Als sich Fiat 1978 aus dem Geschäft mit familientauglichen Coupés zurückzog, ahnte wohl noch niemand, dass es 15 Jahre dauern würde, bis ein Nachfolger zur 128 Berlinetta auf den Markt kommen würde. Dazwischen gab’s zwar spärlich produzierte Cabrios, aber eben kein klassisches Coupé mehr.
Bereits im Juni 1993 zirkulierten erste Fotos in der Presse, entsprechend hoch waren die Erwartungen, als am Autosalon von Bologna Ende 1993 schliesslich der neue sportliche Fiat dem grösseren Publikum vorgestellt wurde.
Die Marketing-Abteilung von Fiat bemühte sich denn auch, weit zurück in die Vergangenheit zu schauen und zusätzlich zum bereits erwähnten 128 auch noch an das Fiat Dino Coupé, den 2300 S und den 8V zu erinnern.
Tipo Coupé
Statt dem Neuankömmling einen klingenden Namen wie Otto Vu oder Berlinetta oder wenigstens Sport zu geben, nannte Fiat den Wagen einfach “Coupé”, wobei man in der Pressearbeit den Markennamen hintenanstellte, also Coupé Fiat schrieb. Man hätte auch Tipo Coupé sagen können, denn von dort stammte die technische Basis in grossen Zügen.
Drei Jahre Entwicklungszeit
Allzu einfach hatte man sich die Entwicklung des neuen Zweitürers dann doch nicht gemacht. Immerhin drei Jahre dauerte die Entwicklungszeit und 150 Millionen DM wurden dafür investiert.
Das Ergebnis war ein 4,25 Meter langes und 1,77 Meter breites Coupé mit Stummelheck bei 1,34 Metern Höhe. Eine Heckklappe gab es nicht, dafür dünne Fensterpfosten und relativ viel Glas.
Mit 1250 kg war der Fiat nicht allzu schwer geworden. Fiat musste sich auch anstrengen, denn der Coupé-Markt war durchaus umkämpft. Die Gegner des neuen Coupés hiessen u.a. Alfa Romeo GTV, Audi Coupé, Ford Probe, Honda Prelude, Hyundai Coupé, Nissan 200 SX, Opel Calibra, Toyota Celica oder VW Corrado.
Moderne Technik
Das Fiat Coupé erhielt die Bodengruppe des Fiat Tipo als Basis. Vorne sorgten Dreieckslenker und Federbeine (McPherson) für die Radführung, hinten wurden Längslenker und Federbeine verbaut. Die Einzelradaufhängungen waren an Fahrschemeln montiert. Bei den Stossdämpfern waren Lamellenventile vorhanden, die ein schnelleres Ansprechen und eine progressive Dämpfwirkung unterstützen sollten.
Vier Scheibenbremsen sorgten für die Verzögerung, eine servounterstützte Zahnradlenkung half bei Richtungsänderungen. Airbags und ABS war teilweise gegen Aufpreis erhältlich, genauso wie eine Klimaanlage oder Leder im Interieur. Auch ein elektrisches Schiebedach war im Angebot, während elektrisch verstellbare Aussenspiegel und elektrisch bedienbare Seitenscheiben Standardausrüstung waren.
Design-Hybrid
Chris Bangle hiess der Mann, der im Fiat Centro Stile für die äussere Form des Fiat Coupés verantwortlich war. Er verknüpfte futuristisch wirkende Designelemente mit Geschichtszitaten wie dem aussenliegenden Tankdeckel im Stil der Le-Mans-Sportwagen der Sechzigerjahre.
Bangle, der bekanntlich später zu BMW wechselte und dort unter anderem den heftig kritisierten E65 Siebner gestaltete, gab dem Fiat Coupé ein unverwechselbares Gesicht mit Elipsoid-Scheinwerfern unter einer Klarglasabdeckung sowie einem breiten Kühlergrill, unter dem es noch eine Reihe auffälliger Kühlöffnungen gab. Die Front wirkte eher kampfbereit als fröhlich.
Das Heck wiederum zitierte mit seinen einzeln eingebauten vier Heckleuchten Sportwagen der Sechzigerjahre. Auffallend waren die beiden aufsteigenden Sicken über den Radhäusern, die allerdings bei den Entwurfsmodellen noch deutlich anders aussahen.
