Grün ist die Hoffnung, und grün lackiert ist auch der Golf. Und was für ein Grün, es heisst Lofotengrün und die Farbe wirkt durch die orange-braune Innenausstattung noch kultiger. Viel mehr Siebzigerjahre-Stil ist fast nicht mehr denkbar.
Gross war die Hoffnung, die Volkswagen mit dem VW Golf verknüpfte. Alle bisherigen Bemühungen, einen Nachfolger für den Verkaufshit Käfer zu lancieren, waren im Sande verlaufen. Der erste Volkswagen mit wassergekühlten Frontmotor war der Golf allerdings nicht und auch nicht der erste Volkswagen mit quer eingebautem Vierzylinder, der K70 und der Scirocco hatten diese modernen Konzeptionen bereits genutzt.
In der Kombination von querliegendem, wassergekühltem Reihenvierzylinder mit angetriebenen Vorderrädern, einer kompakten viertürigen Limousinenkarosserie mit Schrägheck und Heckklappe war der Golf allerdings ein essentieller Schritt in eine bessere Zukunft.
Präsentation im Mai 1974
Vorgestellt wurde die Mehrzweck-Limousine Golf im Mai 1974, also rund drei Monate nach dem Scirocco, mit dem sie die technische Plattform teilte. Wichtig war den Verkäufern damals, dass der Golf nicht der Nachfolger des Käfers sei, sondern ein neues Modell zwischen dem luftgekühlten Heckmotortyp und dem Passat mit längs eingebautem Frontmotor sei. Bereits erwartet wurde allerdings der kleine Volkswagen, intern als A0 bezeichnet, doch der erschien dann im Herbst 1974 zunächst als Audi 50 und erst im März 1975 als VW Polo.
Fast ohne Konkurrenz
Mit seinen kompakten Ausmassen (370,5 cm x 161 cm x 141 cm) und der querliegenden Antriebseinheit war der frontgetriebene Golf mit Heckklappe in Deutschland ohne Konkurrenz. Eine Heckklappe gab’s zwar auch beim BMW Touring, aber nur in Verbindung mit Heckantrieb und deutlich grösseren Ausmassen. Opel hatte 1973 den Kadett C auf den Markt gebracht, eine Schrägheckversion gab’s bis zum City (1975) nicht und Frontantrieb erst bei der nächsten Generation ab 1979. Auch der Ford Escort war eine klassische Limousine mit Standardantrieb.
Frontmotor-Schräghecklimousinen boten allerdings die ausländischen Konkurrenten schon seit einiger Zeit an, Alfa Romeo den Alfasud, Citroën den GS (beide allerdings ohne grosse Heckklappe), Simca den 1100, Fiat den kleineren Typ 127 allerdings noch mit kleiner Kofferraumklappe. An Konkurrenz mangelte es also nicht, wenn sie auch nicht aus Deutschland stammte.
Modern
Für die Form des VW Golf zeichnete Giorgetto Giugiaro verantwortlich, der auch den Scirocco entworfen hatte. Die Volkswagen-Designer sollen den Entwurf aber auch noch überarbeitet haben, Vorserienexemplare liefen noch mit in Richtung Mitte versetzten Scheinwerfern auf der Testbahn.
Insgesamt war der Golf ein kantiges Automobil mit relativ niedriger Gürtellinie und grossen Fensterflächen. Einzig die C-Säule war relativ breit und behinderte die Sicht nach schräg hinten.
In ersten Pressebesprechungen waren die Meinungen zur Optik gedämpft positiv: “Schön geriet der Golf tatsächlich nicht, dazu ist er zu kurz und zu hoch, aber er sieht sympathisch aus und unverwechselbar”, schrieb etwa ‘auto motor und sport’.
Mit 240 cm Radstand lag der erst Golf exakt auf Ebene des Käfers, gleichzeitig war er aber 35,5 cm kürzer und etwas breiter und niedriger. Für die Besatzung blieb trotz bescheidener Grundfläche von sechs Quadratmetern mehr Platz als im Käfer und an den Kofferraum von 350 Litern kam der millionenfach produzierte Heckmotor-Zweitürer sowieso nicht heran.
