Start fehlte dann der LM mit der Startnummer 26: Thermische Probleme hinderten Gary Pearson daran, das Rennen aufzunehmen. Freude dafür in den Boxen im Team von Edi-Wyss-Engineering: Emanuele Pirro setzte sich fulminant an die Spitze. Polesetter Rob Hall kam nach seinem Fehlstart erst an sechster Stelle aus der ersten Runde zurück. In Runde fünf sorgte er aber wieder für Ordnung in der Hierarchie: Der 250 LM setzte sich vor den 250 SWB. In dieser Reihenfolge wurde auch die Ziellinie gekreuzt. Thomas Schnitzler, der Nachfolger von Edi Wyss, strahlte über den zweiten Platz (und den "Sieg" in der SWB-Klasse): "Wir befürchteten thermische Probleme. Das Auto hielt aber perfekt durch. Und mit Pirro hatten wir natürliche einen sehr, sehr schnellen Piloten." Dies bewies auch der Rückstand des Italieners – er liess sich vom LM gerade einmal 1,5 Sekunden abnehmen.
Fordwater Trophy
30 frühe Porsche 911 (Jahrgänge 1964 und 1965, alle mit synthetischem Kraftstoff betankt) kämpften um Sieg und Ehre. Namhafte Profifahrer griffen ins Lenkrad: Tom Kristensen setzte sich ins Cockpit wie auch Jenson Button, Mark Webber, Peter Dumbreck sowie Michael und Jeroen Bleekemolen. Als einzige Frau war Gaby von Oppenheim am Start. Am besten kam die Paarung von James Thorpe / Chris Ward vom Start weg – beim Anbremsen der Woodcote-Kurve kurz vor der Zielgeraden dann aber eine kleine Sensation: Die Nummer 777 mit Guy Ziser / Oliver Webb bremste ungewöhnlich spät, überholte von aussen nach innen zur Kurve ziehend vier, fünf Konkurrenten, schlenzte den 911er in einen perfekten, langen Drift und holte die Spitzenposition. Die gross Show half aber nichts: Die Boxenhalte und die Fahrerwechsel mischten die Karten neu. Im Zieleinlauf konnte kein Team mit Profis hinter dem Volant einen Platz auf dem Treppchen holen. Es siegten Jordan / Holme vor Quaife / Thorpe und Butcher / Paul.
Goodwood-Trophy
Für Grand-Prix- und Voiturette-Rennwagen 1930 bis 1951: Die grosse Spannweite der zugelassenen Jahrgänge sorgte natürlich nicht gerade für Chancengleichheit. Bester Schweizer in dieser Kategorie wurde Urs Müller mit seinem Maserati 6CM auf Rang Neun. Das Auto ist ein Ex-Gigi-Villoresi-Rennwagen und gehörte in früheren Jahren Peter Heuberger. "Der Maserati ist eine mechanisch herausfordernde Aufgabe. Mein Ziel im Rennen ist, unfallfrei anzukommen und einen besseren Platz als im Training herauszufahren.", gab Müller vor dem Rennen zu Protokoll.
Mit Heinz Bachmann war ein weiterer Schweizer am Start. Er fuhr einen ERA B-Type R9B und startete von Platz Elf ins Rennen. "Dies ist nach vier Jahren mein erster Renneinsatz.", kommentierte er sein Engagement und meinte weiter: "Wenn man in Goodwood starten darf, ist dies eine besondere Ehre." Nach dem Training leckte allerdings ein Wasserkanal im Zylinderkopf: "Mit einem Sunoco-Wundermittel haben wir versucht, diesen Defekt zu beheben und heil bis ins Ziel zu kommen." Dort schaute Rang elf heraus.