Das Design wurde damals je nach Standpunkt als attraktiv, provokant oder gar bizarr beschrieben. Teilnahmslos jedenfalls liess es kaum einen Betrachter zurück.
Fiat selber erklärte das Design folgendermassen:
“Das Coupé Fiat begeistert auf den ersten Blick durch die reine schöne Linie. Eine Schönheit mit Elan, aber ohne zu übertreiben: die Form zeigt klar die Funktion des Wagens und auch die unverwechselbare Persönlichkeit.
Der Gesamteindruck trifft genau die stilistische Geschmacksentwicklung von heute, aber ist weit davon entfernt, rein auf High Tech aus zu sein. Im Gegenteil, Raum und Oberfläche, Material und Farben beleben einen Gegenstand, der durch seine Harmonie und seinen Schwung die beste Tradition des italienischen Designs fortführt.
Die originellsten Züge sind an den Flanken zu erkennen. Zwei leicht gebogen verlaufende Einschnitte beginnen von der Windschutzscheibe und vom Heck und zeichnen somit einen Längsstreifen auf der Karosserie in zwei verschiedenen Ebenen, die sich dann zu einer Art «Z» diagonal verbinden.
Durch diesen Effekt wird die Fläche belebt und gleichzeitig eine besondere dynamische Personalisierung erreicht, eine Linie, die durch diese beiden Einschnitte betont nach vorn verläuft zur Höhe des Radkastens mit einer Graphik, wie sie nur die moderne italienische Kunst zustande bringt.
Das ästhetische Motiv der schrägen Sicken in der Höhe des vorderen Radkastens geht in den seitlichen Einschnitt der Motorhaube über. Durch diese Lösung ist bei geöffneter Motorhaube die gesamte Vorderachse leicht zugänglich.
Ein anderes charakterisierendes Merkmal stellt die ausgeglichene Komposition dar: Rahmen, Verglasung, Radfelgen und Nichtmetallteile (fast alle in Schwarz) erscheinen aus allen Blickwinkeln in einer Form integriert. Die Farbenpalette -warme, angenehme, intensive Farben - bildet den idealen Zusammenklang mit der Karosserie, bei der das Dach durch leichte Formgebung hervorsticht.
Die Reinheit des Designs wurde kohärent durchgeführt: an den Flanken befindet sich außer dem Pininfarina-Zeichen kein anderes Fremdelement: nicht einmal die Türgriffe, die an den B-Säulen sitzen, die die Vorderscheiben von den hinteren Scheiben trennen.
In derselben Art und Weise ist auch die Motorhaube zu sehen, die, wie bereits vorher erwähnt, nicht mit einer normalen «Klappe» abschließt, sondern den gesamten Teil der Vorderachse (Motorhaube mit Kotflügel. Scheinwerfern und Kühlergrill) einbezieht.”
Zu ergänzen wäre noch, dass der cW-Wert bei 0,31 lag, im Windkanal gehörte das Coupé damals zu den besten.
Die Gestaltung des Interieurs überliess man den Designern von Pininfarina und auch diese schafften es, einen Schuss Nostalgie zu inkorporieren.
Quer über das ganze Armaturenbrett zog sich nämlich ein in Wagenfarbe gehalterer Streifen, der auch die Uhren und den Pininfarina-Schriftzug enthielt.
Produktion bei Pininfarina
Für den Bau des Coupés wandte sich Fiat an Pininfarina. Maximal 100 Autos pro Tag sollten produziert werden, ein Jahresausstoss von 20’000 Exemplaren war geplant. Sogar ein späteres fast vollständiges Recycling des Autos hatte man eingeplant. Hierfür wurde jedes Kunststoffteil, das über 50 Gramm wog, mit einer international festgelegten Bezeichnung markiert, damit später das Material sofort identifiziert werden konnte. Auf die Verwendung von Asbest, Fluorkohlenwasserstoffen, Chrom und Kadmium wurde verzichtet.
Anfänglich waren sechs Farbtöne im Angebot: Rot, Weiss und Schwarz, aufgetragen in zwei Lackschichten, sowie metallisiertes Grün, Blau und Schwarz. Das Interieur war mit Ausnahme des Streifens im Armaturenbrett immer in Schwarz gehalten.
