Kaum jemand konnte sich nach dem Ende des zweiten Weltkriegs einen neuen Sportwagen leistete. Die wenigen Sportfahrzeuge, die die Werke bauten, waren für Normalsterbliche nicht zu finanzieren und verliessen die Produktionshallen in homöopathischen Dosen
Die Gebrüder Bevilacqua aber hatten eine Fiat 1500 Limousine, die vor dem Krieg am 7. Mai 1937 ausgeliefert worden war zur Verfügung, und brachten sie zur Karosseriefirma Reda in Modena, um auf das noch brauchbare Chassis eine sportliche Barchetta-Karosserie zu setzen. Das Fahrgestell des Fiat 1500 bot ideale Voraussetzungen für diesen Umbau.
Pionierhafte Entwicklung
Vorgestellt wurde der Fiat 1500 bereits im Jahr 1935 und im Vergleich zu seinen Konkurrenten muss er damals wahrlich futuristisch ausgesehen haben. Dante Giacosa hatte nämlich getreu seiner Maxime, dass auch bei nicht rennsportlichen Fahrzeugen der Luftwiderstand eine Rolle spiele, eine windschlüpfrige Karosserie konzipiert, ähnlich wie dies Chrysler mit dem allerdings nicht erfolgreichen Airflow 1934 getan hatte. Giacosa nutzte sogar Windkanaltests, um den Wagen noch besser durch die Luft gleiten zu lassen.
Allerdings ging die gute Aerodynamik anders als bei früheren Versuchen nicht auf Kosten der Praktikabilität. Fünf Personen fanden komfortabel Platz in der Limousine, die Rundumsicht war hervorragend und auch technisch befand sich Giacosa auf der Höhe der Zeit.
Als Motor wurde ein Reihen-Sechszylinder mit 1493 cm3 Hubraum eingesetzt, der 45 PS abgab und die Limousine auf deutlich über 110 km/h beschleunigte. Rund 39 Sekunden dauerte die Beschleunigung von 0 auf 60 MPH, wie ein zeitgenössischer Test in der Zeitschrift “The Autocar” ergab.
Vier Gänge und eine Lenkung über Schnecke/Rolle entsprachen der Zeit. Innovativ war die Vorderradaufhängung nach dem Dubonnet-Prinzip, bei der hydraulische und doppelt wirkende Stossdämpfer für hohen Komfort sorgten.
Auch die Gewichtsverteilung mit dem längs eingebauten Motor hinter der Vorderachse und den Passagieren um den Schwerpunkt des Wagens war hervorragend. Die Türen öffneten wie beim Balilla gegenläufig, eine B-Säule fehlte, was ein bequemes Einsteigen erlaubte.
So überrascht denn auch die Zusammenfassung der Zeitschrift The Autocar kaum, die 1937 schrieb: “Einfach zu fahren, leichtgängig und gut kontrollierbar, komfortabel gefedert”.
Kontinuierliche Verbesserung
Fiat verbesserte den 1500, den es als zwei- und viertürige Limousine und als zweitüriges Cabriolet gab ab Werk - Karosseriefirmen konnten auch Fahrgestelle ohne Aufbau ordern - erstmals mit dem 1500 B und dann 1940 nochmals mit dem 1500 C, der sich dann auch optisch vom Vorgänger unterschied, erhielt er doch einen amerikanisch beeinflussten Kühlergrill. Zu diesem Zeitpunkt entfiel das Cabriolet.
Während des Kriegs wurde die Produktion eingestellt und die nächste Evolutionsstufe konnte erst 1948 in Turin als 1500 D vorgestellt werden. Unter anderem verbesserte man den Motor, der nun 47 PS leistete, das Getriebe und die Vorderradaufhängung, während sich die Optik noch am Vorkriegsmodell orientierte. Bereits ein Jahr später veränderte man aber mit dem Modell 1500 E auch die Karosserieform und setzte hinten ein Kofferraumabteil an. Auch die damals beliebte Lenkradschaltung erhielt der Sechszylinder-Fiat. Trotzdem wurde er nur noch gerade ein Jahr gebaut und dann 1950 durch den Fiat 1400 ersetzt.