Eine wahre Pretiose lenkte Fritz Burkard. Sein Alfa Romeo 8C 2300 ist ein Ex-Werksauto und wurde in den Dreissigerjahren des letzten Jahrhunderts von niemandem geringerem als Tazio Nuvolari gefahren. Nach Goodwood kam Burkard mit dem "Monza" auf Achse: "Nach dem letzten Rennen in Hampton habe ich ein Alfa-Romeo-Treffen mit Jeremy Clarkson besucht und bin dann nach weiter Goodwood gefahren. Hier haben wir die Schutzbleche entfernt – und fertig war der Rennwagen!" Burkard, der jährlich vier bis fünf Rennen bestreitet, kam auf Platz 14 ins Ziel.
Ian Baxter (Alta 61 IS) hiess der Sieger, der nach 13 Runden Mark Gilles (ERA A-Type R3A) quasi auf der Ziellinie abfing und um eine Zehntelsekunde schlagen konnte. Dritter wurde David Morris (ERA B-Type R11B).
Chichester Cup / Glover Trophy
Gleich in zwei Serien war Philipp Buhofer am Start. In der Formel Junior bewegte er seinen Lotus 23. "Es ist ein ausserordentlich kompetitives Feld. Da freue ich mich schon, wenn ich auf einem besseren Platz als auf der Startaufstellung ins Ziel komme.", meinte er vor dem Rennen. Der Motorwechsel nach einem Schaden beim vorangegangenen Rennen in Silverstone sollte seine Chancen verbessern. Er querte das Ziel auf Platz acht, zwei Plätze besser als in der Startaufstellung. Im Rennen ging die Post ab. Ganz im Stil der "jungen Wilden", wie man die Formel-Junior- und Formel-3-Piloten früher bezeichnete, wurde mit Haken und Ösen um jeden Platz gekämpft. Der Zweitplatzierte Sam Wilson grämte sich im Ziel denn auch: "Ich hatte nicht immer die beste Linie erwischt und so gegen den Sieger Horatio Fitz-Simon keine Chance."
Besser lief es für Philipp Buhofer in der zweiten Serie der Formel-1-Rennwagen von 1961 bis 1965. Am Start verlor er zwar seinen fünften Platz, bis ins Ziel konnte er aber wieder auf Rang sechs vorstossen. Mit dem BRM P261 hat er sich einen langehegten Traum erfüllt. "Der Rennwagen hing früher an der Wand einer Bar. Wir haben ihn auf die Rennpiste zurückgeholt." Über die ganze Renndistanz kämpften Andrew Willis (BRM 261) und Ben Mitchell (LDS-Climax) um die Führung. Nicht weniger als fünfmal wechselten sie sich an der Spitze ab. Im Fotofinish hatte Willis um eine halbe Sekunde die Nase vorn.
Sussex Trophy
In der Sussex-Trophy waren Sportwagen von 1955 bis 1960 am Start. Gegen Kaliber wie Jaguar C-Type oder D-Type trat Conrad Ulrich mit seinem Maserati 300 S an: "Ich mache hier mehr aus Spass an der Freude mit. Es ist eine unglaubliche Atmosphäre hier in Goodwood, höchstens noch zu vergleichen mit dem Historic-Rennen in Monaco." Vom 26. Platz ging er ins Rennen; im Ziel landete er auf Rang 21. "Ich bin zufrieden. Mir ging es mehr darum, das Rennen richtig zu geniessen. Die Rangierung spielt eigentlich keine Rolle", meinte er nach der Zieldurchfahrt.
Von Beginn weg kämpfte Oliver Bryant mit seinem Lotus 15 Climax um den Sieg. Vom dritten Platz kämpfte er sich nach vorne. In der sechsten Runde übernahm er die Spitze und gab sie bis zum Ende nicht mehr ab. Im Ziel, eben eine dicke Zigarre ansteckend, strahlte er: "Super Zweikämpfe übers ganze Rennen und grosse Freude, glücklicher Sieger zu sein." Sam Hancock (Ferrari Dino 246 F1) wurde zweiter. Auf Rang drei kam Miles Griffith (Lotus-Climax) ins Ziel.