Verschiedene Motorisierungen
Anfänglich wurde das Fiat Coupé mit Vierzylindermotoren von zwei Litern Hubraum und mit 16 Ventilen gebaut. Zwei gegenläufige Ausgleichswellen sicherten einen ruhigen Motorlauf, ein elektronisches Motormanagement sorgte für einen günstigen Verbrauch. Geregelte Katalysatoren sorgten für möglichst saubere Abgase.
Zum Zeitpunkt der Lancierung wurden für den frei saugenden Motor 142 PS bei 6000 U/min und 180 Nm Drehmoment bei 4500 U/min angegeben, später sank die Leistung auf 139 PS.
Wer mehr Leistung wollte, konnte sich die Turbo-Version kaufen, die 195 PS bei 5500 U/min und 290 Nm bei 3400 U/min bot und ein integriertes Motormanagement mit sequentiell versetzter Multipoint-Einspritzung aufwies. Die Ventile wurden bei beiden Varianten über Zahnriemen und zwei obenliegende Nockenwellen gesteuert.
Im Jahr 1996 ersetzte ein 1,8-Liter-16V-Motor den Zweiliter und es wurden zusätzlich Fünfzylindermotoren mit und ohne Turbolader eingeführt.
Die Spitzenmotorisierung ab Oktober 1996 war der 2.0 20V Turbo mit 220 PS bei 5750 U/min.
Gewappnet gegen Konkurrenz
Die Autojournalisten freuten sich über den Zugang, dies lässt sich auch an den zahlreichen Einzel- und Vergleichtestberichten ablesen. Bereits sehr früh Ende 1993 erschien ein Testbericht zum 16 V Turbo Plus in der Zeitschrift “auto motor und sport”, dessen Fazit durchaus positiv formuliert wurde:
“Einen Vorsprung durch Technik hat das neue Fiat Coupé so allenfalls in Teilbereichen erreicht. Womöglich war dies auch gar nicht das Ziel der Entwicklung, denn angesichts der Vielzahl schneller und gut liegender Autos sind wirkliche Techno-Quantensprünge ohnehin nur noch schwervorstellbar. Aber dafür ist es gelungen, einen individuellen optischen Stil zu finden – Automode wird eben noch immer in Italien gemacht.”
7,9 Sekunden benötiger der Zweiliter-Turbo für den Spurt von 0 auf 100 km/h, als Spitze wurden 225 km/h protokolliert, als Testverbrauch 13,3 Liter Super Bleifrei. DM 54’500 oder CHF 42’800 CHF kostete diese Version damals. Die Automobil Revue schafften den Standard-Sprint sogar in 7,4 Sekunden während die Höchstgeschwindigkeit identisch ausfiel. Auch in Bern wurde wohlwollend kritisiert:
“Mit dem von Pininfarina gebauten Fiat Coupé hat der lange Zeit von Japan dominierte und jetzt wieder von europäischen und amerikanischen Firmen entdeckte Coupémarkt eine in jeder Beziehung – auch optisch – markante Belebung erfahren. Der eigenwillig gestylte 2 + 2- Sitzer aus Turin hebt sich forma] markant von der Konkurrenz ab und sorgt dafür, dass man von ihm spricht. Zu seinen Vorzügen zählen die leistungsfähige Motorisierung und das sichere Fahrverhalten ebenso wie das sportliche, aber dennoch genügend geräumige Cockpit und die reichhaltige Ausstattung; verbesserungsfähig bleibt der Verbrauch. Preislich orientiert sich das italienische Coupé an der Konkurrenz; somit kann allein der Geschmack entscheiden.”
Ein gutes Jahr später liess “ams” das Fiat 2.0 16 V Coupé gegen den “hausinternen” Konkurrenten Alfa Romeo GTV 2.0 16 V antreten. Der Alfa gewann mit kleinen Vorteilen beim Antrieb und beim Fahrverhalten mit zwei Punkten (Fiat Coupé 100 Punkte) Vorsprung, allerdings war der Fiat mit DM 39’500 immerhin 4300 DM günstiger zu haben als der Alfa.
1996 musste sich das nun DM 38’350 teure Fiat Coupé mit dem nun vom Fiat Barchetta geerbten 1,8-Liter-Motor gegen das Hyundai Coupé und den Opel Calibra behaupten, was ihm gut gelang, denn der knappe Sieg ging nach Turin. Einzig der eingeschränkte Federungskomfort und die eingeschränkte Variabilität wurden ihm als Nachteile ausgelegt. Der 1,8-Liter-Motor sorgte für eine günstige Rechnung beim Tanken, 9,7 Liter wurden als Durchschnittsverbrauch notiert.