Die Rücksitzlehnen liessen sich beim Golf natürlich umklappen, womit man fast kombimässige Gepäck-Platzverhältnisse vorfand.
Während die Vorderräder von McPherson-Federbeinen und Dreieckslenkern einzeln geführt wurden, sorgte hinten eine neuartige Verbundlenkerachse mit Längslenkern und Federbeinen für einen guten Geradeauslauf. Der negative Lenkrollradius sorgte wie bereits beim Käfer für sicheres Bremsen. Trommeln hinten und vorne mussten beim langsameren Golf genügen, während die schnellere Ausführung vorne Scheibenbremsen montiert hatte. Reifen mit 145, 155 oder 175 mm kamen auf 13-Zoll-Rädern zum Einsatz.
Als Motoren kamen anfänglich Vierzylinder mit 1093 und 1471 cm3 zum Einsatz, die 50/52 und 70 PS leisteten und mit Normalbenzin auskamen. Die Motoren waren leicht seitlich geneigt montiert, das Getriebe angeflanscht.
Der selbstragenden Karosserie wurde viel passiver Unfallschutz auf den Weg mitgegeben, mit 750 bis 805 kg (Leergewicht-Werksangabe) war der Golf ein echtes Leichtgewicht. Der 45 Liter fassende Benzintank war kollisionsgeschätzt vor der Hinterachse angeordnet.
Aufpreispolitik
Unterschieden wurde zu Beginn die Normal- und die L-Version. Das “L” stand für Luxus und damit wurden dann zusätzliche Zierleisten aussen, vordere Ruhesitze, ein kunststoffbezogenes Lenkrad, ein Beifahrer-Haltegriff, Fond-Halteschlaufen, Gepäckraum-Abdeckung, Gasfeder-Aufhaltung für Heckklappe, zusätzliche Geräusch- und Wärmedämmung, eine Zeituhr mit Kühlwassertemperaturanzeige, ein Anzünder, ein zweistufiges Gebläse oder ein Tageskilometer, neben anderen Dingen geboten. Heutzutage würde da niemand mehr von Luxus sprechen, aber die Normalausführung, der diese Dinge alle fehlten, muss erst karg ausgefallen sein.
Aber selbst bei der L-Version musste eine Verbundglasfrontscheibe oder eine heizbare Heckscheibe zusätzlich bezahlt werden, einen Heckscheibenwischer gab’s anfänglich nicht einmal gegen Aufpreis.
Ab DM 7995 gab es einen zweitürigen Golf, als LS mit 70 PS kostete die viertürige Ausführung bereits DM 9785 und wenn man H4-Scheinwerfer und das Stahlkurbeldach dazubestellte, war man schon fünfstellig unterwegs. Kein Wunder, prangerte die Presse diese Preisgestaltung an, zumal sogar sicherheitsrelevante Dinge wie Gürtelreifen oder Scheibenbremsen bei bestimmten Versionen nur gegen Aufpreis zu haben waren.
Die Schweizerpreise begannen bei CHF 10’045, für den viertürigen LS waren CHF 12’565 fällig. Für ein einfaches Dreiwellenradio zahlte man inkl. Einbau CHF 395!
Dafür gab es aber dann auch eine bunte Auswahl verschiedener Lackierungen, die auf durchaus kreative Namen wie Brillantgelb, Marinogelb, Phoenixrot, Senegalrot, Miamiblau, Lofotengrün oder Cliffgrün getauft wurden.
Der Konkurrenz noch nicht ganz gewachsen
Noch selten wurden über ein neues Auto soviel berichtet wie über den VW Golf. Vorstellungen, Fahrberichte, Einzeltest- und Vergleichstestfahrten füllten Seiten um Seiten, man hätte ganze Bücher drucken können.