Baueihen und Stückzahlen
Modell | Jahr von | Jahr bis | Stückzahl (ca) |
---|---|---|---|
1500 A/B | 1935 | 1939 | 35500 |
1500 C | 1940 | 1943 | 4000 |
1500 D | 1948 | 2800 | |
1500 E | 1949 | 1700 |
Moderne Formgebung
Die Gebrüder Bevilacqua hatten also mit dem Fahrgestell eine gute Wahl getroffen und die Karosserieschneider der Firma Reda übertrafen sich im Jahr 1945 selber mit einer modernen pontonförmigen Barchetta-Karosserie aus Stahlblech.
Während natürlich Radstand und Spurbreite von der Limousine übernommen wurden, geriet die Karosserie dank kürzeren Überhängen 11 Zentimeter kürzer, also 4,3 Meter lang, was zusammen mit der mit der Limousine identischen Aussenbreite von 1,56 Metern für ein dynamisches Auftreten sorgte.
Beim Gewicht konnten im Vergleich zur Limousine 220 kg eingespart werden, was alleine schon zu deutlich verbesserten Fahrleistungen führte.
Die Aufhängungen und die Bremsanlage konnten von der Limousine übernommen werden, das Interieur wurde zweckmässig ausgestattet.
Im kleinen Kofferraum im Heck wurde der Tank und das Reserverad untergebracht.
Vergessen, gefunden und restauriert
Nach sicherlich vielseitigen Einsätzen und drei dokumentierten Besitzerwechseln wurde die Barchetta um das Jahr 1968 in einer Scheune eingestellt und erst 1995 durch einen neuen Liebhaber wiederentdeckt, gekauft und in Breschia restauriert.
2010 nahm der Wagen dann erstmals an der Mille Miglia teil, ein weiterer Einsatz folgte im Jahr 2013. Das italienische Fiat-Register bezeugte die Authentizität des Wagens
Ohne Marken- und Typenkennzeichen
Wer heute den flachen Fiat-Sportwagen erblickt, würde wegen der Ponton-Karosserieform vielleicht auf einen Veritas tippen, wäre der Wagen nicht knallrot bemalt. So liegt natürlich eine italienische Herkunft näher. Dass man überhaupt rätseln muss, liegt daran, dass die Fiat 1500 Barchetta keinerlei Zeichen, Wappen oder dergleichen aufweist. Er fährt sozusagen incognito.
Freude am Fahren
Und wie er fährt! Gestartet wird per Handzug unter dem Lenkrad und schon lässt der Reihensechszylinder sein gleichmässiges und wohlklingendes Lied ertönen. Die Gänge 1 und 2 sind unsynchronisiert, das Schaltschema verläuft entlang dem wohlbekannten “H”, aber mit ein wenig Zwischenkuppeln und Zwischengas flutschen die Zahnräder problemlos von einer Ebene zur nächsten.
Und es geht vorwärts, vor allem wenn man sich in Erinnerung ruft, das die Fahrgestellkonstruktion ja aus den Dreissierjahren stammt.
Durch Tausch des Zenith-Vergasers durch einen kräftig dimensionierten Weber 30 DCR und Anheben der Verdichtung leistet der Motor heute rund 70 PS. Und dies soll für Tempo 170 km/h und mehr ausreichen. Um dies auszuprobieren, muss man aber sicher zu den Mutigeren gehören, denn im Vergleich zu modernen Aufhängungskonstruktionen vollführen die nun fast 80 jährigen Fiat-Radführungen durchaus ihr Eigenleben, vor allem, wenn der Untergrund uneben wird. Die gute Gewichtsverteilung und er tiefe Schwerpunkt lassen aber trotzdem eine dynamische Fahrweise zu.
Und schnell fahren ist eigentlich gar kein Gebot, denn bereits bei gemächlichen 80 km/h macht die Fahrt im kaum windgeschützten Fiat-Cockpit mehr Freude als die dreifache Geschwindigkeit im modernen Automobil.
Jedenfalls kann man es sich sehr gut vorstellen, mit dem roten Ponton-Sportwagen die 1000 Meilen der Mille Miglia zu absolvieren. Angemeldet ist er jedenfalls, jetzt muss man nur noch auf trockendes Wetter hoffen, denn einen wirklichen Schutz vor eindringendem Wasser gibt es bei der immer offenen Fiat 1500 Barchetta natürlich nicht.
Der für diesen Bericht portraitierte Fiat 6C 1500 1937/1945 wurde uns dankeswerterweise von der Oldtimer Galerie Toffen für eine Probefahrt zur Verfügung gestellt.
Weitere Informationen
- The Autocar, 16. April 1937, ab Seite 59: Road Test Fiat 1500 160 h.p.
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