Richtig flott ging es natürlich im ab Ende 1995 verfügbaren 20V Turbo zu. Jetzt reichten 6,2 Sekunden für den Spurt von 0 auf 100 km/h und erst bei 250 km/h war Schluss. Allerdings mussten für die schnellste Variante auch DM 49’600 (oder CHF 43’000) auf dem Konto sein.
Das war sie aber wert, befand Götz Leyrer für “auto motor und sport”:
“Mit soviel Dampf für knapp 50’000 Mark steht das neue Coupé jedenfalls so einzigartig in der Autolandschaft, wie es schon seine ungewöhnliche Form verspricht.“
Nur sechs Jahre und kein Nachfolger
Ausser den bereits erwähnten Motorentauschaktionen musste Fiat wenig in Modellpflege investieren. Es gab ein paar Veränderungen im Interieur und es wurden einige Sondermodelle gebaut. Die anfänglich erfreulichen Verkaufszahlen, 1994 wurden 17’619 Coupés abgesetzt, flauten allerdings schon bald ab, fünfstellige Produktionszahlen gab’s nur bis 1997, 1999 wurden nur noch knapp über 6000 Coupés hergestellt.
Im September 2000 zog man nach 72’762 gebauten Exemplaren den Stecker, auf einen Nachfolger warten wir bis heute (im Jahr 2023).
An Bord einer frühen Variante
Grün Metallic steht dem Fiat Coupé gut, das wird beim Betrachten des Exemplars von 1995 sofort klar. Unter der weit öffnenden und nicht gerade leichten Motorraumklappe sitzt der Vierventiler-Zweiliter mit 139 PS.
Dieser erwacht nach Schlüsseldreh sofort zum Leben und beeindruckt mit einem Soundtrack, den man ihm als Grossserienaggregat gar nicht zugetraut hätte. Dank zweifach verstellbarem Lenkrad findet man schnell die richtige Sitzposition in den ziemlich bequemen Sesseln. Die Rundumsicht ist für ein Auto dieses Baumusters gut.
Wie von selbst fällt die rechte Hand auf den Schalthebel, mit dem sich die fünf Gänge ohne Drama wechseln lassen.
Los geht’s. Die Vorwärtsdynamik überzeugt auch ohne Turbolader. In 9,7 Sekunden beschleunigte der Zweiliter im Jahr 1995 im Test von “auto motor und sport” von 0 auf 100 km/h, als Spitze wurden damals 208 km/h notiert. Fast wirkt das kompakte Coupé schneller, als es diese Werte vermuten lassen. Dies liegt sicherlich an der relativ geringen Grundmasse und auch daran, dass der Motor gut am Gas hängt.
Auch am Fahrverhalten gibt es nichts auszusetzen, die direkte Lenkung erlaubt schnelle Korrekturen, sollte der Bug einmal nicht genau der gewünschten Linienführung folgen. Auch verzögert wird dank ABS und Scheibenbremsen sicher und ohne Radau.
Man kann sich gut vorstellen, auch heute noch längere Strecken im Fiat Coupé zurückzulegen, zumal auch der generöse Kofferraum mit 295 Litern Schluckvermögen kaum nach Einschränkungen ruft.
Selbst hinten zu sitzen ist vergnüglicher als in den meisten Alternativen jener Zeit, denn Platz ist für nicht allzu grosse Menschen auch im Fond genug vorhanden. So gesehen ist das Fiat Coupé fast mehr als ein 2+2.
Dank noch übersichtlicher Preise empfiehlt sich der schnelle Fiat auch als Einstiegs-Youngtimer, allerdings sollte man sich bewusst sein, dass Wartung und Ersatzteilversorgung zuweilen Fingerspitzengefühl benötigen.
In der jüngeren Geschichte von Fiat hat das zwischen 1993 und 2000 gebaute Coupé sicherlich eine besondere Position, um seine Zukunft muss man sich jedenfalls keine Sorgen machen, zumal das Design eigentlich gut gealtert ist.
Wir danken der Oldtimer Galerie Toffen für die Gelegenheit zur Fotofahrt. Das Fiat Coupé 2.0 16V wird am 25. März 2023 in Toffen versteigert
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