Er kam hinterher und wirkte insgesamt jugendlicher, daher kamen die Alfa-Romeo-Leute wohl auch auf den Zusatz “Junior” als sie dem Coupé Giulia Sprint GT mit 1,6-Liter-Motor im Jahr 1965 eine kleinere Variante mit 1,3-Liter-Motor nachschoben. Optisch kaum weniger attraktiv und immer noch ziemlich sportlich ermöglichte der “Junior” einen etwas günstigeren Einstieg in die Alfa-Romeo-Coupé-Welt.
Gut eingeführt
Bereits zwei Jahre früher, im September 1963, hatten die Autobauer von Mailand auf der Internationalen Automobil Ausstellung in Frankfurt die “Giulia Sprint GT” präsentiert, ein klassisch konzipierter Sportwagen mit Doppelnockenwellen-Vierzylindermotor auf der Vorderachse und Antrieb über die Hinterräder.
Die gefällige Karosserielinie hatte das mit 4,08 Metern Länge und 1,58 Metern Breite kompakte Coupé vom jungen Giorgetto Giugiaro erhalten, der zu jenen Zeiten bei Bertone seine Lehrzeit absolvierte.
Während die schnellen Vertreter der Sprint-Linie mit oder ohne “Veloce”-Zusatz in der Bezeichnung immer schneller und hubraumstärker, aber auch teurer wurden, sollte die “Junior”-Linie die Einsteiger und weniger leistungshungrigen Kunden befriedigen.
Stetige Evolution
Als 1968 der 1750 GTV mit neuer geglätteter Front eingeführt wurde, behielt der GT 1300 Junior die alte Kantenhauben-Optik mit den grossen Scheinwerfern, erst 1970 musste wohl aus Kostengründen diese klassische Buggestaltung geopfert werden, fortan fuhr der 1,3-Liter mit zwei kleinen Scheinwerfern und dem Grill des Veloce-Modells durch die Gegend.
1972 gesellte sich das stärkere 1,6-Liter-Modell zum 1,3-Liter. Optisch waren die beiden kaum auseinanderzuhalten.
Die letzte Inkarnation
Ein weiterer Schritt folgte 1974, als die äussere Optik der Junior-Modelle an das Topmodell 2000 GTV angeglichen wurde, was wiederum eine andere Frontgestaltung bedeutete.
Die Automobil Revue beschrieb die Änderungen damals folgendermassen:
“Der neue GT Junior - 1,3- und 1,6-Liter - besitzt nun die fast gleiche Karosserie wie der stärkere 2000 GTV. Von seinem Vorgänger unterscheidet er sich somit im wesentlichen durch das Kühlergrilldesign, die Halogendoppelscheinwerfer und durch Markenembleme am Fuss der hinteren Dachpfosten; weitere Neuerungen aussen sind die kleinen Radzierringe aus rostfreiem Stahl und die nun mattschwarzen, nicht blendenden Scheibenwischer- arme. Das Heck dagegen blieb unverändert: die grossen Rücklichteinheiten des 2000 GTV wurden nicht übernommen. Im Inneren notiert man ebenfalls zahlreiche Änderungen, und die Ausstattung hat sich nun sehr stark derjenigen des 2000 GTV angenähert: der Boden von Passagierraum und Kofferabteil sind mit Moquetteteppich belegt, die Sitze sind neugestaltet und weisen nun - allerdings nur vorn - integrierte, verstellbare Kopfstützen auf. Die Instrumente sind im neugestalteten Armaturenbrett anders plaziert, es sind zwei zusätzliche Frischluftdüsen rechts und links vorhanden, und das Lenkrad besitzt drei Speichen und einen Holzkranz.”
Während die optischen Anpassung durchaus begrüsst wurden, störte die gleichzeitig angekündigte Preiserhöhung, da diese nicht durch einen echten Mehrwert gerechtfertigt werden konnte, sondern höchstens durch gestiegene Produktionskosten.
Ein Unikum war auch die Angabe der Höchstgeschwindigkeit in den Verkaufsunterlagen, die beim 1,6-Liter-Modell nun “über 175 km/h” und nicht mehr “über 185 km/h” lautete, obschon das neue Modell sicherlich nicht langsamer lief. Der Grund war in einem im Februar 1974 in Italien eingeführten Gesetz zu suchen, das Personen über 65 Jahren das Fahren von Autos über einer bestimmten Geschwindigkeitsgrenze nicht mehr erlaubte.