Es war dann die Zeitschrift “auto motor und sport”, die Ende 1974 einen 24-seitigen Vergleichstest (aufgeteilt in zwei Ausgaben) veröffentlichte und den Golf LS mit dem Alfa Romeo Alfasud, dem Citroën GS 1220 Club, dem Fiat 128 Special 1300, dem Opel Kadett L 1200 S und dem Simca 1100 Special verglich. Der Citroën war in dieser Runde mit DM 9800 der teuerste Viertürer, der Alfasud mit DM 8490 der günstigste. Die Motorenleistungen reichten von 58 PS (Citroën) bis zu 75 PS (Simca). Ausser dem Kadett wiesen alle Autos Vorderradantrieb auf. Der Citroën und der Alfa fielen mit ihren Boxermotoren etwas aus der Reihe, der GS war dazu auch noch luftgekühlt.
Nach vielen Testdisziplinen siegte, für viele Beobachter überraschend, der geräumige Citroën vor dem Alfasud, während der Golf trotz Heimvorteil nur Dritter wurde.
Mit 12,6 Sekunden für den Spurt von 0 auf 100 km/h und 162,9 Spitze entschied der Golf das Motorenkapitel für sich, zumal er mit 10,1 Litern Normalbenzin nur wenig mehr Treibstoff brauchte als die langsameren Alfasud und Kadett (9,9 und 9,8 Liter).
Das Karosseriekapital aber ging an den Alfa Romeo (Golf auf Platz 2), bei der Handlichkeit siegte der Opel (Golf auf Platz 2), beim Fahrkomfort konnte sich der Citroën durchsetzen (Golf auf Platz 4). Als fahrsicherstes Auto setzte sich erneut der Citroën durch, der Golf landete hier nur auf dem zweitletzten Platz.
Das schlechte Abschneiden beim Fahrverhalten wurde im Bericht natürlich erklärt:
“Verhältnismäßig schwer tat sich im direkten Vergleich mit seinen Konkurrenten der Golf. Zwar ist es gelungen, die naturgemäß vorhandene Untersteuerneigung weitgehend zu kaschieren, so daß der Golf in einem weiten Bereich ein fast sportlich-neutrales Kurvenverhalten an den Tag legt, doch gibt er bei plötzlichen Richtungsänderungen wie sie beispielsweise beim Wedeln provoziert werden, einige Probleme auf. In solchen Extremsituationen reagiert der Golf übertrieben nervös – er schwankt so stark, daß der Aufbau auf die Gummipuffer aufschlägt, was zusätzliche Unruhe ins Fahrverhalten bringt. In besonderem Maße gilt das für beladenen Zustand.”
Der VW Golf war also weder das beste, noch das günstigste Auto seiner Klasse. Allerdings stimmten die grundsätzlichen Anlagen und als Vorteil konnte Volkswagen natürlich das engmaschige Service-Netz, aber auch die hineinkonstruierte Inspektions- und Reparaturfreundlichkeit in die Waagschale werfen. Zudem hatte Volkswagen die Werbeetats, um den Verkauf vor allem Deutschland gut zu unterstützen.
Und natürlich stiessen geäusserte Kritiken nicht auf taube Ohren in Wolfsburg und der Golf wurde in den folgenden Jahren stetig verbessert und dem Konkurrenzumfeld angepasst.
Gemischte Erfahrungen
Nicht nur gute Erfahrungen machten die frühen Käufer des neuen VW Golf. Bei 4421 befragen AMS-Leser zeigten sich nach 70 Millionen gefahrenen Kilometern doch einige Mängel, die man von einem Qualitätsprodukt nicht unbedingt erwartete. 24,2 % beklagten mindestens einmal einen gerissenen Gaszug, 15,1% eine abgebrochene Auspuffanlage. Schäden am Kühlwassersystem gab es bei 15,5 % der Fahrzeuge, defekte Schaltgestänge bei 11,9%. Vergaserprobleme mussten bei 10,1% behoben werden.