Die goldene Mitte
Auch wenn das 1,6-Liter-Coupé weiterhin “Junior” hiess, waren die Fahrleistungen durchaus “erwachsen”. Klaus Westrup fuhr den GT Junior 1600 für die Zeitschrift Auto Motor und Sport” und kam auf beachtliche 186,5 km/h Spitzengeschwindigkeiten, womit sich das Coupé ziemlich genau in der Mitte zwischen dem 13000-er und dem 2000-er-GTV, die 176,5 und 200,0 km/h schnell liefen, einordnete. Auch beim meistzitierten Sprint von 0 bis 100 km/h repräsentierte der 1,6-Liter mit 11.3 Sekunden die goldene Mitte zwischen 13,5 und 9,0 Sekunden.
“Mit einem Preis von knapp DM 15’000 (genau waren es DM 15’290 oder sFr 17’100) ist der Junior zwar kein ausgesprochen billiges Auto mehr, doch ein vergleichsweise günstiges Angebot inmitten der Konkurrenz; der Zweitausender kostet immerhin fast 18’000 Mark, der 1,3-Liter ist mit 14’490 DM nicht viel preiswerter, daß sich eine Bevorzugung lohnen könnte”, meinte Westrup zum Schluss seines Berichtes, in dem er vor allem den drehfreudigen und doch sparsamen Motor lobte.
Attraktiv bis heute
Von seiner Attraktivität hat das erfreulich kompakte Sportcoupé bis heute nichts verloren, das Vieraugengesicht lässt den Junior reif und schnell erscheinen und das damals modellgepflegte Interieur entbehrt nicht der klassischen italienischen Granturismo-Eleganz.
Der Einstieg gelingt leicht und ohne gröbere Kletterei. Der Motor erwacht beim ersten Schlüsseldreh - das Zündschloss sitzt nun rechts an der Lenksäule und nicht mehr links wie bei früheren Versionen - zum Leben und der Griff zum eingebauten Stereoradio erübrigt sich augenblicklich. Dass vier Zylinder so herrlich tönen können!
Doch genug der stehenden Symphonie. Die rechte Hand fällt automatisch auf den Schalthebel, der fast ohne Gestänge direkt die Zahnräder verschiebt. Und los gehts. Und es macht Freude. Man sitzt sportlich und hat trotzdem die komplette Übersicht. Die zwei grossen Hauptinstrumente informieren über Drehzahl und Geschwindigkeit, den (wichtigen) Öldruck kann man in einer kleinen Anzeige im Drehzahlmesse ablesen, Wassertemperatur und Benzinmenge werden zwischen den Hauptinstrumenten angezeigt.
Jetzt schön langsam das Öl, immerhin 6,7 Liter, aufwärmen, damit dem Aluminiummotor nichts passiert. Und erst dann dürfen die 6000 Umdrehungen, bei denen die Höchstleistung von 125 SAE-PS (oder die weniger imposant klingenden 109 DIN-PS) anfällt, ausgekostet werden.
Die Lenkung ist angenehm direkt und (in Fahrt) leichtgängig, das Fahrverhalten des 1020 kg schweren Coupés flösst Vertrauen ein, die Bremsen verzögern erwartungsgemäss. Das ganze Paket fühlt sich gut an und man spürt, dass der Alfa Romeo 1600 GT Junior im Jahr 1974 bereits eine hohe Reife erlangt hatte.
Im Vergleich zu seinem Zweiliter-Bruder GTV kostet ein 1,6-Liter Junior übrigens heute rund 15 Prozent weniger, dabei ist gerade diese Variante mit bis 1977 nur 13’120 gebauten Exemplaren relativ selten. Genuss ohne Reue!
Wir danken der Oldtimer Galerie Toffen für die Gelegenheit zur Probefahrt mit dem Alfa Romeo GT 1600 Junior aus dem Jahr 1974.
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 26 / 1972 vom 15.Jun.1972 - Seite 17: Test Alfa Romeo 2000 GTV
- AR-Zeitung Nr. 28 / 1974 vom 27.Jun.1974 - Seite 35: Wieder Änderungen bei Alfa Romeo
- Auto Motor und Sport Heft 21/1973, ab Seite 162: Test Alfa Romeo 1600 Coupé und Spider
- Oldtimer Markt Heft 5/1989, ab Seite 6: Alfa Romeo Bertone GT
Dann melden Sie sich an (Login).