Gerade einmal 14,9 Prozent der Golf-Fahrer blieben in rund einem Jahr von Defekten verschont. 75 Prozent der Golf-Käufer bemängelten Klappergeräusche, so war es kein Wunder, dass 56,2 % sich wünschten, dass die Verarbeitungsqualität verbessert werde. Noch kein grosses Problem war zunächst die Rostanfälligkeit, doch die Korrosionsfreundlichkeit sollte sich zu einer noch grösseren Herausforderung als alle technischen Mängel entwickeln.
Schneller und wieder langsamer
Derweil passte Volkswagen den Golf Jahr für Jahr an. Schon zur IAA 1975 wurde der 1,5-Liter-Motor durch eine 1,6-Liter-Variante mit 75 PS ersetzt. Damit liessen sich 100 km/h aus dem Stand in nur 11,1 Sekunden und 162,6 km/h Spitze erreichen, ohne dass der Verbrauch wesentlich anstieg. Das war richtig flott!
1977 wechselte man im Rahmen einer Geräuschsenkungsiniative auf einen kurzhubigeren 1457 cm3 grossen Vierzylinder, der nun wieder 70 PS produzierte und für Fahrleistungen wie am Anfang sorgte. Der Verbrauch stieg eher etwas an, der Preis auch. Als GLS kostete der Golf nun DM 11’850. Bis zum Schluss der Bauzeit im Jahr 1983 wurde dieser Motor angeboten, ergänzend gab es ab 1979 zudem einen 1,3 Liter und natürlich kam um 1976 auch noch der GTI dazu. Ein 50-PS-Diesel (mit Turbo später 70 PS) wurde ebenfalls hinzugefügt.
Auch optisch reifte der Golf, Kritikpunkte wurden beseitigt, die Langlebigkeit und Qualität verbessert, die Ausstattung ergänzt. Der Golf machte seinen Weg und wurde zum erfolgreichsten Vertreter der unteren Mittelklasse, was die Gesamtproduktion von etwa 6,8 Millionen Exemplaren in rund neun Jahren augenscheinlich dokumentiert.
Zuhause
Wer sich heute in einen Golf der ersten Jahre setzt, braucht weder eine Bedienungsanleitung noch eine lange Einführung. Der Lichtschalter ist sofort zu erkennen, die beiden Lenkstockhebel sind jeweils für klare Funktionen zuständig. Der Choke ist automatisch, es reicht wenn man den Zündschlüssel dreht, dann läuft der Golf. Er tut das ohne grosses Gedröhne, aber auch nicht komplett unauffällig.
Natürlich sind 70 oder 75 PS heute nicht mehr viel, aber in Verbindung mit rund 800 kg Leergewicht reichen sie für flotte Fahrleistungen. Die übersichtliche Karosserie, der enge Wendekreis von 10,5 Metern und die grosszügige Verglasung machen den Golf zu einem angenehmen Reisebegleiter, dem es weder an Handlichkeit, noch an Leichtfüssigkeit fehlt.
Die Mängel der Anfangszeit sind heute vergessen und man freut sich vor allem an den positiven Aspekten des jung gebliebenen Wolfsburger. Und wenn man nach einigen Kilometern ausssteigt, dann versteht man gut, dass sich gerade dieser kompakte Wagen im Markt durchsetzen konnte und nach ähnlichem Grundmuster bis heute in immer wieder neuen Auflagen gebaut wird.
Die VW Golf konnte die hohen Erwartungen, die in ihn gesetzt wurden, erfüllen, aber es war nicht nur die geglückte Grundkonstruktion, sondern die stetige Modellpflege und das Streben nach immer weiteren Verbesserungen, die ihn zu einem der erfolgreichsten Autos der Geschichte gemacht haben.
Wir danken dem Schweizer Volkswagen-Importeur AMAG und der AMAG Classic für die Gelegenheit zur Probefahrt im frühen und heute ziemlich seltenen VW Golf LS von 1976.
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